E I N U N D Z W A N Z I G

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Es ist nicht zu spät.
Es ist noch nicht zu spät. Es war wie ein Mantra. Dieser eine Satz geisterte die ganze Zeit durch seinen Kopf, hatte sich festgesetzt und jetzt klammerte er sich daran. Hielt sich daran fest, dass immer noch die Chance bestand, dass er alles bei allen wieder gut machen konnte, dass es nicht zu spät ist seine Zukunft, die seiner Schwester und allen die er irgendwie zu beeinflussen schien zu ändern.

Der Raum, in den er geschickt worden war, war leer.

Keine andere Person war da, niemand, der ihm hätte sagen können, was diesmal anstand. Eine eisige Kälte durchzog diesen Raum, obwohl er eigentlich ziemlich festlich und gemütlich beleuchtet und eingerichtet war. Das selbe Gefühl, dass ihn schon seit einigen Türen begleitete, durchfuhr ihn erneut. Dieses Unwohlsein, als wäre irgendetwas im Gange, dass sich nicht so gehörte und es war nicht unbegründet. Aus welchem Grund sollte er in ein vollkommen leeres Zimmer geschickt werden, warum spielte seit einigen Türen alle dafür Zuständigen verrückt und – im Endeffekt war es auch nicht wichtig. Er sollte aufhören sich darüber Gedanken zu machen, entweder es war wirklich was im Busch und er würde es früher oder später vielleicht zufällig erfahren, oder: er reagierte einfach nur über. Das war nämlich durchaus auch eine mögliche Erklärung.

Und so begann er, langsam durch den Raum zu schlendern, um vielleicht selbstständig herauszufinden, was hier von ihm verlangt wurde. Er betrachtete gerade ein altes Gemälde, als es ihn wie einen Schlag vors Gesicht traf. Nicht im übertragenden Sinne, er fühlte sich zweifellos als ob ihm jemand die Faust mitten auf's Gesicht gehauen hätte, was, angesichts dessen, dass er ja allein hier drin war, eigentlich unmöglich war. Aber er hatte längst gelernt, dass dieses Haus sich reichlich wenig darum scherte, was möglich war und was nicht.

Und dann verstand er, was passierte. In seinem Schwindelzustand begannen sich mal wieder Bilder vor seinen geschlossenen Augen abzuspielen. Da war er, wie er von der Polizei abgeführt wurde und dort, in sicherer Entfernung konnte er Maudado mit traurigem Gesichtsausdruck erkennen. Aber etwas störte die Szenerie, machte sie unnatürlich und er brauchte viel zu lange um zu kapieren, woran das lag. „Es läuft rückwärts.", flüsterte er vor sich hin. Das Bild, wie er da auf dem Boden kniete und mit sich selbst sprach musste von außen betrachtet definitiv verstörend wirken. Rückwärts und in Zeitraffer setzte sich das Geschehen fort, er lief neben Maudado her, da war das Gespräch, dass er vor längerem schon selbst beobachtet hatte. Dann wieder er, wie er Maudado das erste Mal um Hilfe bat und zuletzt: Der Auslöser des Ganzen. Wie er Zuhause mit Koffern bepackt und schreiend aus dem Haus stürmt, die Türen so stark zu knallt, dass das gesamte Haus zu beben scheint und abhaut. Das war es. Dass war der Grund, aus dem all das erst zu der Katastrophe ausarten wird, die ihm hier gezeigt wurde. Das war der allererste Punkt, den er besser machen würde.

Und dann geschah es. Die Abspielrichtung wechselte wieder, der Film lief normal weiter und seine alternative Zukunft wurde ihm gezeigt. Er bekam seinen Abschluss. Er feierte gemeinsam mit seinen Freunden – echten Freunden und seine Schwester war auch in 3 Jahren noch die gleiche, selbstlose Prinzessin, die er so niemals verlieren wollte. Doch noch ehe der Film vollkommen geendet hatte, wurde vor seinen Augen alles schwarz.

Hatte er geschlafen? Wie lange hatte er geschlafen? Wo war er überhau– okay gut, er wusste ganz genau wo er war. Also konnte er eine Gehirnerschütterung schon mal ausschließen. Was er hingegen nicht abtun konnte waren die tiefroten verschmierten Lettern an der Wand. Jemand war hier gewesen.  Die Botschaft ‚Noch 2 Türen' ließ da keine Zweifel übrig. Aber das machte keinen Sinn, es waren immer noch 24 Türen, also 3 Türen übrig, es sei denn... Es sei denn irgendetwas wartete in Tür 23 auf ihn.

In dem sicheren Glauben, dass seine Schwester gerettet, wieder auf der richtigen Spur war, galt nur noch eins Herauszufinden: Was es mit den verschmierten Worten zu tun hatte und wo zur Hölle Manuel abgeblieben war.

Die Tür hatte ganz recht. Er hatte Hoffnung.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt