Kapitel 22

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24. September 2015, 18:15

Lustlos stocherte ich in dem Essen herum, welches sich auf meinem Teller befand. Gegessen hatte ich davon noch so gut wie gar nichts, doch ich wusste genau, dass meine Mutter mich nicht vom Tisch aufstehen lassen würde, ehe ich den von ihr aufgefüllten Inhalt meines Tellers nicht vollständig verzehrt hätte.

Am liebsten wäre ich aufgestanden und ohne weiteres auf mein Zimmer gegangen, doch Mom hatte mir damit gedroht, mich zum Psychologen zu schleifen, damit mir geholfen wird, wenn ich mich weiterhin dagegen sträubte, zu essen.

Also blieb mir quasi gar keine andere Wahl als meine Mutter zufrieden zu stellen.

Schließlich hatte ich auch das letzte Bisschen von meinem Teller verzehrt und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, bis ich die weiche Polsterung der Stuhllehne in meinem Rücken spürte.

,,Kann ich jetzt bitte aufstehen?", fragte ich mit gelangweilten, müden Augen, die sich ihren Weg zwischen meinen Eltern hindurch bahnten und an einem Foto hängen blieben, welches eingerahmt an der Wand hing. Es zeigte mich an meinem aller ersten Schultag; mit einem breiten Lächeln im Gesicht, welches meine Zahnlücken entblößte, und einem viel zu großen Rucksack auf meinen viel zu schwachen Schultern. Beide Gurte hielt ich fest mit meinen kleinen Fingern umschlungen und meine kugelrunden braunen Augen glänzten aufgeregt.

Wie sehr ich mir diese Unbeschwertheit zurückwünschte, die mein glückliches Gesicht auf dirse Foto ausstrahlte.

Die Last, die ich heute auf meinen Schultern trug, war eine ganz andere Last, als der Rucksack, den ich auf dem Bild trug.

Einen Rucksack kann ich absetzen, doch Erinnerungen lassen sich nicht einfach ausradieren.

,,Da du aufgegessen hast, darfst du jetzt aufstehen.", sagte meine Mutter stolz.

Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, stand ich von meinem Stuhl auf, schob ihn wieder an den Tisch heran und verließ das Esszimmer.

Im Badezimmer angelangt, schloss ich die Tür hinter mir ab und kniete mich vor der Toilette auf den Boden, beugte mich über die Kloschüssel und begann mit Tränen in den Augen, den Inhalt meines Magens zu entleeren, indem ich mir meinen Finger in den Hals steckte.

Die erste Träne lief mir über meine erhitzten Wangen und ich schniefte leise, während ich sie mir aus dem Gesicht wischte. Mit geschlossenen Augen nahm ich einen tiefen Atemzug durch den Mund, ehe ich mich vom Boden erhob und spülte.

Anschließend spülte ich meinen Mund gründlich mit Wasser aus, putzte mir die Zähne und öffnete daraufhin das kleine Fenster, um frische Luft ins Bad zu lassen.

Es war nicht so, dass ich mir ständig den Finger in den Hals steckte, doch mir war nach dem Essen einfach jedes Mal so schlecht und erst nachdem der Inhalt raus war, ging es mir besser. Ich wusste, dass das, was ich tat, nicht gut für meinen Körper war und auf Dauer schädlich, doch mir war - dumm, wie ich war -, als gäbe es keine andere Option für mein Problem.

Wenige Minuten später ließ ich mich in meinem Zimmer auf meinem weichen Bett nieder und starrte an die Decke, betrachtete die dort klebenden Sterne und fragte mich, was Claire wohl gerade tat und wie sie es schaffte, im selben Haus wie ihr Bruder zu sein und in dem Bett zu schlafen, in dem es passierte.

In dem Moment vibrierte mein Handy irgendwo in meinem Bett, welches ich daraufhin auf ebendieses absuchte, ehe ich es schließlich eingeklemmt zwischen Matratze und Wand fand.

1 neue Nachricht von unbekannter Nummer.

Mein Herz setzte für einen Augenblick aus. Diese Person hatte ich ganz und gar vergessen.

Unbekannte Nummer: Du warst heute wieder so wunderschön

Da ich dieser Person, wer auch immer dahinter steckte, keine Aufmerksamkeit schenken wollte, entschied ich mich dazu, diese Nachricht zu ignorieren. Doch offensichtlich war das nicht genug.

Unbekannte Nummer: Ich kann nicht aufhören an dich zu denken

Unbekannte Nummer: Ich möchte nur in deiner Nähe sein, dir in diese wunderschönen braunen Augen sehen..

Hannah: Hör auf. Das ist doch krank. Wer zur Hölle bist du?

Darauf erhielt ich keine Antwort mehr und entschied mich schließlich dazu, die mir unbekannte Nummer zu blockieren, um keine weiteren Nachrichten mehr von der Person, die dahinter steckte, zu erhalten.

25. September 2015, 12:20

Seufzend öffnete ich die Tür meines Spinds, um die schweren Bücher, welche ich aufgrund ihres Gewichts hier aufbewahrte, für die nächste Stunde zu holen. Da die meisten vermutlich noch in der Cafeteria saßen und wie immer erst kurz vor dem Klingeln aufbrachen, konnte ich in Ruhe meine Tasche vor mir abstellen und wollte nach dem ersten Buch greifen, da fiel mir ein Stück gefaltetes Papier auf, welches mit meinem Namen versehen war.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen entfaltete ich es und huschte mit meinen braunen Augen immer wieder über die Worte, welche ich darauf niedergeschrieben fand.

Sämtliche Farbe entwich meinem Gesicht und mein Magen verkrampfte sich.

Das wirst du bereuen.

Immer wieder überflog ich diese vier Worte und versuchte mir jemanden in den Kopf zu rufen, dem ich Unrecht getan haben könnte.

,,Hannah" Adams Stimme direkt hinter mir ließ mich vor Schreck heftig zusammenzucken und meinen Spind zuschlagen. Meine zittrigen Finger umklammerten das Stück Papier krampfhaft, als hätte ich Angst, dass man es mir wegnehmen würde.

,,Ja?", fragte ich ein wenig neben der Spur und drehte mich zu Adam um, drückte mich mit dem Rücken gegen meinen Spind und sah ihm tief in die Augen.

,,Alles in Ordnung?" Ein nervöses Lächeln umspielte seine schmalen Lippen und er neigte seinen Kopf leicht zur Seite.

,,Ja", antwortete ich. Adams Blick fiel auf meine Finger, mit denen ich nervös an dem Papier zupfte.

,,Was ist das?", wollte Adam wissen.

,,Ein Zettel", erwiderte ich. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, ehe ich Adam mit einem mulmigen Gefühl im Bauch den Zettel reichte.

Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb augenblicklich, als seine Augen die Worte überflogen, welche sich nun in seinen Händen befanden. Er hob den Blick, richtete diesen mit einem ernsten Ausdruck auf mich. ,,Das ist eine Drohung, Hannah."

Ich nickte zustimmend. ,,Ich weiß"

,,Lag das in deinem Spind?" Wieder und wieder überflogen seine braunen Augen die vier Worte, wie auch meine es zuvor getan hatte. Die Ader an seinem Hals pulsierte aufgeregt. Adam war wütend. Eindeutig.

Ich nickte.

,,Wer auch immer das war, kann sich warm anziehen", nuschelte er, knüllte den Zettel zusammen und ließ ihn in die Mülltonne wandern. ,,Mach dir darum keinen Kopf, ich werde das regeln"

,,Danke", murmelte ich ehrlich und allmählich lockerten sich meine verkrampften Muskeln wieder, doch das schlechte Gefühl in meinem Magen blieb.

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Bevor wieder eine Weile eventuell nichts kommt, ein Kapitel für euch ♡

Dieses Kapitel möchte ich gerne einer super lieben, aktiven Leserin widmen, die mir immer so liebe und süße Kommentare schreibt und fleißig votet. caya1404 😊

Ich wünsche euch einen guten Start in die Woche 🌹

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