F Ü N F

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Tür Nummer 5 war wieder schnell gefunden und kaum war er eingetreten, durfte er feststellen, dass selbst die Räume immer skurriler wurden. Das laute Geschrei und Getrampel ließ ziemlich schnell darauf schließen, dass er mitten in einem Kindergarten stand. Man hätte ihn wohl kaum in einen für ihn schlimmeren Ort stecken können. Das hier war so etwas wie seine persönliche Hölle. Die absolute Höchststrafe. Er musste wirklich irgendwas verbrochen haben, wenn die Tür ihn hierzu zwang.

Und kaum, dass er zu dieser Erkenntnis gelangt war, rannten auch schon die ersten Teufel an ihm vorbei. Irgendwo im Hintergrund konnte er eine Frauenstimme rufen hören: „Hilf du ihnen bitte beim Schuhe anziehen, ich hab' hier grad echt alle Hände voll zu tun!"

Patrick wartete darauf, dass von irgendwo eine weitere, die Angesprochene Person auftauchen würde, aber es geschah nichts. Von den drei oder vier weiteren Türen die er sehen konnte war nur eine einzige angelehnt. Die anderen waren –wie jede Tür mit der er zurzeit Bekanntschaft machte- abgeschlossen. In diesem Moment blickte eine gestresst dreinblickende Frau aus dem Spalt der angelehnten Tür und schrie ihn an: „Warum stehst du denn so blöd rum! Jetzt mach' endlich, worum ich dich gebeten hab'!"

Völlig perplex und eingeschüchtert schlich er in Richtung der Bänke mit Klamotten, woher hatte er denn wissen sollen, dass er gemeint gewesen war. Vor ihm standen nun drei erwartungsvolle Gesichter, ein Mädchen und zwei Jungen. Er entschied sich zu Beginn für das geringste der drei Übeln und fragte das Mädchen, wobei er ihr helfen könne. Sie wollte lediglich ihre Klettverschlussschuhe nicht allein zumachen, dass fand er zwar unheimlich albern, aber gut. Er tat, was die Kleine von ihm verlangte.

Dann kamen die zwei Jungs, die bis eben geduldig gewartet hatten.

Der Blick des ersten wurde langsam unruhig, er wollte offensichtlich dem Mädchen hinterher, um ja nichts zu verpassen, der zweite schaute Patrick direkt in die Augen. In sein Gesicht waren eindeutig diabolischen Absichten geschrieben. Dieses Kind war doch darauf vorprogrammiert worden, ihn fertig zu machen.

„Wie kann ich euch helfen?", er gab sich wirklich Mühe, seine Stimme nicht zu entnervt und gelangweilt klingen zu lassen. „Ich bekomm meine Schuhe nicht zugebunden" Na gut, das alte Schnürsenkel Problem, dass konnte Patrick wenigstens noch nachvollziehen. Er kniete sich vor den Jungen, griff nach dem besagten Schuh- und stieß sich volle Kanne den Ellenbogen.

„FU-", er hielt augenblicklich inne. Da war eine gewisse Verantwortung, die er diesen Kindern gegenüber verspürte und ihm verbat, seinen üblichen, mit heftigen Schimpfworten gefüllten Wortschatz zu verwenden. „-erdammt", rettete er also gerade noch so seinen Ausrutscher, doch die Jungs ließen das ohnehin unkommentiert. Das Schnürsenkel Massaker bewältigt, wendete er sich nun dem anderen Jungen zu.

Als er von diesem wissen wollte, was man für ihn tun könne, antwortete der maximal 6-Jährige mit teuflischen Grinsen. „Ich muss meine Jacke anziehen." „Und du bist dir sicher, dass du das nicht allein schaffst", seine Entgegnung triefte nur so vor Ironie. Aber dass verstand das Kind natürlich nicht. „Nein! Ich will sie nämlich falschrum anziehen!" Patrick viel aus allen Wolken. Er sah absolut keinen Grund darin, dieses anstrengende Nervenbündel bei sowas zu unterstützen. „Hör mal zu, Kleiner-" „FELIX!" „Was?" „Ich heiße FELIX" Angewidert wischte er sich die Spücketröpfchen, die er durch das Schreien seines Gegenübers abbekommen hatte, aus dem Gesicht. Ein letzter Versuch.

„Kannst du bitte einfach deine Jacke anziehen?"

„Nö", war Felix sture Antwort. Dann streckte er Patrick die Zunge raus.

Von da an war es mit seiner Beherrschtheit zu Ende: „Alter, jetzt zieh deine beschissene Jacke an oder such dir 'nen anderen Vollidioten, der das mitmacht, Junge, alter..."

„Dann frag ich eben Caro. Joooonge, alter!", äffte er unbeeindruckt den Größeren nach und rannte in das einzig offene Zimmer.

In plötzlicher Einsicht, dass er wegen dieser Aktion Ärger bekommen könnte, rannte er dem Jungen hinterher, stolperte durch die Tür und flog der Länge nach hin, weil er über eine Falte im Teppich gestolpert war.

Im roten Teppich.

Er war wieder draußen. Zum Glück.

Und was auch immer er dazu beigetragen hatte, um diesem Wort gerecht zu werden, an der Tür stand

Toleranz.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt