Kapitel 14

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Zur selben Zeit in Selia

„Atrius!", ruft Jane panisch, während sie in den großen Essahl rennt.
„Was ist denn mit dir los?", fragt dieser amüsiert..
Als er jedoch ihren aufgelösten Blick sieht, gefriert sein Lächeln.
„Lucy!"
„Was soll mit ihr sein?"
„Als ich letztens eine Panikattacke hatte, habe ich die ganze Zeit von ihr geredet! Es ist mir vorhin wieder eingefallen!"
„Was hast du denn gesagt?!"
Atrius läuft gestresst auf sie zu.
„Sie weiß von einigen Prophezeiungen! Dabei bin ich die große Schwester, ich bin das Orakel! Wie-"
„Beruhige dich. Ganz ruhig."
Atrius schaut ihr tief in die Augen und versucht, Janes schnellen Atem wieder zu normalisieren.
„Atrius...", flüstert sie,„Was, wenn sie eine Verbindung zwischen uns hergestellt hat? Erinnerst du dich nicht mehr an die Prophezeiung über Verbindungen?
"Wenn zwei sich verbinden,
Um Gedanken und Schmerzen zu empfinden,
So über's selbe Blut,
Alles andere wird verflucht.
Die Schmerzen spürt jeder,
Doch die Gedanken nur der Jäger."
Innerhalb einer Familie ist eine Verbindung möglich.
Wenn Lucy uns tatsächlich verbunden hat, kann sie einige Gedanken von mir aufschnappen, ich aber nicht von ihr, weil sie die Verbindung aufgestellt hat.
Sie ist der "Jäger".
Die Schmerzen jedoch spüren wir beide."
Atrius wird bleich.
„Nicht nur ihr beiden habt wahrscheinlich eine Verbindung.", meint er.
„Wie meinst du das?"
Janes Augen öffnen sich vor Schreck noch weiter als sowieso schon.
„Lia. Sie hat in London eine Zeit lang eine Stimme in ihrem Kopf gehört. Das muss an der Gedankenverbindung gelegen haben.
Und die Schmerzen sind dann aufgetreten, als sie die Kutsche aufgehalten hat, wegen des Tritogens.
Erinnerst du dich? Ihr Arm hat ganz plötzlich angefangen zu bluten..
Jane, ich glaube ganz sicher, dass Lucy eine Verbindung zwischen euch hergestellt hat.
Wie auch immer sie das geschafft hat.
Aber auch Meandra hat sich mit Lia verbunden.
Stirbt Lia, stirbt auch Meandra, und Selia geht unter, weil sie Meandras Beschützerstadt ist."

Forestia

Maddison und ich laufen nie alleine.
Immer steht irgendwer bei uns, und Etalons Blick ist noch prüfender als sowieso schon, als er uns über die Wege führt.
Wir laufen schon seit vier Tagen, mit wenigen Pausen, und
langsam fangen die Dünen von Nyra an.
Es ist merklich kälter geworden.
Edmon ignoriert mich immer noch, wenn nicht sogar noch mehr als vorher.
Jedes mal wenn unsere Blicke sich treffen, schaut er blitzschnell weg, und jetzt geht er mir auch noch aus dem Weg.
Ich habe keine Ahnung, was mit ihm los ist.
Mit Tyler verstehe ich mich immer besser, und auch Farian wächst mir immer mehr ans Herz.
„Lia.", macht Felis mich auf sich aufmerksam.
Ich blicke lächelnd zu ihm.
„Was gibt's?"
„Du scheinst dich hier ganz gut eingelebt zu haben, oder?"
Ich nicke.
Wer hätte gedacht, dass ich mich im Endeffekt doch in dieser Gruppe wohl fühle?
Dass ich mich mit Edmon anfreunden würde?
Auch wenn er mich momentan aus irgendeinem Grund ignoriert.
Wir laufen eine Düne hoch und uns schlägt direkt eine kalte Windböe entgegen.
Ich halte an und greife mir einen dicken Pulli aus meinem Rucksack.
Die Aussicht ist zwar wirklich schön, doch beweist auch, dass wir noch eine Ewigkeit laufen müssen.
Die Dünen ziehen sich endlos weiter und mir graust es davor, in der Kälte noch so weit gehen zu müssen.
Das Meer ist nicht mehr zu sehen, der Wind aber deutlich zu spüren..
Die Gespräche verstummen, denn bei jedem Schritt scheint sich die Temperatur um einen Grad zu senken.
Ich wünschte, ich könnte etwas wärmeres anziehen, doch ich habe nur diesen einen dicken Pulli dabei.
Die Dünen scheinen nie mehr aufzuhören und langsam wird die Kälte unerträglich.
„Dauert es noch lange?", frage ich Felis zitternd.
„Bestimmt. Wir müssen einfach immer weiter, keine Pausen."
„Sonst?"
„Kommen wir nie ans Ziel."
Ich schweige und stapfe einfach weiter neben ihm her.
Es ist anstrengend, weil wir auf Sand laufen und unsere Schuhe immer wieder darin versinken.
Vor allem May scheint Schwierigkeiten zu haben, weshalb Shane sie kurzerhand auf den Rücken nimmt, damit sie sich eine Weile ausruhen kann.
Ihre sonst so glänzenden Haare fallen ihr strähnig über die Schultern.
Unter ihren Augen liegen dunkle Augenringe, und langsam glaube ich, dass diese Reise ihr mehr zusetzt, als sie weiß.
Auch wenn May es nicht einsehen will, ich kann sehen, was mit ihren Körper passiert.
Selbst ihre Haltung hat sich verändert, und das Funkeln in ihren Augen ist verschwunden.
Ein Blick zu Hailey verrät mir, dass auch sie nicht mehr so wirkt wie vorher.
Dabei haben wir erst einen einzigen Ringträger überredet.
Sie ist ungeschminkt und ihre Haare stehen ab, was in Selia nie der Fall war.
Ihre übersprudelnde Art scheint nicht mehr wirklich vorhanden zu sein.
Meine Lippen sind von der Kälte bestimmt schon ganz blau.
Wir laufen und laufen, immer weiter.
Nur ein Blick ist noch wirklich stur nach vorne gerichtet, und das ist Etalons.
Ich bin vollkommen erschöpft und verfroren.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fängt ein kleiner Steg an, der über den Sand führt.
Ich will gerade erleichtert aufatmen, als mir der zweite auffällt.
Etalon bleibt stehen, weshalb wir alle anhalten.
„Und jetzt?", stellt Hailey die Frage, die uns wohl allen im Kopf herumschwirrt.
Genau in dem Moment schreit May auf und zeigt auf etwas hinter uns.
Ich drehe mich blitzschnell um und erblicke mehrere Reiter.
Jeder von uns weiß, dass wie nicht in der Verfassung sind, um zu kämpfen, weshalb ich einen vollkommen neuen Ausdruck in Etalons Augen erkennen kann.
Er hat Angst.
Und genau das ist der Grund, weshalb mich blanke Panik erwischt.
Anscheinend nicht nur mich, denn als ich mich wieder umdrehe, sehe ich, wie Maddison den linken Steg lang rennt.
Ohne zu überlegen renne ich ihr nach, und niemand hält mich auf.
Ich kann hören, wie Kräfte aufeinanderprallen, doch ich wage es nicht, mich umzudrehen.
Irgendwer brüllt etwas, doch Maddison und ich sind schon hinter einigen Dünen, weshalb man uns nicht mehr sehen kann.
Eine winzige Drehung nach rechts erlaubt mir einen Blick auf eine Silhouette weiter hinten, die gerade eine Düne erklommen hat.
Diese ist jedoch ziemlich weit rechts, weshalb ich vermute, dass die Person den rechten Steg genommen hat.
„Maddison!", brülle ich, weil sie schneller rennt als ich, und ich sie fast aus den Augen verloren hätte.
Sie dreht sich mit vor Angst weit geöffneten Augen um, und als sie mich erblickt, schluchzt sie auf.
Ich hole sie schweratmend ein und
fordere sie auf, weiter zu rennen.
„Es tut mir so leid!", schluchzt sie, während wir nebeneinander her rennen.
„Wovon sprichst du?"
„Ich bin so ein Feigling! Was, wenn jemand jetzt stirbt, weil er versucht hat, sich zu verteidigen? Ich hätte helfen können!"
„Du musstest dich in Sicherheit bringen, und ich auch. Das ist das einzige Richtige, was wir hätten tun können.", beruhige ich sie.
Wir sprinten immer noch in halsbrecherischen Tempo den Steg lang, doch mein Adrenalinschub von vorher ist verschwunden,
weshalb ich vollkommen erschöpft bin.
Ich atme laut und schwer, und meine Beine brennen höllisch.
„Ich kann nicht mehr!", stöhne ich.
„Da vorne ist was!", meint Maddison und verlangsamt mir zuliebe das Tempo.
Auch wenn sie etwas besser in Form zu sein scheint als ich, wird auch ihr Atem immer unregelmäßiger.
Tatsächlich blitzt hinter einer Düne irgendetwas hervor, und ich renne wieder schneller.
Eine Düne weiter können wir dann erkennen, was vorhin so geblitzt hat.
Vor uns steht ein riesiges Schloss, welches nur aus Spiegeln besteht.
Maddison und ich blicken uns sprachlos an, bis wir gleichzeitig runterrennen.
Anscheinend haben wir Artons Schloss gefunden.

Maddison scheint ziemlich durch den Wind zu sein, als wir genau vor dem Gebäude stehen.
Verständlich, angesichts der Tatsache, dass sich darin ihr Vater befindet.
„Meinst du, wir sollten versuchen reinzukommen?", fragt Maddison.
Ich bin erschöpft und durchgefroren, doch ich bejahe noch nicht.
„Was, wenn das gleiche passiert wie bei Morton? Wir sind nur zu zweit und nicht in der Lage, uns zu verteidigen.", meine ich.
Die Entscheidung wird uns abgenommen, als wir oben an einer Düne einen der Reiter erblicken.
Ich schaue hilfesuchend zu Maddison.
Sie kaut nachdenklich auf ihrer Lippe herum, dann hebt sie entschlossen ihr Kinn.
„Bei Arton haben wir eine fünfzigprozentige Chance, dass er uns umbringt.
Bei den Typen da oben eine hundertprozentige."

Sooo, das war jetzt Kapitel 14 :)
Die Kapis werden jetzt immer etwas kürzer sein, aber dafür kann ich öfters welche hochladen, ich hoffe das stört euch nicht.😊
Was erwartet Maddison und Lia wohl noch?
Können sie den Luftring für sich gewinnen?
Und was haltet ihr von der Verbindung zwischen Lucy und Jane und der von Meandra und Lia?
Voten und Rückmeldung bitte nicht vergessen!
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend :)

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