Kapitel 15

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„Wir müssen hier irgendwie rein!", dränge ich.
Wir drücken, wir ziehen, wir suchen, doch die Tür lässt sich nicht öffnen.
Der Reiter kommt immer näher, weshalb wir auf die andere Seite des Schlosses rennen.
Überall sind Spiegel, was langsam etwas verstörend wird.
Ich habe keine Lust mehr, überall mein übermüdetes Gesicht zu sehen.
Maddisons dunkelblonde Haare fallen ihr in einem unordentlichen Zopf über die Schultern, und vorne hängt die Hälfte raus.
Auch unter ihren blauen Augen liegen tiefe Schatten.
Wir tasten fast schon panisch das Schloss ab, weil wir jetzt deutlich die Pferdehufe hören können.
„Da!", ruft Maddison erleichtert und zeigt auf einen winzigen Spiegel, der anders als alle anderen gedreht ist.
Sie drückt und klopft darauf herum, doch nichts tut sich.
Der Reiter kommt um die Ecke und fängt an, mich mit Wasserschlangen zu bewerfen.
Ich kann nur einige abhalten, weil meine Wasserkraft nicht so ausgebildet ist, weshalb Maddison die Verteidigung übernimmt.
Währenddessen versuche ich mich am Spiegel.
Drehe ihn.
Ich halte erschrocken inne, als ich die Stimme in meinem Kopf wahrnehme..
Seit meiner Rettungsaktion der Kutsche habe ich sie nicht mehr gehört.
Maddison schreit vor Schmerzen auf, was mich wieder wachrüttelt.
Wie eine Wahnsinnige drehe ich am Spiegel, und irgendwann ertönt ein Klicken.
Eine Tür öffnet sich, und ich helfe Maddison, den Ritter auf Abstand zu halten, damit wir reinkönnen und er draußenbleibt.
Sobald wir beide drinnen sind, schließen wir gleichzeitig mit unserer letzten Kraft die Tür und halten solange dagegen, bis ich den Spiegel auf dieser Seite in die entgegengesetzte Richtung gedreht habe.
Der Reiter dürfte nicht gesehen haben, auf welche Weise ich die Tür geöffnet habe, weshalb wir eigentlich in Sicherheit sein sollten.
Ich blicke besorgt zu Maddison, doch ihr scheint es, den Umständen entsprechend, gut zu gehen.
„Alles klar? Was konnte er dir tun?"
„Bei der Wasserkraft gibt es eine einzige Attacke, mit der man einen anderen Wassermagier verletzten kann.
Die Wasserschlangen können ziemlich gefährlich werden, dass ist der Nachteil an blauen Augen.
Bei den anderen Farben gibt es nichts, was von der gleichen Magie verletzt werden kann.", erklärt sie mir und stützt sich auf ihren Oberschenkeln ab.
Sie ist verständlicherweise völlig außer Puste.
Ein leises Hämmern ist von draußen zu hören, ich schätze, der Reiter.
Im Schloss ist nichts zu hören, außer das leise Geräusch unserer Schuhsolen auf dem Glas.
Auch der Boden ist mit Spiegeln versehen, genauso wie die Decke.
„Irgendwie unheimlich, oder?", fragt Maddison flüsternd.
Ich nicke zustimmend.
Ich habe vollkommen die Orientierung verloren, kein Wunder, bei den ganzen Abbildungen von mir selbst.
Ich bekomme langsam Kopfschmerzen.
Wir laufen bestimmt schon eine Viertelstunde planlos durchs Schloss, welches von innen um einiges größer scheint als von außen.
Auch der nächste Raum den wir betreten besteht nur aus Spiegeln.
Gerade als ich vorschlagen will, aus diesem Schloss zu verschwinden, taucht ein Mann mit lockerem Hemd und weiter Hose auf.
Er sieht auf seine eigene Art und Weise schick aus, und strahlt etwas
sympathisches aus.
Seine Haare sind schulterlang, leicht gelockt und hellbraun.
Seine Augen strahlen in einem hellen Grau und lassen das Lächeln, welches seine hellen Lippen umspielt, echt aussehen.
Seine Nase ist ziemlich schmal, wie seine Lippen, und auch seine hellbraunen Augenbrauen sind nicht wirklich buschig, eher gerade und dünn.
Das hellblaue Hemd, welches er trägt, passt gut zu seiner hellen, aber nicht blassen Hautfarbe.
Alles an ihm wirkt natürlich, die Art, wie er seine Hände in den breiten Taschen seiner weißen Hose versteckt, sein schiefes Lächeln, oder der Moment, in dem er eine Haarsträhne mit seiner linken Hand hinter seinem Ohr festklemmt.
Seine Gesichtszüge lassen ihn jünger wirken, als er wahrscheinlich ist, und auch der nichtvorhandene Bart spielt dabei eine Rolle.
„Ich weiß nicht so wirklich, was ich von euch halten soll.", gibt er zu.
„Bist du Arton?", fragt Maddison mit zitternder Stimme.
Arton hebt eine Augenbraue
„Meine eigene Tochter erkennt mich nicht mehr?", wundert er sich.
Maddison und ich wechseln einen kurzen Blick.
„Wenn sie ihren Vater mehr als zehn Jahre lang nicht mehr gesehen hat, nein."
Ich werfe Maddison einen unsicheren Blick zu.
Ist das die richtige Art und Weise?
Vorwürfe?
„Kein Wunder, wenn sie ihrem Vater weggenommen wird.", kontert Arton.
„Wäre nicht nötig gewesen, hätte er sie nicht ein Jahr später umbringen wollen."
Sie liefern sich ein Blickduell, welches mir einen kalten Schauer den Rücken runterlaufen lässt.
„Ich weiß, wieso ihr hier seid.", bricht Arton schließlich das Schweigen.
Ohne es zu wollen werfe ich einen Blick auf seine Hände.
Am Luftring steckt ein grauer Stein.
„Und? Was sagst du dazu?", fragt Maddison.
Arton verkneift sich ein Grinsen.
„Das hast du von deiner Mutter.", meint er.
„Was?"
„Deine direkte Art."
„Wenn du meinst. Also?"
„Ich muss euch enttäuschen.", seufzt er.
Maddison legt den Kopf in den Nacken und schließt ihre Augen.
Auch ich muss den Kopf wegdrehen, damit keiner die Träne sieht, die aus meinem Auge fließt.
Das war's.
Nie im Leben würden Maddison und ich hier lebend rauskommen.
Nicht nach diesem Höllenweg.
„Bitte.", fleht Maddison,„Wenn du nicht zustimmst, ist sie umsonst gestorben."
Artons Lächeln gefriert.
„Wer?"
Maddison laufen Tränen die Wangen runter.
„Deine Tochter. Meine Schwester."
Arton schnappt nach Luft.
„Amy ist tot?"
Maddison nickt.
„Sie ist in den Höhlen von Morton gestorben."
Arton versucht gar nicht die Träne wegzuwischen, die ihm aus dem rechten Auge läuft.
Als er seine Arme öffnet und Maddison sich an ihn klammert, fühle ich mich vollkommen Fehl am Platz.
Ich habe noch kein Wort gesagt, und ich glaube, so war es besser.
Sowohl Maddison als auch Arton weinen um Amy, und automatisch treten auch mir Tränen in die Augen.
Der Moment wird durch eine schneidende Frauenstimme zerstört, die wütend Artons Namen ruft.
Ich drehe mich um und erblicke eine große Frau mit langen, glatten, blonden Haaren und starkgeschminkten grauen Augen.
Mit ihrem riesigen weißen Kleid sieht sie aus wie eine Göttin, und langsam wundere ich mich nicht mehr, dass das ganze Schloss aus Spiegeln besteht.
Würde ich so aussehen wie sie, würde ich mich auch den ganzen Tag ansehen wollen.
„Nyra!", ruft Arton, und ich glaube, einen Hauch Unsicherheit herauszuhören.
„Was hat Maddison hier zu suchen? Wieso hast du sie noch nicht fortgeschickt?"
Die Worte verletzten Maddison, das kann ich an ihrem Blick erkennen.
„Amy ist tot.", überbringt Arton die Nachricht.
Nyras Blick wirkt genau drei Sekunden lang verloren, dann hat sie sich wieder gefangen.
„Es ist eure Schuld. Ihr hättet diese Reise nie anfangen sollen."
Ihr Blick wirkt noch kühler als vorher.
„Hör auf.", bittet Maddison leise.
„Was haben sie dir versprochen, Arton? Geld? Macht?", spottet Nyra
„Überhaupt nichts. Überraschenderweise.", antwortet Arton.
„Soll sie wirklich umsonst gestorben sein?", fragt Maddison und schaut ihre Mutter hasserfüllt an.
„Scheiße, das ist alles eure Schuld! Hättet ihr uns nicht suchen können? Was seid ihr bitte für Eltern?!", regt sie sich auf.
Nyra wirbelt einen Spiegel durch die Luft, ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, und weder Maddison noch ich können sie aufhalten.
Keine von uns hat graue Augen.
Es ist Arton, der den Spiegel wieder an Ort und Stelle zaubert.
„Nyra, ich weiß, du kennst mich nicht, aber du musst mir zuhören!", schalte ich mich ein.
„Lass mich raten, Meandras Tochter? Weißt du, dass ich deine Mutter gehasst habe?"
Ich schlucke.
Ein toller Anfang.
„Bitte. Ich habe Amy auch kaum gekannt. Genau wie ihr. Aber findest du nicht auch, dass jeder ein bisschen Respekt verdient hat? Vor allem deine eigene Tochter?
Es ist noch nicht zu spät, alles wieder gut zu machen."
Ich weiß, dass ich sie nicht überreden kann, aber vielleicht hat Maddison jetzt einige Ideen gesammelt.
„Meine Tochter geht dich überhaupt nichts an.", meint Nyra.
„Aber mich. Und dich. Und Arton. Also bitte, versuch nicht Arton unzustimmen.", schaltet Maddison sich ein.
Nyra versucht schon wieder, einen Spiegel auf uns zu werfen, aber auch dieses mal hält Arton ihn auf.
„Ganz ruhig. Wir können das hier auch anders klären.", meint er.
Nyra schnauft.
„Du wirst dich entscheiden müssen. Sie oder ich.", fordert sie.
„Wieso bist du überhaupt so sehr dagegen?!", fragt Maddison verständnislos.
Nyras durchdringender Blick flackert für eine Sekunde.
„Ich teile den Ring mit niemandem. So wie es gerade ist, ist es am besten.", zischt sie.
Arton legt eine Hand auf Maddisons Schulter.
„Keine Sorge.", beruhigt er sie.
„Nicht Nyra ist Ringträgerin, sondern ich. Ich werde euch helfen. Für Amy."

Voilà, Kapitel 15 :)
Was haltet ihr bis jetzt von der Geschichte?
Geht es den anderen gut?
War es dumm von Maddison und Lia, dass sie einfach so gegangen sind?
Voten und Rückmeldung bitte nicht vergessen!
Bis dann :)

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