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Nachdem die Schwärze mich umhüllt hatte, spürte ich lange Zeit nichts.
Dann prallte ich mit dem Rücken auf etwas, das sowohl hart, als auch weich war.
Der Aufprall presste die Luft aus meinen Lungen und ich keuchte vor Schmerz auf, ehe ich die Augen zukniff und mich aufs Atmen konzentrierte.
Mit meiner Hand tastete ich vorsichtig den Boden unter mir ab, runzelte die Stirn und öffnete blinzelnd die Augen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein.
Ich setzte mich langsam auf und sah durch mein Zimmer.
Ja, ihr habt richtig gelesen. Mein Zimmer.
Verdammter Mist, was sollte das denn jetzt?
"Seraphina?"
"Ja?", rief ich und stand auf, um die Tür zu öffnen.
"Was war das für ein Krach?"
Moment. Ich war etwas mehr als drei Monate verschwunden und das war alles, was sie interessierte?
"Äh..."
Ja. Toll gemacht, Seraphina. Das war ja so intelligent.
"Was ist denn?", sagte meine Mutter und schüttelte den Kopf.
"Mir... Mir ist nur etwas runtergefallen. Aber..."
Ich verstummte und schlang meine Arme um sie. "Ich hab dich so vermisst, Mum."
"Wovon sprichst du bitte? Bist du sicher, dass es dir gut geht?"
Nun vollends irritiert griff ich nach meinem Handy, das auf dem Regal lag.
Das konnte doch nicht sein. Es war der gleiche Abend, an dem ich verschwunden war.
"Ich... Ich ähm... Naja, ich sag dir einfach viel zu selten, wie lieb ich dich habe, weißt du?"
Meine Mum schüttelte erneut den Kopf und ging wieder ins Wohnzimmer.
Ich setzt mich auf mein Bett, zog die Beine an und legte die Stirn an meine Knie. Was war passiert? Was wusste ich?
Der Spiegel hatte mir mein Zimmer gezeigt, obwohl mein Herzenswunsch...
Natürlich, wie hatte ich so dämlich sein können?!
Ich hatte mir so oft gewünscht, in Hogwarts zu sein. Natürlich war das mein Wunsch. Und dass der Spiegel mir mein Zimmer gezeigt hatte, lag daran, dass...
Ja, woran eigentlich?
Ich stand auf, lief auf und ab und grübelte.
Dann fiel mein Blick auf meinen Schreibtisch und die kleine Miniaturausgabe des Spiegels. Natürlich. Mir wurde das Zimmer aus genau dieser Perspektive gezeigt, weil ich bereits in meinem Herzenswunsch steckte.
Mehr hatte mir der Spiegel nicht zeigen können, da ich schon alles hatte.
Wie hatte ich so blind sein können? Und vor allem... Würde es ein zweites Mal klappen? Würde ich wieder nach Hogwarts können? Die Zeit schien hier irgendwie stehen geblieben zu sein, während ich in Hogwarts war, aber wäre es andersrum genauso? Würde ich zum gleichen Zeitpunkt in Hogwarts ankommen, zu dem ich es verlassen hatte?
Und wenn nicht... Wie sollte ich das jemals erklären?
Nach einem kurzen Augenblick der Verzweiflung schnappte ich mir den kleinen Spiegel, eine Taschenlampe, mein Handy, Schuhe und meine Jacke und verließ das Haus, um erstmal einen klaren Kopf zu bekommen.
Ich lief zu dem Wald, der an unser kleines Dorf grenzte und verschwand darin. Ich hatte hier einen Ort, an den ich mich immer zurückzog, wenn ich traurig, wütend, nachdenklich oder ähnliches war oder einfach einen Moment für mich brauchte.
Wie von selbst trugen mich meine Füße durch den Wald, mal links, mal rechts. Trotz der Dunkelheit würde ich den Weg im Schlaf finden, das wusste ich und ein breites Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich die Höhle erreichte.
Vorsichtig schob ich die Zweige zur Seite und trat in den Ort, der schon lange meine Zufluchtsstätte war und strich über das dunkle, fast schon schwarze Gestein und lief immer tiefer in die Höhle, bis ich auf den kleinen See traf.
Ich setzte mich, zog die Schuhe und Socken aus, ließ meine Füße ins Wasser baumeln und atmete tief durch. Sofort durchströmte mich das Gefühl der Geborgenheit, Vertrautheit und das Gefühl, Zuhause zu sein. Das gleiche Gefühl, das ich auch immer in Hogwarts hatte.
Ich wusste, dass es keine Option war, einfach so zu tun, als wäre nichts geschehen. Es musste einen Weg geben, wie ich wieder nach Hogwarts konnte, denn ich hatte viel zu viel vor, als dass ich meine Zeit in der Schule für Hexerei und Zauberei hätte vergessen können.
Ich musste Sirius das Leben retten, Informationen über das Inquisitionskommando sammeln, herausfinden, was es mit dieser Prophezeiung auf sich hatte und, was für mich der wichtigste Grund war, ich wollte glücklich sein. Mit Draco.
Ich wollte ihm alles erklären, ihm die Wahrheit sagen, aber so, dass er damit kein Problem haben würde.
Außerdem musste ich noch die ganzen Fragen beantworten, die ich noch im Bezug auf meine seltsame Gabe hatte.
Ich hoffte einfach, dass Blaise alles für sich behielt. Genau wie Harry, Ron und Hermine, denn die wussten ja sogar noch mehr als sonst irgendjemand in Hogwarts. Mit der Ausnahme von Dumbledore und mir natürlich.
Ich fragte mich, ob ich mit Albus über den Spiegel hätte reden sollen. Und wahrscheinlich hätte ich das wirklich, doch nun war es eh zu spät.
Vorsichtig holte ich den Spiegel aus meiner Jackentasche, schaltete meine Taschenlampe ein und ließ das Licht die Höhle beleuchten. Doch ich sah in dem Glas nichts, was nicht dort sein sollte. Ich sah schlicht und einfach mich selbst, wie ich erwartungsvoll und schließlich enttäuscht auf mein eigenes Bild starrte.
"Ich möchte wieder zurück nach Hogwarts", flüsterte ich und strich über die kalte Oberfläche.
Doch diesmal geschah nichts. Kein goldener Lichtblitz, kein seltsames Gefühl, keine Schwärze, die mich umhüllte. Von der natürlichen Dunkelheit der Nacht einmal abgesehen.
Frustriert ließ ich den Spiegel zurück in meine Tasche gleiten und versuchte dann einfach, die Ruhe und Geborgenheit dieses Ortes mitzunehmen, noch einen Moment zu genießen, ehe ich aufstand, meine Socken und Schuhe wieder anzog, meine Taschenlampe nahm und mich auf den Weg nach Hause machte.
Dort ging ich duschen, machte mir noch schnell ein Brötchen und zog mich in mein Zimmer zurück.
Harry Potter und der Orden des Phönix lag aufgeschlagen auf meinen Knien und ich las die Stelle erneut, an der Umbridge Sybill entließ.
Dass ich vor wenigen Stunden noch unter den Schülern stand, schien so weit weg.
Sanft strich ich über die Worte des Buches und schüttelte leicht den Kopf.
"Ich finde einen Weg zurück, Draco. Versprochen."

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