N E U N

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Er hatte es satt. Einfach alles. Er wollte nicht mehr. Sein ganzes Leben war nur noch deprimierend. Seit er in der letzten Tür gewesen war, war seinem Gefühl nach einiges an Zeit vergangen. Mit immer noch leicht blauem Auge schlich er langsam durch das schlossartige Gebäude um auf die Suche nach der nächsten Tür zu gehen. Als er diesmal durch diese getreten war, fand er sich eindeutig in einem Mädchenzimmer wieder. In einem ihm bekannten Mädchenzimmer. Das war ohne Zweifel das Zimmer seiner Freundin. Also sie war nicht wirklich seine Freundin. Keine feste Freundin. Obwohl zwischen den beiden durchaus schon das ein oder andere passiert war... Das zwischen ihnen war eine unklare, merkwürdige Sache.

Kathleen war recht beliebt, er war auf jeden Fall beliebt, da war es logisch, dass die beiden zusammen rumhingen und sich auf Partys gemeinsam präsentieren. Aber wirklich Gefühle für sie zu haben, konnte er nicht behaupten. Das wusste sie auch. Soweit er das beurteilen konnte, hing sie mit ihm rum, um ein bisschen was von seinem Fame abzustauben und er duldete das, weil er so seine kleine Fan Base besser aufrechterhalten und erweitern konnte. Sie himmelte ihn ein wenig an und er genoss das.

Völlig in seinen Gedanken erschrak er mal wieder zu Tode, als aus dem nichts eine Person neben ihm stand. Das war eine Angewohnheit von Manuel, die ihm schon einige Male aufgefallen –und vor allem missfallen- war. „Und was machst du schon wieder hier?", fragte Patrick beiläufig, als würden sie Small Talk führen. „Ich dachte ich schau' mal nach dir, scheint ja nötig zu sein." Doch Patrick gab nur ein angesäuertes Brummen von sich. „Ich hab' dich lange genug allein machen lassen und du warst bisher noch nicht allzu erfolgreich. Es ist wohl Zeit, dass ich mal nachhelfe. Ob du das willst oder nicht.
Wo wir gerade dabei sind: Wer ist denn die hübsche da? Deine Freundin?" „Nein! Ja? Vielleicht schon... aber irgendwie nicht. Ich weiß es nicht.", zum Ende hin war er entgegen seiner anfänglichen Überzeugung immer kleinlauter geworden. „So oder so würde ich mit Sorgen machen. Schau mal auf ihr Display... Denkst du sie betrügt dich?", plapperte Manuel heiter weiter. Er verdrehte die Augen. Warum sollte Kathleen ihn betrügen? War es überhaupt Betrug, wenn er nicht mal wusste, ob sie zusammen waren? Dennoch riskierte er einen Blick auf ihren Handybildschirm und –auch wenn er es nie zugeben würde- beim Anblick der vielen roten Herzen, die sie dort mit jemand anderem austauschte, zog sich etwas in seiner Brust zusammen.

„Es könnte natürlich auch sein, dass sie bloß eine Art Zweckbeziehung mit dir führt?", die Art, wie Manuel alles was er sagte, sagte, gab ihm das Gefühl, als würden die beiden gerade vielmehr gemeinsam Kaffee trinken und über einen dabei laufenden Film philosophieren. Den Gedanken hatte er jedoch ehrlich gesagt wirklich schon mal gehabt, irgendwann. Eben so ein unbedeutender, beiläufiger Gedanke, aber jetzt so damit konfrontiert zu werden, das traf ihn unerwartet doch irgendwie. Vielleicht war es der Irrglaube gewesen, dass er ihr wirklich etwas bedeutete, oder auch einfach nur die Enttäuschung, dass er noch nie mit einem Menschen derartige Nachrichtenverläufe hatte aufweisen können. Mit bedrückter, allerdings lauter Stimme stellte er sie zur Rede: „Wer ist das und was hast du mit ihm zu tun?!" „Heeey", ihre Stimme war trällernd, so vollkommen widersprüchlich zu seinem Ausraster eben. Und gerade, als sich Verwirrung darüber in ihm breitmachen wollte, verstand er ihre Reaktion. Sie redete nicht mit ihm. Hatte es nie getan. Sie hatte ihn vermutlich nicht einmal gehört. Ihr Handy befand sich mittlerweile an ihrem Ohr.

Jetzt telefonierte sie auch noch mit diesem grässlichen Herzchen Empfänger. „Klar komm' ich gleich, aber warte bloß auf mich, nicht dass ich da allein rumstehen muss!" Er kannte den Kontext nicht und wusste auch nicht wovon sie da überhaupt sprach, aber die Fröhlichkeit in ihrer Stimme und das Strahlen in ihrem Gesicht, dass diese Person in ihr auslöste, tat ihm auf unergründliche Weise weh.

In diesem Moment fiel sein eigener Name und er wurde wieder hellhörig. „Was, Patrick? Stimmt, den hatte ich ganz vergessen... Ich sag ihm natürlich noch schnell ab, ich kann ja so tun, als ob meine Ma was dagegen hätte oder so...", daraufhin ein verschwörerisches Zwinkern, dass ihr Gesprächspartner so oder so nicht hätte sehen können, Patrick selbst aber einen Entschluss fassen ließ:

„Ich will hier weg!" Das war an Manuel gewandt gewesen. „Wie, du willst hier weg?" „Du kannst das doch. Mich irgendwie zurückzaubern. Ich will das nicht weiterhin sehen. Es reicht mir!" „Bist du dir sicher? Vielleicht passiert ja noch was Spannendes..." Bescheuerte Frage, natürlich war er sich sicher, sonst hätte er ja nicht so dringlich darum gebeten. Sein vorwurfsvoller Blick war Manuel wohl Antwort genug und nur wenige Augenblicke später stand er wieder da, wo er jedes Mal landete.

Das Wort Leid beschrieb seine jetzige Gefühlslage durchaus sehr passend.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt