Kapitel 7

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Die ganze Woche lang übe ich, und habe mich dazu entschlossen, zusammen mit Hailey jeden Morgen eine Runde joggen zu gehen, um meine Ausdauer aufzubessern.
Wer weiß, wie bald ich diese schon brauchen werde.
Auch an diesem Tag jogge ich meine übliche Runde, jedoch ohne Hailey, weil sie sich krank fühlt und für die Reise unbedingt wieder fit sein muss.
Ich traue mich nicht, alleine mit Edmon zu reden, aber auch nicht, unser erstes Treffen irgendwem zu erzählen.
Also meide ich einfach weiterhin das Mauerlabyrinth, um bloß nichts falsch zu machen.
Als ich am Hotel ankomme, befindet sich davor eine riesige Masse an Soldaten, und immer mehr Menschen versammeln sich.
Ich zwänge mich durch, versuche einen Blick auf die Ursache zu werfen.
In einer Ecke stehen Tyler und Eric, weshalb ich dort hin laufe.
„Was ist hier los?", frage ich die beiden direkt.
„Anscheinend treffen gleich die Könige und Königinnen von Rivera, Terrestra und Forestia ein.
Ich habe auch nicht viel verstanden.", erklärt Eric mir und zuckt mit den Schultern.
Ich runzele meine Stirn.
Ich kann niemand anderen Bekannten sehen, weshalb ich einfach bei meinen zwei Cousins bleibe.
Schon als ich etwas weiter entfernt die erste Kutsche erkennen kann, spüre ich dieses komische Gefühl in mir drin.
„Irgendetwas läuft hier falsch.", teile ich meine Meinung Tyler und Eric mit.
Verschwinde.
Als auch noch diese fremde Stimme in mir ertönt, werde ich nervös.
„Wir müssen hier weg!", rufe ich.
Plötzlich entfährt mir ein spitzer Schrei.
Es fühlt sich an, als hätte jemand mir mit einem Messer den ganzen Arm aufgeschnitten.
„Lia? Was ist los?!", fragt Tyler panisch.
Ich bin nicht fähig zu antworten, es schmerzt zu stark.
Mittlerweile fließen unglaubliche Massen an Blut aus meinem Arm und bilden am Boden, auf dem ich knie, langsam eine Pfütze.
Die Menschen werden auf mich aufmerksam, fangen an, aufgeregt und verstört herum zu rufen.
Die Kutsche kommt immer näher, und ich weiß, dass sie das nicht sollte.
„Haltet sie auf!", rufe ich, doch keiner reagiert, Tyler und Eric sind damit beschäftigt, die Blutung an meinem Arm zu stoppen und die Menschen um mich stehen nur rum.
Ich versuche mich an mein Training zu erinnern, rufe mir nochmal Edmons Worte in Gedanken ab.
Ich blende die Leute um mich herum aus, blicke nur auf die Kutsche, die meiner Meinung nach viel zu schnell kommt, obwohl das Tempo normal ist.
Sie scheint langsam zu bremsen, doch ich weiß, ich spüre, dass ich sie jetzt stoppen muss.
Ich schließe meine Augen, versuche mir vorzustellen, wie sich eine riesige Wasserwand vor der Kutsche aufbaut.
Die überraschten Schreie der Menschen könnten darauf hindeuten, dass ich es geschafft habe, aber auch, dass ich zu spät war, und irgendetwas anderes passiert ist.
Als ich meine Augen öffne, erwartet mich ein unfassbares Bild.
Meine Kräfte scheinen sich zu bekämpfen.
Es ist keine Wasserwand entstanden, wie ich es vorgesehen hatte.
Zur Hälfte besteht sie aus Feuer, und diese Hälfte versucht, mein Wasser zu überragen, was irgendwie zu klappen scheint.
Gleichzeitig löscht mein Wasser aber immer wieder einen Teil des Feuers.
Doch die Kutsche hat angehalten, was mein Ziel war, weshalb ich erleichtert aufatme.
Einige versuchen, mit der passenden Kraft meine Magie niederzuringen, doch die zwei Kräfte scheinen praktisch zu leben, und lassen sich davon nicht aufhalten.
Die Masse spaltet sich, rennt davon, und ich merke, dass meine Wand sich immer weiter ausbreitet.
Ich hoffe, dass ich niemanden verletzt habe.
Schnell mache ich die selbe Handbewegung wie vorher, nur andersrum, und schaffe es somit direkt, die Wand verschwinden zu lassen.
Es wird still, immer mehr Leute starren mich an.
Langsam geht auch mein vorhin aufgetretener Adrenalinschub zu ende und der pochende Schmerz an meinem Arm tritt wieder ein.
Die Soldaten, die die Kutsche umrundet haben, schlagen sich zu mir durch und wollen mich gerade fesseln, als zum Glück Atrius auftaucht und sie davon abhält.
„Lia, was zur Hölle sollte das?!", ruft er entgeistert.
Ich schlucke.
„Irgendetwas war los, ich kann es nicht erklären.", sage ich verzweifelt und höre dabei selbst, wie dumm es klingt.
„Du musst. Das gerade war unfassbar gefährlich."
„Ich-"
„Da!", unterbricht mich irgendeine Person aus der Menge.
Es ist ein kleiner Junge, vielleicht zehn Jahre alt, der auf etwas am Boden zeigt, ungefähr zwei Meter von der Kutsche entfernt.
Atrius drängt sich nach vorne und schlägt sich erschrocken die Hände vor den Mund.
Alles was ich sehe ist eine fast durchsichtige Flüssigkeit am Boden, doch ich kann mir kaum vorstellen, dass diese der Grund für das panische Flüstern um mich herum ist.
„Was ist?", frage ich und verzerre mein Gesicht wegen einer auffallend heftigen Schmerzwelle.
„Ich glaube, du hast gerade dem König und der Königin von Rivera das Leben gerettet.", sagt Atrius geschockt.
Ich erstarre.
Aber nicht wegen Atrius, sondern weil genau eben genannte aus der blauen Kutsche treten und sich komplett verwirrt umblicken.
Jetzt bricht der Gedanke über mich ein, dass ich gerade fast zwei Menschen aus einer königlichen Familie umgebracht hätte.
Dass ich überhaupt irgendwen gerade fast umgebracht hätte.
Aber anscheinend habe ich sie ja gerettet.
„Was ist hier los?", fragt der Mann leicht panisch.
Atrius streicht vorsichtig über die Kutsche und nickt schließlich.
„Die Kutsche ist wie die drei anderen mit Lavendelextrakt eingeschmiert, damit keine Magie von außen eindringen kann.
Anscheinend hat jemand versucht, mit Tritogen eine Explosion auszulösen.", erklärt er, doch ich blicke ihn nur verständnislos an.
Er seufzt.
„Tritogen ist der Extrakt einer unglaublich seltenen Blume namens Tritogenia.
Sie ist ganz weiß, nur in der Mitte befindet sich ein schwarzer Punkt, und in diesem befindet sich das Tritogen.
Es ist sehr reaktionsfreudig, und kommt es mit Lavendel in Kontakt, löst es direkt eine heftige Explosion aus.
Aber normalerweise wird die Tritogenia unter schwierigen Umständen gepflanzt, ich habe noch nie einen Ort gesehen, wo so viele Blumen waren, dass man ihnen diese Menge an Extrakt hätte entnehmen können.
Auch Lavendel gibt es hier kaum.
Jedenfalls wäre die Explosion unglaublich stark gewesen.
Woher wusstest du das , Lia?"
Wortwörtlich alle starren mich an.
Ich schlucke.
„Keine Ahnung. Es war ein Instinkt.", murmele ich schulterzuckend.
Er runzelt die Stirn, scheint mir überhaupt nicht zu glauben.
Doch langsam fangen die Menschen um mich herum an zu klatschen, eröffnet vom kleinen Jungen, der vorhin auf die Flüssigkeit am Boden gezeigt hat.
Ich fühle mich unglaublich unwohl, vor allem, als auch noch die königliche Familie aus Rivera in den Applaus mit einstimmt.
Etwas weiter hinten kann ich Etalon erkennen, neben ihm Maddison und Amy, die sogar mitklatschen, ein wenig gezwungen, aber immerhin.
Am liebsten würde ich im Erdboden versinken.
„Wieso kommt genau heute die königliche Familie von Rivera?", versuche ich das Thema zu wechseln.
„Es wurde spontan entschieden.
Ich weiß nicht, wie jemand so schnell und unauffällig das Tritogen an genau die richtige Stelle gegeben hat.", sagt Atrius.
Plötzlich kommt Etalon aus der Menge und stellt sich neben mich.
„Für mich ist das offensichtlich.", meint er mit ernstem Gesichtsausdruck.
„Wie meinst du das?", fragt Atrius ahnungslos.
„Wir haben einen Verräter in unseren Reihen."

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