Kapitel 19.

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 Wir unterbrachen uns mehrere Male, bis er schließlich mir den Vortritt ließ, etwas zu sagen. Nur hatte ich keine Ahnung, was ich überhaupt sagen wollte. "Du hattest recht.", begann ich und spielte mit meinen Fingern. "Ich hätte das nicht von dir verlangen sollen, es war nicht fair. Tut mir leid." Das hieß aber nicht, dass es immer noch unfair wäre, wenn wir zusammen wären. Clara stand zwischen uns, aber solange wir Freunde blieben, hatte ich nicht das Recht, ihn über sie auszufragen. Nur wusste ich nicht, ob ich es schaffen würde, mit Heath befreundet zu sein.

 Er sah nach unten, während ich wartete. Ich wartete auf eine Antwort, eine Reaktion. Ich nahm alles, was ich kriegen konnte. Aber was ich bekam, war nur Schweigen. Nach gefühlten Jahrtausenden räusperte er sich und sah wieder auf. "Ich habe dir nicht von ihr erzählt, weil ich wusste, wie wütend du werden würdest, wenn du wüsstest, wer sie ist und was ich getan habe." Ich nickte, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. "Wir beide waren achtzehn. Es war der Winter, bevor ich dich kennengelernt habe. Ich war das ganze Jahr über am Ende. Und wer hätte gedacht, dass ich nach dem Sommer noch schlimmer dran war als davor?"

 Wieder sah er runter und ich nahm seine Hand. Er ging mit dem Daumen über mein Handrücken, bevor er weitersprach. "Du kennst ja jetzt einigermaßen meine Familie. Ich bin der älteste Sohn, also liegt die ganze Verantwortung auf meinen Schultern. Aber so verhalte ich mich ganz und gar nicht." Ich unterdrückte mir ein heftiges Nicken und biss mir auf die Lippe. "Ich war eines Abends mit Scott was trinken und habe Clara an der Bar kennengelernt. Nach ein paar Gläsern hab ich Scott alleine gelassen und bin mit ihr... ich glaube du weiß, worauf ich hinauswill.", unterbrach er sich selbst, als er mein Unbehagen bemerkte. Ich nickte und er fuhr fort. "Es lief nicht nur eine Nacht was zwischen uns, sondern mehrere Wochen. Sie bildete sich was darauf ein, was mir nicht gefiel."

 Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu würgen oder ihm meine Hand zu entziehen. Ich wollte, dass er mir alles sagte, und wenn ich jetzt den Schwanz einzog, dann sollte ich zur Hölle fahren. "Das fiel mir aber erst zu spät auf. Ich hab Scott darauf angesprochen und er stimmte mir zu, dass Clara zu anhänglich geworden ist. Ich habe dann mit ihr geredet, aber es hatte nicht wirklich viel gebracht. Sie war immer noch da und hatte nur genervt. Ungefähr eine Woche nach dem Gespräch hatte Scott Scheiße gebaut und unser Vater war stinkwütend. Das war auf jeden Fall der falsche Moment für Clara um einfach so mal aufzutauchen. Unser Vater hatte uns alle in sein Büro geschliffen, während sie alleine im Wohnzimmer saß. Nach einer Stunde voller vorwurfsvollen Blicken und Geschrei entließ er uns endlich wieder und Scott und ich kamen zu einer betrunkenen Clara zurück. Wir hatten offensichtlich schlechte Laune gehabt, nachdem unser Vater uns zusammengeschissen hatte. Sie hatte wie immer genervt und wir wussten nicht, was wir mit ihr tun sollten. Sie musste weg, das war klar."

 Er sah wieder zu Boden und ich hielt mich etwas zurück. Ich war mir nicht sicher, ob ich bereit war, die ganze Geschichte zu hören. Trotz den Zweifeln blieb ich still. "Wir haben nicht darüber nachgedacht, wirklich nicht. Keiner von uns hatte auch nur eine Sekunde gedacht, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Wir sind dumm, ich weiß. Wir wussten nicht..."

 "Heath.", unterbrach ich ihn. "Was habt ihr getan?" Um den heißen Brei reden brachte jetzt auch nichts mehr. Er sah mich kurz an, bevor er seinen Blick wieder auf den Boden richtete.

 "Wir haben sie in ihr Auto gesetzt und sie dazu gebracht, nach Hause zu fahren. Sie hatte geschrien und hätten Scott und ich sie nicht zurückgehalten, hätte sie Vasen durch den Raum geworfen. Wir lebten damals noch woanders, etwas außerhalb der Stadt. Und wie gesagt war es Winter und sie hatte getrunken." Ich tat, was in dieser Situation die schlechteste Handlung war. Ich ließ seine Hand los und sah ihn mit großen Augen an. Als auch er mich ansah, war sein Blick trübe und schon fast ängstlich. "In derselben Nacht erhielten wir noch ein Anruf. Sie hatte ein Autounfall und lag im Krankenhaus. Und Scott und ich, wir waren noch jung, was hätten wir machen sollen? Wir haben sie einfach vergessen. Wir haben so getan, als wäre nichts passiert und gaben uns nicht einmal die Schuld. Aber im Sommer darauf lernten wir dich kennen und als Scott mich dann gefragt hat, ob es immer noch nicht meine Schuld wäre, wenn du im Auto säßest, kriegte ich doch langsam Schuldgefühle."

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