Kapitel 19

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Blitzschnell laufe ich los, hinter Felis und Tyler her.
„Folgt mir!", ruft Felis uns zu.
Er läuft wieder auf die Felskante zu, und schlägt dann denselben Weg ein, den wir vorhin hergekommen sind.
Genau an der Stelle, an der die anderen verschwunden sind, bleibt er stehen.
Ein Blick nach hinten bestätigt meine Vermutung, dass wir verfolgt werden.
„Wieso stehen wir hier so rum? Wir müssen weg!", schreie ich.
Doch Felis hält meinen Arm fest, als ich weglaufen will.
Im nächsten Moment spüre ich, wie meine Füße den Boden verlassen.
Eine Sekunde später schaue ich in Farians Gesicht.
Mir ist schwindelig, doch dann wird meine Sicht immer klarer, und ich sehe auch die anderen.
„Alles klar bei euch?", fragt Etalon.
„Was zur Hölle ist gerade passiert?", frage ich.
Eric stützt Tyler, dem es wohl noch nicht wirklich wieder gut geht..
Etalon zeigt auf eine Zeichnung im Boden.
Es ist eine eckige Welle, ich vermute, Riveras Zeichen.
„Die Grenze nach Rivera. Anscheinend hat auch Fazira einen Zauber verwendet.
Sie hat schon immer gerne mit Illusionen und Orten gezaubert, weil nie jemand besser darin war als sie.
Vorhin hat sie wohl einen Abschnitt des Weges verzaubert.
Wenn man genau hinschaut, kann man erkennen, dass manche Stellen hier leicht schimmern.
Das sind sozusagen Wellen, die immer nach einer bestimmten Zeit von einem Punkt ausgesendet werden.
Diese Wellen zaubern dich an einen anderen Ort, und genau das ist uns vorhin passiert.
Tyler und Lia, ihr wart hinten, deshalb hat die Welle euch nicht mehr erfasst.", erklärt Etalon.
„Und wie konnte Felis uns dann holen kommen?", fragt Tyler.
„Diese Wellen funktionieren wie ein Netz. Sie sind alle miteinander verbunden. Stellt man sich genau an den Ort, an dem man aufgetaucht ist, und auf eine Welle wartet, kommt man automatisch zurück zum Punkt, an dem man vorher war."
„Hättest du uns nicht vorwarnen können?", frage ich.
„Ich habe das alles auch gerade erst herausgefunden."
Ich nicke.
Etalon wird wohl immer der schlauste von uns bleiben.
„Was war das denn jetzt für ein Volk?", fragt Tyler.
„Ihr habt tatsächlich Leute gesehen?"
„Ja! Sie hatten unsere verloren geglaubten Sachen.", erzähle ich.
„Von dem verfluchten Volk habe ich schon mal gehört. Fazira soll sie alle verzaubert haben, sodass die Wellen bei ihnen nicht funktionieren, und sie deshalb nicht nach Rivera können.
Sie hat sie verbannt, aus irgendeinem Grund, und für immer in Forestia eingesperrt. Sie können keine Grenze überschreiten."
Ich schlucke.
Wieso hat sie das getan?
„Auf jeden Fall sind wir jetzt in Rivera. Es könnte gut sein, das so etwas in der Art noch einmal vorkommt, also passt alle auf.", mahnt Etalon.
Alle nicken.
Erst jetzt schaue ich mich um.
Wir befinden uns in einem Tal, neben uns plätschert der Fluss.
Links befindet sich der Berg, auf dem wir gerade eben noch waren.
Auch von hier aus ist zu sehen, wie steil der Abhang ist.
Wir laufen den Fluss entlang, bis zum Abend.
Als es dunkel wird, breiten wir neben dem Fluss unsere Matten aus.
Ich bin unfassbar müde, weshalb ich nicht mehr zuhöre, als Etalon die Wachschichten einteilt.
Irgendwer wird mich schon wecken.
Tatsächlich nehme ich nach vier Stunden eine Stimme wahr, die leise meinen Namen ruft.
Als ich jedoch meine Augen öffne, wünsche ich mir, ich hätte sie zu gelassen.
Wieso muss ich meine Schicht ausgerechnet mit Edmon halten?
Seufzend stehe ich auf und setze mich neben ihn ans Lagerfeuer.
Es ist nicht wirklich kalt hier, aber auch nicht warm.
Die ersten fünf Minuten schweigen wir beide.
Als Edmon irgendwann laut Luft holt, weiß ich, dass er gleich etwas sagen wird.
„Wir werden darüber reden müssen.", flüstert er.
„Worüber?"
Es ist lächerlich von mir, so zu tun, als wüsste ich nicht, was er meint.
Er verdreht seine Augen.
„Tu nicht so.", murmelt er.
Ich schlucke.
„Also?", frage ich.
Er schweigt.
„Du hast mich geküsst.", stelle ich klar.
„Und du danach mich."
„Du hast erwidert."
„Du auch."
„Aber-"
„Lia.", unterbricht er mich.„Das bringt doch so nichts. Was ist überhaupt unser Problem?"
Ich runzele die Stirn.
Gute Frage.
„Keine Ahnung. Gibt es eins?"
„Anscheinend ja schon."
„Du hast angefangen."
„Und du benimmst dich absolut kindisch."
Ich kaue auf meiner Lippe rum.
Tue ich das?
Ja.
Keine Frage.
„Was soll ich denn sagen, Edmon?
Das es mir gefallen hat?
Ja, hat es. Zufrieden?"
„Dann wäre das ja geklärt."
„Wovon redest du?"
„Mir hat es auch gefallen."
Mein Herz schlägt schneller, als er die Worte ausspricht, und ein kleines Lächeln kann ich nicht verhindern.
„Lassen wir das Diskutieren, Feuermädchen.", murmelt er.
Ich grinse, als ich den Spitznamen höre.
„Ich weiß nicht, Grünauge. Was sollen wir sonst machen?", necke ich ihn.
In dem Moment lehnt er sich nach vorne und legt für eine Sekunde seine Lippen auf meine.
Wir werden durch ein immer lauter werdendes Kratzen unterbrochen.
Im nächsten Moment heult irgendein Tier auf.
„Scheiße.", murmelt Edmon.
„Aufwachen!", brüllt er.
Alle schrecken aus ihrem Schlaf hoch.
„Wir müssen hier weg!"
In dem Moment rast etwas durch einen Busch und bleibt vor uns stehen.
Ich traue meinen Augen nicht.
Diese "Ratte" hat nicht viel von einer Ratte, außer der Hässlichkeit.
Es ist ein riesiges Tier mit vier Beinen, ohne Fell, viel zu langen Krallen und roten Augen.
In dieser Sekunde rennen wir alle los.
Eine Reihe bildet sich, Felis, der Schnellste, voran, Etalon, der die Ratten, die uns verfolgen, versucht abzuhalten, zuletzt.
Ich renne irgendwo in der Mitte zwischen Edmon und Megan.
Siedend heiß fällt mir ein, das wir alles liegen lassen haben..
Jetzt ist es zu spät.
Wir werden Fazira umstimmen müssen, sonst bekommen wir auch nichts zu Essen oder zu Trinken.
Ich weiß nicht, wie lange wir rennen, aber mein Atem wird schwerer und ein Blick nach hinten zeigt mir, dass Megan, May und Etalon nicht wirklich hinterher kommen.
Die Ratten verfolgen uns noch immer.
Irgendwann ertönt ein Schrei, den ich sofort May zuordnen kann, und ich bleibe ruckartig stehen, um mich zu ihr umzudrehen.
Sie ist gestolpert und die Zeit, die sie gebraucht hat, um wieder aufzustehen, hat den Ratten gereicht, um uns einzuholen.
Etalon ist vollkommen außer Atem, er wird sie jetzt nicht abhalten können.
Dabei wäre er wohl derjenige, der uns mit seiner unglaublichen Macht hätte weiterhelfen können.
Dann werde ich es wohl sein müssen.
Wofür habe ich schon zwei Augenfarben?
Ich denke an Selia, als ich die Kutsche aufgehalten habe.
Ich versuche, mir das Gefühl in Erinnerungen zu rufen.
Ich schließe meine Augen, deute mit meinen Händen auf die Tiere und stelle mir ein riesiges Feuer vor.
Als ich meine Augen öffne, wird mir dasselbe Schauspiel geboten wie damals.
Wasser und Feuer, sich gegenseitig bekämpfend.
Das Feuer viel größer, doch das Wasser viel stärker.
Das Ziel ist erreicht, die Ratten fliehen, doch schon gibt es ein neues Problem.
Ich senke meine Arme, doch die Kräfte bleiben.
Ich versuche es noch einmal, doch alles bleibt beim selben.
Ich habe tatsächlich die Macht über meine eigenen Kräfte verloren, weil sie sozusagen lebendig geworden sind.
Edmon hatte mich damals gewarnt, jetzt ist es soweit.
Was soll ich jetzt machen?
Ein Blick nach hinten zeigt mir die geschockten Gesichter der anderen.
Keiner scheint zu wissen, was zutun ist.
Eigentlich kann nur ich meine eigenen Kräfte zurückrufen.
Sollen wir rennen, und alles so lassen, wie es ist?
Zulassen, dass mein Feuer und Wasser mit der Zeit die ganze Landschaft zerstören?
Sprich mit ihnen.
Ich erstarre.
Die Stimme in meinem Kopf habe ich zuletzt bei Arton gehört.
Knie dich hin.
Ich gehorche.
Die anderen müssen mich wohl anschauen, als hätte ich sie nicht mehr alle, doch keiner sagt etwas.
„Hört auf!", befehle ich mit lauter Stimme.
Ich fühle mich absolut lächerlich, als nichts passiert.
„Aufhören!", brülle ich.
Es bringt nichts.
Unterwirf dich.
Meine Augen weiten sich.
Schließlich senke ich wirklich meinen Blick, lege meine Hände auf den Boden und halte still.
„Bitte.", flehe ich leise.
Dann verstummt das Knistern des Feuers und das Rauschen des Wassers.
Als ich langsam meinen Blick hebe, sind meine Kräfte verschwunden.
Ich erhebe mich, drehe mich um und blicke in die geschockten Gesichter der anderen.
Ich gehe einen Schritt auf sie zu, und spüre, wie ich auf etwas spitzes trete.
Gerade, als ich etwas sagen will, verlassen meine Füße den Boden, und ich spüre, wie ich von einem Sog davongetragen werde.

Voilà, Kapitel 19 :)
Was haltet ihr von Edmon und Lia?
Und von der Stimme in ihrem Kopf?
Ist es schlau, ihr so zu vertrauen, wie Lia es tut?
Was passiert jetzt wohl?
Voten und Kommentieren bitte nicht vergessen :)
Übrigens mache ich auch Musik, wenn ihr Lust habt könnt ihr ja mal bei dem Instagram account more_n_less vorbeischauen, da lade ich mit zwei Freundinnen Covers hoch :)
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend!

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