Kapitel 18

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Zur selben Zeit an einem anderen Ort

„Meister. Ich habe Neuigkeiten."
„Ich hoffe für dich, dass es gute sind, Lucy."
„Bedauerlicherweise nicht.
Nur ein Ritter hat es zurück hierhin geschafft, und hat berichtet, dass zwei Ringträger schon überzeugt werden konnten. Das heißt, jetzt werden sie es bei Fazira versuchen.
Außerdem berichtete unser Spion in Selia, dass sie jetzt über meine Verbindung mit Jane Bescheid wissen. Meine Schwester wird alles versuchen, um sie zu unterbrechen. Es tut mir leid, Meister."
„Es hätte nicht so weit kommen dürfen."
„Sie waren nicht aufzuhalten. Wir haben es versucht."
„Versucht mehr!"
„Verstanden."
„Ich werde in der Zeit versuchen, Meandra vollkommen für mich zu gewinnen, im Moment sieht es ganz danach aus, als könnte das ein Erfolg werden."
„Ich werde weitere Truppen schicken, Meister."
„Tu das. So schwer wird es ja wohl nicht sein, ein kleines Mädchen umzubringen. Sobald Amelia tot ist, haben wir gewonnen."
„Ja, Meister."

Forestia

„Das stimmt doch überhaupt nicht!"
„Natürlich! Es lag genau neben dir!"
Ich werde durch laute, streitende Stimmen geweckt.
Als ich meine Augen aufschlage, erblicke ich May und Shane, die sich wütend anfunkeln.
Alle anderen sind schon wach und laufen rum, nur Edmon ist nirgends zu sehen.
„Ich habe dein dämliches Taschenmesser nicht genommen, Shane!"
„Ich hatte es dir doch gestern neben deine Matte gelegt, falls etwas passiert!"
„Ja und? Ich habe es da nicht weggenommen!"
„Es ist also einfach verschwunden, oder was?"
„Weißt du was, das ist mir zu blöd. Lass deinen Ärger nicht an mir aus."
Und mit diesen Worten dreht May sich um und stellt sich zu Hailey.
Shane fährt sich genervt durch dir Haare.
Ist es soweit?
Zerrt diese Reise so sehr an unseren Nerven, dass wir uns gegenseitig für alles mögliche die Schuld geben?
Ich fürchte schon.
Seufzend stehe ich auf, greife mir einen Pulli und meine Jeans aus meiner Tasche und suche nach einem regensicheren Platz, um mich umzuziehen.
Der Regen hat sich in der Nacht anscheinend um einiges verschlimmert.
Ich sehe, wie Edmon hinter einem Busch hervorkriecht, der noch unter der Plane liegt, und mache mich auf den Weg dorthin.
Als wir aneinander vorbeilaufen, senkt sich sowohl sein als auch mein Blick.
Der Busch befindet sich in der Nähe von Megans Matte, weshalb ich das Gespräch mithören kann, das sie mit Felis führt.
„Wir haben nicht mehr wirklich viel Essen.", murmelt Felis.
„Fazira wird uns was geben müssen.", meint Megan.
Felis sagt nichts, weshalb ich vermute, dass er nickt.
„Wie lautet die Prophezeiung, um zu Fazira zu kommen?", fragt Megan.
„"Den Fluss entlang,
Auf der Hut vor den Ratten,
Durch die verborgene Tür,
In die Eiswüste der tausend Schatten."", rezitiert Felis.
„Tyler hat erzählt, er habe Fußspuren hinter einem Stein entdeckt. Könnten die von diesen Ratten kommen?", fragt Megan.
„Ich schätze schon. Wer weiß, wie sehr oder wenig dieses Tier einer Ratte überhaupt ähnelt."
„Ja. Wenn wir Glück haben, finden wir das nie heraus."
„Davon würde ich nicht ausgehen.", zweifelt Felis.
„Es gibt immer noch Hoffnung."
„Du musst aufhören, die Dinge so optimistisch zu betrachten. Alles, was uns bis jetzt wirklich am Leben gehalten hat, ist Glück."
„Hör auf, Felis."
„Ist es nicht so?"
„Natürlich nicht! Du-"
Den Rest höre ich mir nicht mehr an.
Entweder es liegt am Wetter, oder am Zeitpunkt, dass sich heute irgendwie alle streiten.
Außerdem sind komischerweise sowohl Shanes Taschenmesser als auch Erics Schal und Haileys Handspiegel verschwunden.
Als wir aufbrechen, ist es sieben Uhr, und der Regen ist noch stärker geworden.
Wir laufen eine Stunde, dann fängt der Weg an, steiler zu werden.
Die Aussicht ist unbezahlbar.
Wir wandern durch die Berge, immer dem Fluss folgend, der sich unten im Tal seinen Weg durchschlängelt.
Der Regen ist erfrischend, und tut meinem dröhnenden Kopf gut.
Welcher Tag ist heute überhaupt?
Ich glaube, Montag.
Das würde heißen, dass wir vor einer Woche losgelaufen sind.
Dem Muskelkater in meinen Beinen nach könnte das gut sein.
Um uns herum wird es immer tropischer.
Es ist schwül, und mittlerweile hat der Regen aufgehört.
Ab und zu raschelt es in den Büschen neben uns, oder ein Vogel krächzt aus dem Nichts.
Wir kommen an eine Gabelung.
Der eine Weg führt direkt an einer Felskante entlang, und ein Blick nach unten bestätigt mir, dass wir uns sehr weit oberhalb des Flusses befinden.
Der andere führt weiter durchs Grüne.
Tyler wird blass.
„Was ist denn mit dir los?", frage ich ihn amüsiert.
„Nichts.", lügt er.
„Sag schon!"
„Er hat Höhenangst. Hatte er schon immer.", antwortet Eric grinsend.
„Du-"
„Ist doch nicht schlimm.", unterbreche ich Tyler, der seinen Bruder genervt anblickt.
„Wir beide nehmen einfach den anderen Weg.", schlage ich vor.
„Auf gar keinen Fall. Ihr wisst doch gar nicht, wohin der Weg führt!", schaltet Etalon sich ein.
„Dann-"
„Ist schon okay, Lia. Ich laufe einfach langsam.", unterbricht Tyler mich.
Ich zucke mit den Schultern und reihe mich hinter Shane ein.
Selbst mir wird ein wenig schlecht, als ich, den Blick stur auf den Boden gerichtet, die Felskante entlang balanciere.
Beim Turnen habe ich den Schwebebalken auch immer gehasst, obwohl ich keine Höhenangst habe.
Edmon läuft hinter mir, und als er einmal stolpert und dabei unabsichtlich meinen Arm mit seiner Hand streift, breitet sich auf meinem ganzen Körper eine Gänsehaut aus.
Seit wann reagiere ich so auf eine einfache Berührung?
Der Weg ist ziemlich lang, und Tyler wird bei jedem Schritt ein bisschen blasser.
Ich lasse vorsichtig Edmon vorbei, um langsam neben Tyler herlaufen zu können.
Und dann, ganz plötzlich, verschwinden die anderen vor unseren Augen.
Sie lösen sich einfach in Luft auf.
„Tyler?!", schreie ich und bleibe panisch stehen.
„Was zur Hölle ist gerade passiert?!", ruft Tyler erschrocken.
Wir sind nur noch zu zweit.
„Leute? Wo seid ihr?!", schreie ich.
Keine Antwort.
Ich greife nach Tylers Hand.
„Was machen wir jetzt?", frage ich.
„Ganz ruhig bleiben. Wir versuchen jetzt erst einmal, von diesem verfluchten Weg runterzukommen, sonst fallen wir hier noch runter."
Ich nicke zustimmend und laufe, Tylers Hand umklammernd, weiter.
Wenn auch noch er verschwindet, breche ich zusammen.
Nach zehn Minuten führt der Weg endlich von der Kante weg, und ich versuche, meine Atmung zu beruhigen.
„Was-"
Tyler bringt mich mit einem Finger auf seinen Lippen zum schweigen.
Ich blicke verwirrt um mich, und dann höre ich es auch.
Leise Stimmen, die Sprache verstehe ich nicht.
Tyler schleicht leise voran, ich hinterher.
Wir folgen den Stimmen und schlagen uns durch Büsche.
Es ist eine Art Gesang.
Als Tyler stehen bleibt, laufe ich fast in ihn rein.
Die Stimmen sind gut zu hören, und als ich mich auf die Zehenspitzen stelle, kann ich auch etwas erkennen.
Vor uns befinden sich einige Menschen, die um irgendetwas herumtanzen.
Andere sitzen auf dem Boden und schauen zu, andere stehen im Kreis und singen.
Das Lied ist schnell und wird ständig wiederholt, doch die Sprache ist mir unbekannt.
Sowohl die Männer als auch die Frauen und Kinder haben ihre Körper in große, dunkelgrüne Tücher gewickelt.
Die Nationalitäten scheinen gemischt zu sein.
Für einen kurzen Augenblick kann man erkennen, worum die Gestalten tanzen, und das verschlägt mir die Sprache.
In der Mitte liegen sowohl Shanes Taschenmesser, als auch Erics Schal und Haileys Handspiegel.
Tyler dreht sich geschockt zu mir um.
Sein Mund formt: "Und jetzt?"
Ich zucke ratlos mit den Schultern.
Was soll ich auch sagen?
Die anderen sind aus irgendeinem Grund verschwunden, und unsere Sachen wurden von einem seltsamen einsamen Volk gestohlen und für eine Art Ritual verwendet, schätze ich.
Was sollen wir machen?
„Sollen wir einfach hingehen?", flüstert Tyler.
„Und dann? Kannst du etwa verstehen, was sie sagen? Wie willst du dich mit ihnen unterhalten? Und was, wenn sie zaubern können?"
„Was schlägst du denn vor? Hier stehen bleiben und warten, dass die anderen wieder auftauchen?"
Ich schlucke.
Wo er Recht hat hat er Recht.
„Okay. Also einfach in die Mitte laufen?"
Tyler antwortet mir nicht, sondern läuft einfach los.
Ich folge ihm nervös, und bald schon verstummt der Gesang und alle Blicke sind auf uns gerichtet.
Typer räuspert sich.
„Hallo.", murmelt er.
Die Leute schauen uns verständnislos an.
Tyler blickt hilfesuchend zu mir, doch ich zucke nur ratlos mit den Schultern.
„Wir"-er zeigt auf uns beide-„sind keine Feinde.."
Er bildet mit seinen Händen ein Kreuz und tut dann so, als würde er kämpfen.
Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht loszulachen.
Wir ernten nur verständnislose Blicke.
Leises Murmeln breitet sich aus, und wir werden prüfend von oben nach unten gemustert.
„Unsere Freunde"-Tyler deutet wieder auf uns beide und deutet dann neben sich-„sind verschwunden."
Er tut so, als würde er sie suchen, indem er wie ein Matrose seine Hand an seine Stirn hält.
Ich muss kichern, weil Tyler trotz seiner Anstrengungen ziemlich lächerlich aussieht.
Irgendjemand läuft um uns rum.
Ein Mann fängt an, auf uns einzureden, doch wir verstehen natürlich nichts.
„Lia, Tyler!"
Bei der Stimme drehe ich mich ruckartig um.
Tatsächlich steht Felis vor uns, mit sorgenvollem Blick.
Ich schaue zu den Fremden.
Sie schauen geschockt zurück.
Anscheinend ist Felis genauso plötzlich aufgetaucht, wie er vorhin mit den anderen verschwunden ist.
In dem Moment schreien sie los und laufen auf uns zu.

Sooo das war Kapitel 18 :)
Was glaubt ihr?
Fängt die Reise an, Freundschaften zu zerstören?
Was passiert jetzt wohl?
Wie entwickeln sich die Dinge zwischen Edmon und Lia?
Was sind das für Leute, die Tyler und Lia gefunden haben, und wo sind die anderen hin?
Voten und Rückmeldung bitte nicht vergessen!
Ich wünsche euch noch einen schönen Nachmittag :)

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