Lifechanger

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Das Haus in dem ich mit meinem Bruder lebte war nicht sonderlich groß.
Es war ein kleiner Bungalow, der vor dem Krieg wohl als Gartenhaus fungierte, da noch immer Reste von Saatgut in einigen der Schubladen lagen.
Nachdem unsere Eltern starben wurden Changkyun und ich enteignet.
Eine andere Familie im Dorf bekam das Haus in dem wir geboren wurden, in dem wir aufwuchsen.
Das einzige, was wir von uns mitnehmen durften war eine gewisse Anzahl an Kleidung.
Bilder, so wie die wenigen und seltenen Erbstücke nahmen die Wächter für sich ein, teilten sie unter sich auf oder verkauften sie für einen minderen Wert.
Nichteinmal ein Bild von unseren Eltern hatten wir noch.
Der verlusst saß tief.
Ich wusste nicht wie viele Wochen nach der Nachricht ihres Todes ich geweint hatte, bis mich mein Körper irgendwann zur Ruhe und zum Schlaf zwang.
Als ich dann wieder aufwachte lag ich in diesem kleinen Bungalow, den mein Bruder und ich seit fast zwei Jahren unser Zuhause nannten.
Das Haus lag nahe an einem der vermoderten Wälder. Wenn man Nachts leise genug war, konnte man die Tiere tief im inneren des Gebäums hören.
Man nannte sie Wölfe, Eulen, Spechte, Rehe. Alles Wesen von denen man mir nur erzählte, die ich aber noch nie gesehen hatte.

Auf die Worte meines Bruders verließ ich nur selten das kleine Grundstück auf dem wir hausten.
Er wollte nicht, dass ich den Wächtern zu nahe kam.
Wenn einer von ihnen schlechte Laune hatte, meinte Changkyun, dann würden sie sich dafür einen Sündenbock suchen und der sollte nicht ich sein.
Ich wusste den Schutz meines Bruders zu schätzen, doch dennoch verließ ich das Haus und das Grundstück, wenn wir kein Wasser mehr zu trinken hatten, so wie jetzt.
Wasser war das einzige, was wir um sonst bekamen und davon soviel wie wir wollten.
Wir brauchten es für fast alles.
Zum Leben, zum kochen, wenn man sich diesen Luxus leisten konnte, zum säubern von uns selber und unseren Sachen, zum spülen in den Toiletten.

Changkyun war im Dorf unterwegs, versuchte verzweifelt irgendwo Arbeit über die Tage zu finden, in denen er hier bei mir war, doch hier gab es keine Arbeit.
Kaum einer hatte Geld und dementsprechend konnte auch nicht gezahlt werden, dennoch versuchte es mein Bruder immer und immer wieder, doch bis jetzt nie mit Erfolg.
Ich war alleine im Haus und er würde bestimmt noch Stunden brauchen, eh er wieder hier sein würde und mir beichtete, dass er nichts gefunden hatte um an ein wenig mehr Geld für uns zu kommen.

Bevor ich mich auf dem Weg zu den großen Wasserkanistern in der Mitte des Dorfes auf einem traurig leeren Marktplatz machte, nahm ich unseren verbeulten und verrosteten metallenen Wassekanister mir.
Changkyun hasste es, wenn ich das Ding alleine trug.
Leer war es bereits schwer und er wollte mir diese Last ersparen den Kanister durch das halbe Dorf zu ziehen.
Unser Haus lag am Rande des Dorfes. Ich hatte grob geschätzt einen Kilometer zu laufen und das bei einer anstehenden und andauernden Hitze, über die seit Tagen geredet wurde.
Seufzend verließ ich den Bungalow mit dem Kanister in beiden Händen und begab mich auf den Weg.
Keiner kam mir entgegen, kaum einer wusste wo wir lebten, doch jedem im Dorf waren wir als Waisenkinder bekannt.
Einige hatten mitleid mit uns, andere sahen uns an als wären sie etwas besseres, dabei stand niemand hier über uns.
Wir waren alle gleich und lebten alle in den schlechtesten Verhältnissen
Die Leute die von oben auf uns herabsahen bekamen dies allerdings nicht in ihre Köpfe hinein, genauso wenig wie, dass wir für den Tod unserer Eltern nichts konnten.
Es waren die minderen Sicherheitsmaßnahmen in den Minenschächten, die ihn zum Einsturz und unsere Eltern zum Tod brachten.

"Au! Verdammt! Ich hab nichts getan!"
Die Stimme meines Bruders bohrte sich in meine Gedanken, als die ersten Häuser des Dorfes in mein Blickfeld kamen.
Ich ließ unseren Kanister fallen und eilte in die Richtung, aus der Changkyuns Stimme kam.
"Und ob du etwas getan hast!" wütete eine andere Stimme, die einem deutlich älteren gehörte.
"Hab ich nicht!" widersetzte sich mein Bruder.
Zwei der Wächter, in einer Seitenstraße an einer niedrigen Mauer, hinter der sich eine Grünfläche befand, hielten meinen Bruder fest, der verzweifelt versuchte sich freizukämpfen, während ein dritter Wächter sein schwarzes und im Sonnenlichtschimmerndes Gewehr auf meinen Bruder hielt
"Denkst du ich bilde mir ein gesehen zu haben, wie du mir mein Brot geklaut hast?
Du bist eine Schande für deine Familie, deine Schwester." fauchte der Wächter und hob überlegen den Kopf.
Mein Bruder lachte auf und spuckte auf den Boden.
"Die Schande bist du alter Mann! Du bist der einzige, der hier ordentlich an Geld kommt, während Kinder hungern, sterben müssen, da ihre Eltern sie nicht versorgen können.
Mag deine Sorge ein einziges verdammtes Brot sein. Meine ist die meine Schwester durch ihr Leben zu bekommen."
Äußerte er seine Warnung und fand im selben Moment meinen Blick.

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