Kapitel 21

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24. September 2015, 7:56

Mit weichen Knie und gesenktem Blick betrat ich das Klassenzimmer. Als hätte ich es geahnt, legte sich plötzlich eine unangenehme Stille über die vor mir sitzende Menge der Schüler und ihre neugierigen Augen musterten mich ausgiebig, was mich bloß in meiner Vermutung, Jasper könnte sein Versprechen gebrochen und jedem von unserer Begegnung gestern verraten haben, bestärkte.

Sofort fielen meine Augen auf Jasper, durchbohrten ihn misstrauisch und vorwurfsvoll, ehe er schließlich mit einem unschuldigen Kopfschütteln seinen Blick abwandte.

Also hatte er sein Wort gehalten.

Zumindest behauptete er es.

Doch wieso sonst starrten sie mich alle so an?

Mit hochrotem Kopf schlängelte ich mich zwischen den Tischen hindurch nach hinten, wo ich mich auf meinen Platz neben Adam niederließ.

Adam würdigte mich nach wie vor keines Blickes, denn er wusste, wie sehr er mich enttäuscht hatte, indem er seine Vermutung bezüglich Brandon und mich mit Claire geteilt hatte.

Statt mich also anzusehen, steckte er seine mit Sommersprossen übersäte Nase in ein dickes Buch, welches aufgeschlagen vor ihm lag.

,,Was liest du da?", tastete ich mich - zu meiner eigenen Überraschung - vorsichtig an Adam heran.

Überrascht hob er seinen Blick und richtete diesen mit hochgezogenen Augenbrauen auf mich, wobei mir auffiel, dass er mich kurz musterte. ,,Ein Buch.", erwiderte Adam schulterzuckend und senkte seine müden Augen wieder auf die vielen kleinen Worte auf dem wundervoll weißen Papier.

Er wirkte desinteressiert, was mich, zugegebenermaßen, einen kleinen Stich im Herzen verspüren ließ, ehe ich mich von ihm abwandte, denn immerhin wollte ich ihn nicht weiter belästigen und sein dickes Buch mit den vielen Wörtern in Ruhe lesen lassen.

,,Hannah", kam es daraufhin jedoch von ihm und aus dem Blickwinkel nahm ich wahr, wie er das Buch zu klappte und in seiner Tasche verstaute. ,,Es tut mir leid, wenn du denkst, ich sei dir in den Rücken gefallen."

Langsam wandte ich ihm mein Gesicht zu, presste meine trockenen, rissigen Lippen aufeinander und sah ihm in die braunen Augen, welche sich nun tief in die meinen bohrte und mich fesselten, sodass es mir nun unmöglich schien, den Blick von dem Jungen, welcher unmittelbar neben mir saß, abzuwenden.

,,Ich habe dir nur zu helfen versucht, aber ich mache mir wirklich große Sorgen um dich.", erklärte er mir und nahm einen tiefen Atemzug, hielt ihn für ein paar Sekunden und stieß die Luft anschließend wieder aus, wobei er seinen Kopf kurz senkte und meine Augen die seinen verloren. Blinzelnd senkte nun auch ich den Blick und schluckte den Kloß in meinem Hals herunter.

Was sollte ich sagen? Ich wusste, dass Adam sich um mich sorgte und mich nicht hintergehen wollte, als er sich Claire mit seiner Vermutung, mit der er gar nicht so falsch lag, anvertraute. Er hielt es für das Richtige, für einen Weg, mit dem man mir helfen könnte, doch war es wirklich das, was ich wollte?

Ich wollte nicht, dass jemand die Wahrheit erfuhr, da ich Angst vor dem hatte, was die Folgen davon wären.

Vielleicht würde es zur Polizei getragen werden. Brandon könnte ins Gefängnis kommen und man würde meine Eltern davon informieren, die sich große Sorgen machen würden. Doch wie sollte ich ihre Blicke auf mir noch ertragen können, wenn sie wussten, was passiert war und jedes mal, wenn sie mich ansahen, daran dachten, was Brandon mit ihrer kleinen Hannah getan hatte? Der Gedanke daran war für mich unerträglich und ich wäre lieber tot als dieses demütigende Leben führen zu müssen, welches ich führen müsste, wenn die Wahrheit ans Licht käme.

Ich wollte nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. Ich gab mir manchmal immer noch die Mitschuld an dem, was in jener Nacht geschehen war. Ich hätte es verhindern können, doch das habe ich nicht. Galt es dann überhaupt noch als Vergewaltigung? Meine innere Stimme redete mir ein, dass es das nicht war, denn ich habe mich einfach nicht genug gegen Brandon gewehrt.

,,Du musst dir keine Sorgen machen.", erklärte ich Adam schließlich ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen, denn er würde meinen mit Tränen gefüllten Augen sofort entnehmen können, dass ich log. ,,Es ist alles gut."

Nichts war gut.

Gerade wollte er etwas erwidern, da betrat Mrs Washington den Raum und sämtliche Gespräche in den Reihen vor uns verstummten, weshalb auch Adam zu meiner Erleichterung schweigend den Kopf nach vorne richtete.

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Hey 🌹
Das ist nur ein kleines "Übergangskapitel". Ich weiß, dass es eventuell nicht sehr spannend war, aber ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt. 😊

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