D R E I Z E H N

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Es waren einfach viel zu viele Emotionen, die seine verschlossene Persönlichkeit in letzter Zeit hatte erleben müssen. Er war solch' psychische Qualen einfach nicht gewohnt. Natürlich wurde er täglich beleidigt, immer mal wieder von seinen Freunden, aus Spaß, aber damit konnte er umgehen, darauf konnte er reagieren und kontern. Das war hier vollkommen anders. Er wusste nicht, wie er mit all dem, mit dem er konfrontiert wurde, umzugehen hatte.

Und gerade die Sache mit Tim belastete ihn noch immer. Doch das durfte er sich natürlich nicht anmerken lassen. Dementsprechend war er in Tür 13 auf einmal cooler und gelassener als je zuvor. Was ihm angesichts des Ortes, in dem er sich befand, auch nicht allzu schwergemacht wurde. Er war in einem verhältnismäßig kleinen Kinosaal gelandet, in dem sich nur eine weitere Person befand. Ein Mann mit Zylinderhut und generell viel zu noblem Aussehen für diese Umgebung.

„Gibt's hier auch Popcorn?" „Du bist ja ganz witzig. Normalerweise sind die Leute in dieser Tür anderer Laune.", dieser Typ hier war auch wieder einer der ganz allwissenden Sorte, das hatte er irgendwie im Gefühl. „Aber nein. Und ich glaube auch nicht, dass du das brauchen wirst." Patrick zog eine Grimasse, die eigentlich verschmitzt oder belustigt hätte aussehen sollen, dem im Endeffekt aber nicht auch nur im Geringsten ähnelte. „Achso, ich bin übrigens Zombey", erklärte der Anzugteäger, „Hier, ein VIP-Platz nur für dich, lehn' dich zurück und genieß die Vorstellung."

Er wusste nicht, womit er gerechnet hatte. Eigentlich hatte er nicht mal Zeit gehabt irgendwas zu vermuten. Aber hätte er sie gehabt, dann hätte er garantiert nicht das vermutet, was er jetzt gerade sah.

Nie hatte er wirklich geglaubt, dass gleich ein Actionfilm oder irgendeine Komödie zu spielen beginnen würde, doch noch viel weniger, dass er selbst auf der Leinwand auftauchen würde. Er war die Hauptfigur in diesem Film. Und er ahnte schon, worauf das hinauslaufe würde.

„Du kennst den Darsteller?", erklang Zombey's Stimme neben ihm. „Natürlich.", seine eigene Stimme war dagegen bloß ein Hauchen. „Was denkst du, wie alt er da ist?" „Ich weiß nicht... 12? Vielleicht 13." „Hätte ich auch so gesagt- Oh, warte, jetzt wird's spannend." Von wegen spannend. Er wusste, was jetzt kam. Da waren er und Tim auf dem Pausenhof. Die Mittagspause war gerade vorbei und beide hatten mit den heimlich geklauten Graffitidosen von Tims größerem Bruder die Schule verzieren wollen. Tim hatte Schmiere gestanden und er selbst gesprayt. Als Tim einen Lehrer gesehen und Panik bekommen hatte, hatte er zu lange gebraucht, um Patrick zu warnen. Nachdem also Tim davongekommen und Patrick selbst erwischt worden war, schob er ohne den kleinsten Funken Schuldgefühle alles auf seinen besten Freund. Jubelte ihm später auch noch die Spraydosen unter, um seine eigene Aussage glaubhafter zu machen. Er selbst war verschont geblieben, doch der schon damals größere Junge hatte als Sündenbock herhalten müssen. Er hatte das immer als vollkommen gerechtfertigt angesehen, schließlich war es auch Tims Fehler gewesen, der sie in diese Lage gebracht hatte.

Meine Güte, das war lange her. Da war Tim doch sicher schon längst drüber hinweg.

Doch dann wechselte die Szene, ein Zeitsprung, und man sah die beiden vor nicht mal 3 Wochen. Das war das Basketballspiel, das Tim so unheimlich wichtig gewesen war. „Kinder sind einfach gemein, nicht wahr?", mischte sich Zombey abermals in die Handlung ein. Patrick antwortete nicht. Starrte nur voller Entsetzen die Leinwand an, auf der Tim gerade unter Tränen zusammenbrach. Das hatte er nicht gewusst. Nicht mitbekommen, nicht... gewollt. Was er damals getan hatte das sollte, also er wollte doch nur- Seine Gedanken drehten sich und zeitgleich mit Beginn des verschwommenen Abspanns begann auch alles um ihn herum sich zu drehen und sein Kopf konzentrierte sich nur noch darauf, bis er wieder das dunkelbraune Holz erblickte.

Das Wort an der Tür war wie ein Schlag ins Gesicht. Sicherlich hatte er Leute beleidigt, ignoriert oder vielleicht sogar verletzt.

Aber wenn es um Würde ging, war er eindeutig zu weit gegangen.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt