Kapitel 20

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Zur selben Zeit in Selia

„Ich schaffe es nicht, die Verbindung zu unterbrechen, Atrius."
„Die Maske muss Lucy geholfen haben."
„Es kann nur so gewesen sein. Meine Schwester war noch nie mächtiger als ich."
„Mach dir keine Sorgen, Jane. Noch ist Lia am Leben."
„Du weißt selbst, dass wir uns alle Sorgen machen müssen. Wir haben immer noch einen Verräter in unseren Reihen, wer weiß, über was die Maske alles schon bescheid weiß. Wir hätten schon damals, als die Reisenden aufgebrochen sind, und es den erwarteten Angriff von James nicht gegeben hat, etwas unternehmen sollen"
„Mir fällt nicht ein, wer es sein könnte. Jemand, der im Hotel ist, damit er die Informationen gut bekommen kann. Ein Wache vielleicht?"
„Ich weiß es nicht. Aber wir werden es herausfinden müssen."

Rivera

Die Eiswüste der tausend Schatten habe ich mir ganz anders vorgestellt.
Kalt, beißend helles Licht, Eisbrocken überall.
So ist es nicht.
Die Temperatur ist wie auf der anderen Seite des Portals, der Himmel ist grau, es ist recht dunkel, und nichts außer flaches Eis ist zu sehen.
Es war keine Absicht, dass wir in die Welle gekommen sind, die uns hierhin gebracht hat.
Durch Zufall bin ich sozusagen auf den Schlüssel getreten, der ein kleiner Stein war.
Durch den Druck wurde die Welle freigesetzt und diese hat uns direkt
auf die andere Seite des Portals gebracht.
Unsere Sachen sind jedoch auf der anderen Seite, doch diese Welle funktioniert wohl anders als die restlichen, weil wir nicht zurückkönnen.
Etalon hat es lange versucht.
Wir werden wohl irgendwie mit einigen Beeren, die Megan auf der anderen Seite gepflückt hat, und ein bisschen Wasser, welches aus dem Fluss geschöpft wurde, zurecht kommen müssen.
„Alles klar bei dir?", fragt Edmon mich besorgt.
Ich nicke und lächele ihn an.
Er greift nach meiner Hand, und ein vollkommen neues Gefühl durchströmt mich.
Ich fühle mich sicher.
Obwohl die Temperatur hier um einiges angenehmer ist als in den Dünen von Nyra, habe ich ein komisches Gefühl.
Als würde hier irgendetwas nicht stimmen.
„Du spürst das auch, oder?", murmelt Edmon.
Ich nicke.
Ich lasse meinen Blick umherschweifen und kann bei jedem denselben Gesichtsausdruck erkennen.
Ich drücke Edmons Hand ein bisschen fester.
„Amy!", ruft Maddison auf einmal.
Ich suche die Gegend mit meinen Augen ab, doch natürlich ist Amy nirgendwo zu sehen.
„Bleib stehen!"
Und schon rennt Maddison los.
„Was zum-"
„Maddison!", unterbricht Etalon mich.
„Pass auf!"
Maddison bleibt ruckartig stehen.
Als ich zu ihr renne, kann ich ein kaum sehbares Loch im Boden erkennen..
„Wo ist sie hin? Was habt ihr getan?!", schreit Maddison.
„Beruhige dich, Amy ist nicht hier!", versucht Felis ihr klar zu machen.
Maddisons Blick ist glasig und verwirrt.
Plötzlich kann ich erkennen, wie jemand auf uns zu kommt.
Ich kneife die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und reiße sie dann vor Erstaunen auf.
„Hazel?", frage ich ungläubig.
Tatsächlich sind das ihre Haare, die in einer leichten Brise wegen, ihr Lächeln, das mir entgegen strahlt,
und ihre Augen, die mich glücklich mustern.
Ich will auf sie zu rennen, sie in meine Arme schließen, doch irgendetwas hält mich fest.
Ich versuche die Person, die hinter mir steht, zu treten und zu schlagen, doch der Griff bleibt eisern.
„Lia!"
Ich werde durch eine laute Stimme zurück in die Wirklichkeit geholt.
Hazel ist verschwunden.
„Kannst du mich hören?", fragt Edmon und schaut mich voller Sorge an.
Ich nicke atemlos.
Sie sah so real aus.
Edmon umarmt mich erleichtert, und ich entschuldige mich dafür, ihn geschlagen zu haben.
„Diese Wüste spielt mit der Psyche.", schlussfolgert Felis.
„Das sieht Fazira ähnlich.", meint Etalon.
Hat er sie gut gekannt?
Ich werde ihn mal danach fragen müssen.
Eigentlich weiß ich so gut wie nichts über ihn, außer, dass er sehr gut mit Atrius, Felis und Miron befreundet war.
„Einige von uns werden Menschen sehen, die sie sehr vermissen. Unser Unterbewusstsein werden wir nicht vor der Magie hier schützen können.", erklärt Megan.
Ich schlucke.
„May!", ruft Shane auf einmal.
Ich drehe mich zu den beiden um, und sehe, wie Shane blitzschnell nach ihrem Arm greift.
„Was ist passiert?", frage ich verwirrt.
„Geht es dir gut?", fragt Shane May mit panischem Gesichtsausdruck.
May nickt, scheint aber vollkommen verschreckt zu sein.
„Es hat sich auf einmal so angefühlt, als würde ich fallen.", erklärt sie.
„Ihr ganzer Körper ist auf einmal verschwunden, hätte ich nicht noch schnell ihren Arm greifen können, wäre sie jetzt vermutlich nicht mehr da.", erzählt Shane.
Alle schweigen.
Mein Herz schlägt immer schneller.
„Alles wird gut. Wie wäre es, wenn wir jetzt alle einmal tief durchatmen und eine kleine Pause machen?", schlägt Etalon vor.
Alle nicken.
Als jeder von uns sich hungrig einige Beeren in den Mund stopft, herrscht betretene Stille.
Diese Wüste ist um einiges schlimmer als die Dünen.
Zweimal verschwindet fast jemand, erst Megan, dann Hailey.
Es kann zwar immer jemand ein Körperteil festhalten, aber wie sollen wir das in der Nacht machen?
Diejenigen die Wache halten, werden die ganze Zeit aufpassen müssen.
Automatisch schaue ich um mich, um sicherzugehen, dass noch alle da sind.
Als mein Blick Edmon erfasst, atme ich auf.
Dann jedoch schweift mein Blick neben ihn.
Ich sehe Tyler, der mit Farian redet, doch irgendwie habe ich ein komisches Gefühl.
Dann fällt es mir siedend heiß ein, und ich schreie auf.
„Eric!", brülle ich.
Wenn man genau hinschaut, kann man sehen, wie sich sein letzter Finger in Luft auflöst.
Tylers Blick werde ich wohl nie vergessen.
Panik, Unglauben, Schuld.
Dann ertönt von allen Seiten aus Schreien.
Nur Tyler bleibt still, und schaut die ganze Zeit an die Stelle, an welcher vor nicht einmal einer Minute noch sein kleiner Bruder gesessen hat.
Ich kann an gar nichts mehr denken, alles verschwimmt vor meinen Augen.
Tränen verschleiern meine Sicht.
Grob kann ich erkennen, wie Tyler sich auf den Boden schmeißt, schreit, um sich tritt.
Dann wird alles schwarz.
Als ich aufwache, habe ich dröhnende Kopfschmerzen.
Ich kann nur Edmon sehen, auf dessen Schoß ich liege.
Es ist ruhig, und es dauert genau drei Sekunden, bis mir wieder einfällt, was passiert ist.
Eric ist tot.
Keiner von uns hat gemerkt, wie er langsam verschwunden ist.
Wie konnte das passieren?
Wieso hat niemand auf ihn geachtet?
Wieso musste es so kommen?
Fragen über Fragen, doch alles führt zu einer einzigen Antwort.
Wir sind schuld.
Wir alle.
Wie soll ich denn mit dieser Kenntnis weiterleben?
Wie soll Tyler damit weiterleben?
Ausgerechnet Eric.
Eine dieser Personen, die jeder mag.
Die man nur mögen kann.
Leises Schluchzen ist von einer Seite aus zu hören, von Tyler keine Spur.
Entweder die Blicke sind betreten nach unten, oder verloren in die Ferne gerichtet.
In der Nacht kann keiner schlafen.
Alle bleiben wach, geben aufeinander Acht.
Ich will hier nur noch weg.
Es müsste um die zwei Uhr nachts sein, als Tyler aus der Dunkelheit auftaucht.
„Ich möchte ihm gedenken.", teilt er uns leise mit..
Alle nicken.
„Ich habe zwar keinen Körper, den ich beerdigen kann, aber die Erinnerungen an ihn werde ich nie vergessen. Und ihr müsst mir versprechen, dass ihr das auch nicht werdet."
Mir läuft eine weitere Träne über die Wange, während ich leicht in Edmons Armen hin und her gewogen werde.
„Das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, wo er jetzt ist. Ich will nicht, dass er leidet. Das hat niemand so wenig verdient, wie er.
Eric war und bleibt ein Vorbild für mich, obwohl ich der große Bruder war.
Es war meine Aufgabe, auf ihn aufzupassen. Es tut mir leid, dass ich diese Aufgabe nicht erfüllt habe."
Tyler schluchzt auf.
Am Liebsten würde ich aufspringen und ihn in meine Arme schließen, aber ich lasse es.
„Er war schon immer der mutigere von und beiden, der aufmerksamere, der lustigere."
Tyler legt eine kurze Pause ein.
„Und ich liebe meine verdorbenen Eltern dafür, dass es ihn gab.", beendet er schließlich seine Rede.
Ich drehe meinen Kopf zu Edmon.
Er weint.
Wie könnte er auch nicht weinen?
Eric war sein Bruder.
Ich klammere mich an ihn, versuche, ihm so ein wenig Trost zu spenden.
So verbringen wir die Nacht, eng umschlungen.
May lehnt an Shane, Hailey an Farian.
Megan, Felis und Etalon sitzen zu dritt eng beieinander und schauen betreten zu Boden.
Tyler sitzt alleine, er wollte es so.
Früher hatte ich Angst vor Gewitter.
Also hat meine Mutter "Somewhere over the rainbow" gesummt, weil das mein Lieblingslied war und immer noch ist, und ich bin eingeschlafen.
Genau dieses Lied summe ich jetzt auch.
May stimmt mit ein, Farian auch.
Ganz leise, und obwohl keiner von uns ein wirklich begabter Sänger
ist, klingt es schön.
Auch die anderen summen schließlich mit, sogar Tyler.
Es ist ein besonderer Moment.
Am Himmel sind sogar einige Sterne zu sehen.
Als schließlich sogar eine Sternschnuppe durch den Himmel fliegt, wünsche ich mir zum ersten mal nicht, hübscher oder sportlicher zu sein.
Ich flehe, dass wir alle lebend wieder nach hause kommen.

Sooo Kapitel 20 :)
Was haltet ihr von Erics Tod?
Und von der Eiswüste der tausend Schatten?
Werden Lia und ihre Freunde es schaffen, Fazira umzustimmen?
Bitte nicht vergessen, Rückmeldung in die Kommentare zu schreiben und aufs kleine Sternchen zu drücken ;)
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend :)

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