Tell me Why

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Als ich meine Augen wieder öffnete stellte ich überrascht fest, dass ich erstens, ausgeschlafen und zweitens es raußen hell war.
Wenn ich sonst aufwachte, dann war es noch dunkel und ich hatte nicht länger als eine halbe Stunde die Augen zubekommen.
Doch heute war es anders, bis auf dass noch immer diese Gewisse schwere in mir ruhte, die danach schrie mit Wonho reden zu wollen.
Aber wieso? Wenn er doch eh nicht wollte. Zwingen wollte ich ihn nicht.
Wenn es ihm lieber war noch immer die Klappe zu halten, sollte er doch.

Ich streckte mich aus und berührte mit meiner Hand irgendetwas, was da nicht sein sollte.
Ein lachen ertönte, was ich sofort erkannte, doch aus Schock schrie ich auf und schlug panisch um mich.
Wie zum Teufel kam Wonho hier rein, ohne von Ailee angefallen worden zu sein?
Ich setzte erneut zum schreien an, doch sofort reagierte er, lehnte sich über mich und hielt mir mit seiner weichen Hand den Mund zu.
"Ganz ruhig. Ich bin es nur." murmelte er. Eher zu sich selber als zu mir.

Seine Haut war leichenblass, die Augen rot und angeschwollen unter ihnen thronten, wie bei mir tiefe, dunkle Ringe.
Er schlief so wenig wie ich, so wie es den Anschein hatte.

Ich drückte ihn von mir weg.
Er war derjenige, der mich nicht mehr sehen wollte, nur um seinen Arsch in Sicherheit zu wissen.
Würde er mir auch nur noch einmal zu nahe kommen, würde ich diese Taekwondotechnicken anwenden, die Ailee mir in den letzten Tagen beigebracht hatte.
"Verdammt krieg dich ein! Ich will doch nur mit dir reden und dich nicht vergewaltigen und umbringen."
Ich krabbelte in die von ihm am weitesten entfernteste Ecke und kauerte mich zusammen, denn so wie er eben klang, schien ihm schon danach zu sein.

"Ich weiß, ich hab was falsches gesagt, als wir im Bunker waren. Aber ich war noch nicht so weit, dass alles wieder zu zertrampeln, was ich mir mit dir aufgebaut hatte.
Bevor du mich gleich aus dem Fenster schmeißen wirst, Mauerblümchen, möchte ich, dass du weißt, dass du mir in der Zeit, seit du hier bist, verdammt wichtig geworden bist und ich nur wollte, dass du dir dessen bewusst bist, denn es hat genau mit dem zu tun, was ich dir gleich anvertrauen werde."
Er fuhr sich durch die Haare und wirkte bis auf den letzten seiner vielen Muskeln angespannt.

Langsam stand ich auf und wollte zu Tür gehen, doch Wonho schien meine Gedanken gelesen zu haben.
"Sie haben uns eingesperrt." lachte er bitter auf und machte es sich auf meinem Bett bequem.
"Die beiden lassen uns erst raus, wenn ich den Beweis liefere, dass ich dir meine kleine Geschichte gesteckt hab" meinte er locker und ließ mich nicht aus den Augen.
Er klopfte mit seiner Hand neben sich.
"Setz dich. Ich werde dir nicht näher kommen, als du es selber siehst. Zumal ich mir sicher bin, du würdest mich danach nie wieder sehen wollen."

Ich setzte mich auf die Bettkante, hielt genug Abstand, dass ich einfach zu Tür rennen und gegen sie klopfen konnte.
"Dann sprich dich endlich aus." kam es gereitzter gemeint, als ich es sagen wollte.

Erneut fuhr sich der Blonde in meinem Zimmer durch die Haare und sammelte seine Gedanken, bevor er sprach und ich ganz Ohr war.
"Als erstes, solltest du wissen, ich habe nie in einem der Dörfer gelebt, habe nie all diese Qualen im Leben durchmachen müssen.
Ich kam aus der selben Region wie du, aus dem Norden, aber ich lebte in der Hauptstadt.
Zwischen Geld und mehr Geld. Verschwenderischen Menschen mit wenig Anstand."
Ich sog die Luft ein, doch sagte nichts, als ich sah, dass Wonho wieder zum Reden ansetzte.
"Ich bin erstgeborener Sohn des nördlichen Präsidenten, genoss ein Leben voller Reichtum und vorzüge. Kannte keine Grenzen, wurde nie Müde vom Leben, wieso auch? Ich konnte es ja voll leben.
Die einzige Bedingung? Ich durfte nur von Hauptstadt zu Hauptstadt reisen und in einem Zug ohne Fenster.
Wieso? Das wusste ich selber nichtmal."
Wie Automatisch formten meine Hände Fäuste. Meine Nägel gruben sich schmerzhaft in meine Haut.
"Als mein Vater mal nicht im Haus war, hab ich sein Büro durchstöbert, wollte nur nach einem Kuli suchen, weil in meine Zimmer keine mehr waren.
Stadessen hab ich gesehen, wie sein Fernseher angeschalten war und das darauf irgendwelche Aufzeichnungen liefen.
Ich dachte erst sie wären älter, weil alles so zerfallen und kaputt aussah, doch es waren Echtzeitaufzeichnungen. Uhrzeit und Datum des Tages standen in der Ecke.
Meine neugier war geweckt und ich hab verdammt aufgewühlt in seinen Unterlagen gestöbert.
Erst da bekam ich heraus, dass er mich nicht aus den Hauptstädten gehen lassen wollte. Er wollte nicht, dass ich sah, dass er sich einen Scheiß um die kümmerten, die all den Reichtum nötig hätten.
Ich habe weiter gestöbert und von dem Unfall deiner Eltern erfahren.
Von dem Minenunglück."
Tränen stiegen mir in die Augen, doch ich blinzelte sie weg.
"Da waren Bilder von euch, wie ihr aus eurem Haus vertrieben wurdet, ein Videoband, wie du in Changkyuns Armen zusammengebrochen bist und noch viel mehr aus den Tagen danach."
Er schluckte.
"Ab dem Punkt sind alle Stricke bei mir gerissen und ich hab das Weite gesucht.
Wollte nur noch raus aus diesem Luxus, den ich nie verdient hatte, der mir nie gebührte.
Ich floh aus dem Haus, der Stadt, durch die Dörfer mit Taschen voll Geld, um es unter ihnen zu verteilen, mit den Augen jeden Tag offen, dich und deine Bruder zu finden, zu wissen wie es dir ging.
Ich wollte das zierliche, und hübsche Gesicht hinter den Tränen und der Trauer kennenlernen, doch hab es nie gefunden."
Wonho rückte näher, ich nahm Abstand zu ihm.

"Irgendwann, völlig fertig und ausgehungert landete ich dann kurz vor der Lichtung.
Hyungwons Vater erkannte mich sofort und hielt mich die ersten Tage als gefangener hier.
Als er merkte, dass ich gutwillig war, siedelte er mich mit zu sich ins Haus. Danach lernte ich Hyungwon und die anderen kennen. Erzählte ihnen deine und die Geschichte von deinem Bruder und habe in den letzten zwei Jahren mit ihnen alle Dörfer in der nördlichen Region abgestreut.
Ich wollte dich unbedingt finden und habe es anschließend auch."
In Wonhos braunen, trüben Augen stach sich eine Träne und rollte an seiner Wange herunter.
"Mein Gesicht kam deinem Bruder bekannt vor, deshalb wollte er nicht, dass wir zusammen Zeit verbringen, dass ich dich sehe.
Erst als wir auf der Beschaffungstour waren und er mich hatte mit Minhyuk und Shownu drüber reden hören, fiel ihm wieder ein wer ich war und ich durchgedreht, hat mir gedroht, den Lauf der Waffe zwischen die Augen gehalten, die man ihm gegeben hatte.
Ich musste ihm versprechen dich nicht anzurühren, mich nicht in dich zu verlieben, aber innerlich wusste ich, dass dieses Versprechen für mich Zwecklos war, da du mich zu diesem Zeitpunkt schon lange um den Finger gewickelt hast Raiee."

Schweigen brach aus.
Ein schweigen, in dem ich mit meiner Selbstbeherrschung kämpfte.
Ich hatte die Wahl zwischen einfach in Tränen aubrechen, auf Wonho losgehen und ihn zu Rede stellen, wieso er mich so dreist angelogen hatte, wieso er mein Vertrauen so ausgespielt hatte, um mir Tatsachen zu verheimlichen, die ich nur zu gerne Gewusst hätte, oder ich würe einfach nur da sitzen und wie in Trance vor mich hinstarren.

Wonho rückte mir wieder Näher.
Ich stand vom Bett auf und nahm nur noch mehr Abstand.
Er war mir wichtig, verdammt wichtig, wenn ich nicht sogar auch in ihn verliebt war, aber er hatte mir nicht so vertraut, wie ich ihm und das tat mehr weh, als die Tatsache, dass er mich Abgewiesen hatte.
Ich schlang meine Arme um mich und spürte die Wärme einer Träne über meine Wange rollen.
Er war nie aus einem der Dörfer. Hatte allen hier nur etwas vorgemacht.
Mich hatte er angelogen.
Noch nie hatte man mich so oft angelogen, wie hier, doch grade Wonhos Lüge war die schmerzhafteste.
Ohne jegliche Bedenken hatte ich ihm vertraut, ihm von dem Erzählt, was er schon wusste und dennoch hatte er mir mitleid geheuchelt.
"Geh!" fauchte ich und deutete zur Tür.
"Geh!" ich wurde lauter und stampfte auf wie ein kleines Kind.

Langsam erhob Wonho sich von meinem Bett, doch anstatt auf die Tür zuzulaufen und zu beten, dass man sie wieder aufschloss, lief er direkt auf mich zu.
Ich stieß ihn weg. Schrie und kratzte um mich.
Nichts mehr wollte ich von ihm sehen, nichts mehr von ihm hören, sollten meine Gefühle ihre eigenen Wege gehen und wieder grade sehen, ich drehte durch, meine Gefühle wollten ihn. Egal ob Riesenlüge oder nicht. Aber ich nicht. Er war der erste Mensch, dem ich den Tod wünschte, dem ich ein Ende wünschte, obwohl ich selber erfahren hatte wie es war eine wichtige Person, zwei wichtige Personen zu verlieren.

"Raiee." flüsterte er und schritt auf mich zu.
Seine Stimme, so seidig weich und guttuend, wie schmerzend.
"Es tut mir so leid. Ich hätte dir diese Karten schon eher auf den Tisch legen können, aber ich konnte es nicht. Wollte es mir mit dir nicht verspielen, nachdem ich dich solange gesucht und nun gefunden hatte."
Wieder schritt er näher auf mich zu.
Ich trat zurück und spürte die Wand an meinem Rücken.
"Ich wollte dich nie verletzten, doch hab es nun doch."

Ich stieß ihn von mir und kniff die Augen zusammen.
In der selben Sekunde, als ich den Mund öffnete, um erneut zu versuchen ihn loszuwerden, ertönte ein Knall, der den Boden unter mir erschüttern ließ.


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