„Atrius!", rufe ich durch den Flur.
Er dreht sich erstaunt um.
„So spät noch auf? Du musst doch morgen wegen des Trainings früh aufstehen, nicht?", fragt er.
Ich habe zwei Stunden mit Hazel telefoniert, und mittlerweile ist es schon elf Uhr.
„Ja, ich bin nicht müde. Können wir reden?",
Atrius nickt.
„Natürlich, ich muss dir auch noch ein paar Fragen stellen. Folge mir."
Wir laufen zu seinem Zimmer, welches zwei Etagen höher liegt als meines.
Sobald er die Tür aufstößt, stockt mir der Atem.
Sein Zimmer ist noch größer und schöner als meins.
„Setz dich.", fordert er mich auf, und ich fühle mich zurückversetzt an die zwei ersten Male, die ich in seinem Wohnzimmer auf der Couch saß.
„Wie geht es deinem Arm?", fragt Atrius.
„Besser.", antworte ich und setze
mich auf das Sofa, während
Atrius sich an den Schreibtisch anlehnt und seine Arme vor der Brust verschränkt.
Er muss nicht wissen, dass die Wunde direkt fast verheilt ist.
Hier ist schon genug los.
„Was willst du mir erzählen?", kommt er direkt zum Punkt.
„Ich habe vergessen, dir etwas zu sagen, und ich glaube, dass es wichtig ist."
Atrius zieht eine Augenbraue hoch, sagt aber nichts.
Ich erzähle ihm alles, was in der Schule passiert ist, und bei der Erwähnung der Stimme in meinem Kopf wird er bleich.
Sobald ich fertig bin, seufzt er.
„Lia, du hättest mir das schon viel früher sagen sollen!"
Ich schlucke.
„Ja, ich weiß. Es tut mir leid."
„Weißt du, was es bedeutet?", fragt Atrius.
Ich schüttele meinen Kopf.
„Du?"
„Ich habe eine Vermutung.", meint er.
Ich schaue ihn fragend an.
„Ich glaube, dass es zwischen dir und jemand anderem eine gewisse Verbindung gibt, die der anderen Person anscheinend erlaubt, mit dir zu sprechen.
Beeinflusst die Stimme deine Entscheidungen?", fragt Atrius mich.
„Keine Ahnung...Nein, ich glaube nicht. Sie fordert mich auf, gewisse Dinge zu tun, und immer wenn ich es tue, geschieht etwas Übernatürliches."
Atrius runzelt seine Stirn.
„Du musst mir noch erklären, was mit dir los war, als Kiara und Lyel aus Rivera angereist sind. Woher du wusstest, dass die Kutsche gestoppt werden musste.
Nicht einmal Etalon hat das Tritogen bemerkt."
„Es war wieder die Stimme, doch erst als mein Arm angefangen hat zu bluten, wurde ich panisch und war dadurch in der Lage, meine Magie aufzurufen."
„Lia...Das ist nicht gut. Stell dir vor, du wärst praktisch an diese Person gebunden. Vielleicht hat sie sich selbst körperlich verletzt, um somit auch dir wehzutun.
Ob die Verbindung auch andersherum funktioniert, weiß ich jedoch nicht.
Und das hat alles an deinem sechzehnten Geburtstag angefangen?"
Ich nicke.
„Wir können jetzt nichts daran ändern, du solltest schlafen gehen.", schlägt Atrius vor.
Vermutlich muss er jetzt eine Weile alleine überlegen.
„Gute Nacht.", sage ich, während ich die Tür aufmache.
„Gute Nacht, Lia."
Als ich die zwei Etagen wieder runtergelaufen bin, muss ich kurz überlegen, in welche Richtung ich jetzt laufen muss.
Plötzlich ertönen zwei Stimmen von links.
Schnell verstecke ich mich hinter einer Säule und lausche.
„Hör auf, Shane.", bittet die erste Stimme.
Das ist eindeutig May.
„Das meinst du doch nicht ernst.", hofft Shane.
„Ich habe es dir schon mal gesagt. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, wenn du so wichtige Geheimnisse vor mir hast."
„Bitte May, ich-"
„Nein! Das reicht. Lass mich in Ruhe."
Kurz halte ich meine Luft an, als die beiden an mir vorbeilaufen, doch zum Glück bemerken sie mich nicht.
„Es tut mir wirklich leid, aber ich kann es dir einfach nicht sagen!
Er bringt mich um, wenn ich-"
„Wer denn?!"
„Ich habe schon viel zu viel gesagt.", meint Shane verzweifelt.
„Ich versuche dir doch nur zu helfen! Rede mit mir!", fleht May, und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie sie ihre Hände an seine Brust legt und ihr eine Träne aus dem Augenwinkel fließt.
Shane nimmt ihre Hände in seine und lehnt seine Stirn an ihre.
„Du kennst mich, May. Besser als jeder andere. Vertrau mir."
Jetzt fängt May wirklich an zu weinen, weshalb Shane sie in den Arm nimmt.
Auch er scheint wirklich niedergeschlagen zu sein.
Sanft fährt er mit seiner Hand durch ihre langen seidigen Haare und flüstert ihr beruhigende Worte zu, die ich von meinem Platz aus
aber nicht verstehen kann.
Die Gedanken rasen in meinem Kopf umher, ich kriege sie nicht geordnet.
Wovon zur Hölle spricht Shane?
Wer bedroht ihn?
Vermutlich versucht er May zu schützen, vielleicht wurde ihm verboten, sie einzuweihen.
Mir ist klar, dass ich versuchen werde zu helfen, und ich habe auch schon eine Idee, wo ich damit anfangen kann.
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Augenfarbe
Fantasy„Also...Glaubst du wirklich, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist?", fragt sie zaghaft. „Ja. Das tue ich." Manchmal gibt es Momente, in denen sich ganze Leben auf den Kopf stellen. Genau so einen Moment erfährt Lia am eigenen Leib, als ihr sechze...