Den Sonntag verbringe ich mit schlafen, lesen und lernen.
Gestern war wirklich der schlimmste Geburtstag den ich je hatte, und ich kann noch nicht einmal jemandem die Schuld dafür geben.
Meinen Eltern scheint meine Augenfarbenumwandlung nicht aufgefallen zu sein, und ich glaube nicht, dass es überhaupt jemanden auffallen wird. Hazel vielleicht, aber dass wäre nicht so schlimm, ich habe eh vor, ihr von meinem komischen Geburtstag zu berichten.
Gestern Abend war meine Übelkeit ganz auf einmal verschwunden und ich konnte in aller Ruhe meine Geschenke aufmachen.
Ich habe einige Bücher bekommen, von denen ich heute schon eins durchgelesen habe, einen dicken Schal, blitzende schwarze Ohrringe und ein Heft mit Klaviernoten.
Mittlerweile haben wir neunzehn Uhr, und ich entscheide mich, duschen zu gehen. Ich lege meine Mathesachen auf meinen Nachttisch, hieve mich aus meinem Bett und schlendere ins Badezimmer.
Vorsichtig drehe ich das Wasser auf, bereit, schnell aus der Dusche zu springen, sollte es wieder eiskalt oder brennend heiß sein.
Doch alles bleibt normal.
Erleichtert steige ich in die Kabine und genieße den entspannenden Strahl auf meinem Rücken, der meine verspannten Muskeln etwas lockert.
Nach einer gefühlten Ewigkeit drehe ich das Wasser ab und greife nach meinem blauen Handtuch, um meine Haare auszuwringen und mich abzutrocknen.
Ich steige aus der Kabine und ziehe mir schnell weite Klamotten an.
Eigentlich föhne ich mir nur selten die Haare, aber wir haben schon Herbst, und ich habe keine Lust, mir eine Erkältung zu holen.
Doch sobald ich den Hebel umschalte, lasse ich den Föhn erschrocken fallen und halte meine schmerzende Hand unter kaltes Wasser.
Das kann doch nicht sein.
Sobald ich den Föhn angeschaltet habe, ist der Griff brennend heiß geworden.
Kurz überlege ich, runterzurennen und meiner Mutter alles zu erzählen, doch ich halte mich zurück.
Ich will sie nicht stressen, jetzt, wo bei ihrer Arbeit endlich alles glatt läuft.
Meine Mutter arbeitet als Sekretärin und hatte in letzter Zeit einige Probleme mit ihrem Chef.
Außerdem ist unser Föhn wahrscheinlich eh nur kaputt, und das alles hat nichts mit mir zu tun.
Ja, so muss es sein.
Immernoch etwas schneller atmend drehe ich das Wasser wieder ab und fahre mir mit meiner zitternden Hand durch die nassen Haare.
Ich schließe meine Augen, versuche diesen winzigen Blautupfer in meinem linken zu vergessen.
Doch ich schaffe es nicht.
Und dann ziehe ich mich um und lege mich in mein Bett, damit ich das einzige machen kann, dass vielleicht einige Gedanken still stellt.
Schlafen.Der Montag fängt ganz normal an.
Als ich mir die Hände wasche, ist das Wasser weder brennend heiß noch eiskalt, und mit meiner Gesundheit scheint auch alles in Ordnung zu sein.
Sobald ich mich in der Schule befinde, stürme ich auf Hazel zu und ziehe sie in eine verlassene Ecke des Schulhofes.
„Immer mit der Ruhe, Lia.", lacht sie.
„Was ist denn los?"
Ich atme tief durch und erzähle ihr alles von vorne bis hinten. Von der Übelkeit, vom Wasser, von meinen Augen und dem Föhn.
Als ich fertig bin, sind Hazels Augen weit aufgerissen.
„Ich weiß nicht was mit mir los ist.", murmele ich.
Hazel schluckt.
„Warst du beimArzt?"
Ich nicke. „Er hat nichts gefunden."
Sie runzelt ihre Stirn.
„Ich würde einfach abwarten.
Zugegeben, das mit deinen Augen ist echt komisch, aber es fällt wirklich nicht auf. Das mit dem Wasser liegt wahrscheinlich an eurer Dusche, und auch der Föhn wird wohl einfach kaputt sein."
Ich atme tief durch.
„Du hast wahrscheinlich recht, ich habe mir viel zu viele Sorgen gemacht.", meine ich und zwinge mir ein Lächeln auf.
Hazel nickt und nimmt lächelnd meine Hand, um mit mir reinzugehen, weil es gerade geklingelt hat.
„Können wir noch schnell an meinem Spind vorbei?", frage ich sie, als wir in das alte Gebäude eintreten.
Hazel nickt.
„Aber beeil dich."
Ich laufe schnellen Schrittes darauf zu und hole meine benötigten Bücher raus, um sie daraufhin in meine schwarze Umhängetasche zu stopfen.
Gerade als ich mich zu Hazel umdrehen will, trifft mich die bekannte Übelkeit.
„Das kann doch nicht wahr sein.", murmele ich.
„Bist du fertig? Wir müssen wirklich los!", ruft Hazel.
„Ich...Weißt du was, geh du schon mal vor, ich geh noch kurz aufs Klo.
Ich verstehe eh, was wir gerade in Mathe machen, da kann ich ruhig zu spät kommen."
Mit einem gefälschten Lächeln drehe ich mich zu meiner besten Freundin um.
Ich kann ihr einfach nicht die Wahrheit sagen.
Sie würde es mir sowieso nicht glauben und wieder meinen, ich würde mir viel zu viele Sorgen machen.
„Bist du sicher? Ich kann auch schnell warten.", schlägt Hazel stirnrunzelnd vor.
Ich schüttle den Kopf.
„Du bist total blass, Lia.", meint sie besorgt.
Ich seufze und sage ihr die Wahrheit.
„Was?! Dann beeil dich, nicht dass du hier noch dein Blut auf den Boden spuckst!"
„Keine Sorge. Es ist nicht so schlimm wie die letzten Male."
Hazel runzelt die Stirn.
„Trotzdem.", meint sie. „Beeil dich."
Ich nicke und hechte in die Richtung der Toiletten.
Aber sobald ich mich über die Kloschüssel beuge, ist die Übelkeit verschwunden.
„Lass es raus, Lia. Wirklich, es bringt nichts, sich zurückzuhalten.", meint Hazel und greift nach meinen Haaren, um sie mir aus dem Gesicht zu halten.
„Es ist irgendwie...Weg.", gestehe ich.
„Was ist weg?", fragt Hazel verständnislos.
„Na, die Übelkeit."
„Was meinst du mit weg?"
„Sie ist nicht mehr da, Hazel. Verschwunden. Was weiß ich, wieso."
Hazel runzelt die Stirn.
„Willst du mich gerade verarschen oder ist das ernst gemeint?"
Ich stöhne.
„Sie ist weg. Wirklich"
„Das ist schräg. Verdammt schräg, Lia."
Ich nicke.
„Wie alles, was seit meinem Geburtstag passiert ist."
Hazels Blick wird unsicher.
„Also...Glaubst du wirklich, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist?", fragt sie zaghaft.
„Ja. Das tue ich."

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Augenfarbe
Fantasi„Also...Glaubst du wirklich, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist?", fragt sie zaghaft. „Ja. Das tue ich." Manchmal gibt es Momente, in denen sich ganze Leben auf den Kopf stellen. Genau so einen Moment erfährt Lia am eigenen Leib, als ihr sechze...