Kapitel 20

2.8K 135 13
                                    

23. September 2015, 19:52

Nachdem ich noch stundenlang darüber nachgedacht habe, fand ich mich nun in der Drogerie vor einem großen Regal wieder. Direkt vor mir befanden sich eine Vielzahl an verschiedenen Schwangerschaftstests.

Es war mir unangenehm, hier zu stehen und da ich die Befürchtung hatte, jemand, den ich kannte, würde mich sehen, kam ich extra spät her. In nur wenigen Minuten würde die Drogerie schließen. Gerade, als ich nach einem der Tests von Clearblue greifen wollte, nahm ich links von mir Schritte wahr.Sofort fiel mein Blick auf die Person, die sich links von mir vor das Regal stellte und nach einer Packung Kondome griff. Es war ein Junge mit kurzen, schwarzen Stoppeln auf dem Kopf. Ich kannte ihn nicht,was mich erleichtert aufatmen ließ. Seine Augen fielen erst auf den Schwangerschaftstest, nach dem ich soeben greifen wollte, dann auf mich und zu guter letzt auf die Packung mit den Kondomen in seinen Händen.

,,Mit mir wäre dir das nicht passiert." Ein dreckiges Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er zwinkerte mir zu, ehe er seinen Blick auf mein Schweigen hin abwandte und seinen Weg in Richtung Kasse fortsetzte.

Idiot, dachte ich. Wieder einmal war ich den Tränen nahe. Er wusste doch gar nicht, wieso ich hier stand.Ihm war nicht klar, dass ich doch selbst nichts dafür konnte, nun hier stehen zu müssen und obwohl ich mir selbst sagte, dass mir egal sein konnte, was ein Fremder von sich gab, gingen seine Worte nicht spurlos an mir vorbei.

Als ich mich wieder gefangen hatte und realisierte, dass ich schon viel länger als nötig und geplant vordem Regal stand, nahm ich zwei der Schwangerschaftstests, um ganz sicher zu sein, und wollte zur Kasse gehen, doch dann nahm ich wieder jemanden nur wenige Meter entfernt von mir wahr und als ich mich umdrehte, blickte ich in zwei bekannte blaue Augen, die mich verwirrt ansahen.

Jasper.

Sofort schoss mir das Blut in den Kopf und ließ meine Wangen knallrot werden. Tränen bildeten sich in den Innenwinkel meiner wahrscheinlich ohnehin schon von all dem Weinen geschwollenen Augen.

Mit schwitzenden Fingern umklammerte ich die Schwangerschaftstests, auf welche Jasper nun mit leicht geöffneten Lippen starrte, ehe seine Augen erneut auf die meinen trafen, mit welchen ich ihn flehend ansah.

,,Bitte sag es keinem, Jasper." Bereits jetzt ahnte ich, was mich morgen in der Schule erwarten würde. Jasper würde es nicht für sich behalten, ganz bestimmt nicht. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst.

Jasper schwieg, er brachte kein Wort heraus. Und ohne ein Wort zu sagen, verschwand er genauso schnell wieder, wie er aufgetaucht war und ließ mich mit zittrigen Knien stehen.

Sofort schmiss ich die Tests zurück ins Regal und verließ die Drogerie unter Tränen in den Augen, um mich auf den Heimweg zu machen.

Vor der Drogerie traf ich auf Jasper, der sich gerade eine Zigarette angezündet hatte und einen tiefen Zug daran nahm. Mit den Händen in den Taschen meiner Jacke und gesenktem Blick ging ich schnellen Schrittes an ihm vorbei.

,,Hannah" Jaspers Stimme schallte in meinen Ohren und seine schweren Schritte folgten mir. ,,Warte mal kurz" Obwohl es eigentlich nicht in meinem Interesse lag, blieb ich stehen und sah ihn erwartungsvoll an. Ich rechnete bereits mit einem fiesen Spruch, denn nachdem er mir auf dem Schulflur geholfen hatte meine Bücher aufzuheben und auf die Beine zu kommen, hatte Cathy sich über ihn lustig gemacht. ,,Stehst wohl jetzt auf Schlampen", hatte sie gesagt und ihn damit voll auflaufen lassen.

Da käme ihm die Begegnung mit mir in der Drogerie doch gerade richtig, um sich bei mir zu rächen. Dabei habe ich ihn nicht dazu gezwungen, mir zu helfen. Die Schuld sollte er nicht bei mir suchen, sondern bei sich selbst.

,,Ich werde keinem sagen, was ich gesehen habe", sagte er mit gedämpfter Stimme und sah sich um, als vermute er, jemand könne uns hier sehen. Auf dem dunklen, verlassenen Parkplatz, auf dem lediglich drei oder vier Autos standen, die vermutlich den Mitarbeitern der Drogerie gehörten. Und die interessierten sich wohl kaum für Schultratsch.

,,Und?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und blieb schließlich stehen, wandte meinen Körper in seine Richtung. ,,Was verlangst du dafür?"

Jasper nahm einen weiteren tiefen Zug seiner frisch angezündeten Zigarette, ehe er sie auf dem Boden austrat. Es war das erste Mal, dass ich Jasper Price mit einer Zigarette zwischen den Lippen gesehen hatte. ,,Nichts", erwiderte er schulterzuckend.

Überrascht zog ich meine Augenbrauen nun zusammen. ,,Nichts?", fragte ich nochmal nach, um ganz sicher zu gehen. ,,Du liebst es, Leute aufzuziehen, sie bloßzustellen. Du bist ein - " Bevor ich den Satz vollenden konnte, hielt ich inne, senkte meine braunen Augen auf meine Schuhspitzen, welche ich in der Dunkelheit kaum noch erkannte.

,,Ein was?", stellte Jasper mich daraufhin zur Rede und ich spürte, wie mir mein Herz in die Hose rutschte vor Angst. Ich sollte jetzt bloß nichts Falsches sagen und ihn gegen mich aufhetzen, wenn er es doch bloß gut mit mir meinte, indem er mein Geheimnis für sich bewahrte. ,,Ein Idiot? Ein Arschloch? Das hat Adam auch gesagt, als er mir eine verpasst hat." Schnaubend machte der Blonde einen Schritt auf mich zu und hob mein Kinn mit seinem Zeigefinger. ,,Ich weiß. Und es tut mir leid, wenn du meinetwegen gelitten hast. Ich möchte mich ändern, mich bessern."

,,Okay", antwortete ich lediglich, befreite mich von seiner Berührung, die mir einen kalten Schauer über den Rücken gejagt hatte und senkte erneut meinen Blick.

,,Gut", erwiderte Jasper, trat mehrere Schritte zurück. ,,Dann ist das mein erster Schritt zur Besserung" Eigentlich hatte er den ersten Schritt bereits gemacht, als er mir im Schulflur geholfen hat, nachdem Cathy mir ein Beinhaken gestellt hatte.

Bevor Jasper sich von mir abwenden konnte, um zu gehen, erhob ich ein letztes Mal die Stimme. ,,Adam hat dich geschlagen?", fragte ich. Adam schien mir nicht der Typ zu sein, der anderen Leuten gegenüber gewalttätig wird. Das sah ihm nicht ähnlich. Aber nun ja; Brandon sah es auch nicht ähnlich, die beste Freundin seiner kleinen Schwester zu vergewaltigen - und so schnell konnte man sich in jemandem täuschen.

Statt etwas zu sagen, nickte Jasper.

,,Wieso?", wollte ich wissen.

,,Weil ich es verdient habe", antwortete er.

,,Wann?", fragte ich weiter.

,,Als ich Schlampe auf deinen Tisch geschrieben habe" Jaspers Stimme klang heiser und er räusperte sich, ehe er sich von mir abwandte und in der Dunkelheit verschwand.

EighteenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt