S I E B E N

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Mal wieder kurz durchatmen und dann ging es auch direkt weiter in Tür sieben.

Er hatte ja mittlerweile schon einiges durchlebt. Von Kindergärten bis hin zu kompletten Landschaften war hinter den Türen ja quasi schon alles vertreten gewesen, aber das er zu schweben anfing- das war nochmal eine komplett andere Sache. Erst dachte er, das käme immer noch von der Benommenheit, die dieser Ausrutscher an der Brücke ihm verpasst hatte oder eine ganz neue, unentdeckte Art von Schwindel, aber nein- seine Füße entfernten sich zweifellos vom Boden. Auch um ihn rum begann alles zu verschwimmen, gepaart mit den ihm mittlerweile zum Halsraushängenden Glitzer Partikeln wollte er einfach nur noch, dass es aufhört. In Filmen war Glitzer und Schweben immer so toll und magisch dargestellt, bei ihm riefen die Glitzerkörner nur ein schmerzvolles Kratzen im Hals hervor.

Und dann hörte all das schlagartig auf und er fiel, ein, zwei Meter, bis er in eiskaltem, aber immerhin weichem Schnee landete. Und ein paar Meter weiter stand eine Person, die er hier schon einige Male getroffen hatte. „Manuel", rief er hoffnungsvoll, froh, endlich mal wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen. Doch dieser sah ihn nur bedauernd an, murmelte etwas von: „Das sieht nicht allzu rosig aus-", dann schlich sich ein leichtes Schmunzeln über sein Gesicht: „-aber ich hätte auch nichts Anderes erwartet" und weg war er. Manuel schien sich über die Lage, die sich hier abspielte und die er selbst noch nicht wirklich begriffen hatte, sichtlich zu amüsieren.

Er wollte ihm hinterherlaufen, ihn fragen, was er damit gemeint hatte, doch er konnte sich nicht bewegen. Seine Füße klebten nicht fest, aber- irgendetwas hinderte ihn daran. Es war das selbe Gefühl, das er schon mal bei Manuels Vortrag in seinem Mund verspürt hatte, diese Lähmung, die aber keine war.

Infolgedessen begann er, sich umzusehen. Er war irgendwo in der Nähe seiner Schule, in einer ziemlich heruntergekommenen Seitengasse und etwas weiter entfernt saß eine zusammengekauerte Gestalt, die sich in dem Moment, in dem eine Person von der anderen Seite auf ihn zulief hastig aufstand und ihm entgegeneilte. Die beiden kamen ziemlich genau vor ihm zum Stehen und als der eben noch sitzende sich kurz in seine Richtung umschaute, fuhr Patrick entsetzt zusammen. Das konnte nicht sein. Wie sollte... Warum? Der Grund, warum der kleinere der Beiden ihn so aus der Fassung gebracht hatte, war einfach zu erklären. Weniger als zwei Meter vor ihm stand ein Ebenbild seiner selbst. Mehr noch. Das war er selbst, abgesehen davon, dass er sichtlich um ein paar Jahre gealtert war. Und immer noch gebannt von seinem älteren Abbild, begann dessen Gegenüber zu reden: „Du weißt wie viel du mir schuldest. Also, wo ist das Geld?"

Seine zweite Version war kleinlaut: „Ich hab' es nicht." „Du hast es nicht?", es klang vorwurfsvoll. Irgendwie aber auch mitleidig. „Nein." „Du weißt, was das heißt." Ja, aber... Maur-" „Maudado. In dieser Szene, unter diesen Umständen bin ich immer noch Maudado. Du weißt, dass es mir sehr unlieb wäre, wenn die Polizei meinen echten Namen bekommt." Tut mir leid. Aber versteh' mich, wenn ich nur noch zwei Wochen bekomme-" „Palle nein. Ich hab schon um einen Monat verlängert. Mehr geht einfach nicht mehr. Dann würde ich selbst Probleme bekommen." „Aber ich kann das nicht.", seine eigene Stimme, also nicht seine aber- auf jeden Fall: die Stimme klang klagend, als wüsste sein zweites Ich ganz genau, was jetzt auf ihn zukommen würde. „Hör zu Paluten." Paluten? Wieso Paluten? Er hieß Patrick und nicht Paluten. Was war das überhaupt für ein beknackter Name. Aber da redete dieser Maudado schon wieder weiter: „Du kennst den Deal. Wenn du nicht pünktlich bezahlen kannst. Dann müssen wir den anderen Weg gehen." Maudado griff in seine Tasche und zog etwas heraus und er selbst –nicht er selbst selbst- kniff die Augen verängstigt zusammen. Oh Gott, wollte dieser 2 Meter man ihn etwa erschießen!?

Doch als er den Gegenstand aus seiner Tasche hervorholte, war es ein einfaches Foto. „Das ist er. Ziemlich hohes Tier und verdammt reich. Deshalb hat mein Boss mich darauf angesetzt jemanden zu finden, der für ihn in den Knast geht. Wenn du das Geld also nicht hast, werde ich ihm heute melden, dass ich jemanden für den Job gefunden habe." „Maudado bitte. Eine weitere Wo-" „Palle nein! Es lag alles in deiner Hand. Ich kann wirklich nichts mehr für dich tun." Die zuvor noch vereinzelt mitleidige und mitfühlende Stimme war mittlerweile neutral und eiskalt. „Ab-" Doch der Größere ließ keinen weiteren Wiederspruch zu.

Das ständige Unterbrochen werden ließ Wut in ihm aufsteigen. Diesmal wirklich in ihm selbst, doch auch seinem Doppelgänger schien das nicht anders zu ergehen. Und ohne, dass er es sich verkneifen hatte können, schrie er Maudado an: „Wieso tust du mir das an!?" Doch die beiden konnten ihn ja nach wie vor nicht hören.

„Ich habe dir das nicht angetan.", Patrick zuckte mal wieder heftig zusammen, denn hinter ihm war eine zweite, geisterhafte Version von Maudado erschienen. „Das warst allein du selbst. Das hier ist deine Zukunft. Und nur du kannst daran etwas ändern oder nicht."

Tränen stiegen in seine Augen. Er wollte das nicht. Das durfte- das waren doch eh alles nur Lügner. Woher sollten diese Typen, oder Maudado oder irgendeine verf*ckte Tür denn bitte wissen, dass er wegen irgendeinem Problem in den Knast wandern würde!

In dem Augenblick, in dem er wieder die Kontrolle über seine Füße erhalten hatte, begann er zu rennen. Rannte und rannte, wollte nicht wahrhaben was da eben passiert war.

Und als er komplett außer Atem stehen blieb und nur langsam wieder zu einem regelmäßigen Puls gelangte, merkte er, dass er mal wieder vor der eben besuchten Tür stand.

Und er hoffte inständig, dass der Tür heute irgendein Fehler unterlaufen war, dass das Wort, das dort stand bloß wegen einer Verwechslung hier gelandet ist. Er wollte nicht, dass das, was er eben hinter der Tür erlebt hatte, seine Zukunft ist.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt