V I E R

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Mit seinem immer noch frisch angeknacksten Selbstbewusstsein machte er sich gemächlich auf die Suche nach Tür 4. Er hatte es diesmal absolut nicht mehr eilig. Wenn er auch hinter allen weiteren 20 Türen jedes Mal nur runtergemacht werden würde konnte er sich ruhig ein paar aufbauende Minuten dazwischen zugestehen. Aber es war eben schon frustrierend. Auch auf einen letzten tiefen Atemzug verzichtete er nicht, bevor er in den nächsten Raum trat.

Das bekannte Klacken der Tür hinter sich und dann stand er da.

In einem... Tonstudio?

Doch. Tatsächlich. Und wie er so den Raum durchwanderte und spielerisch auf ein paar der blinkenden Knöpfe rumdrückte, erschallte plötzlich eine unheimlich tiefe Stimme hinter ihm.

„Fass das bitte nicht an, das war teuer" Schnell drehte er sich um und blickte in die eisenblauen Augen eines etwa 1,80 Meter großen Typen, dessen Haare beinahe denselben Farbton wie seine Augen besaßen.

Der blauhaarige Vogel kam auf ihn zu und durchbohrte ihn mit seinem scharfen Blick. „Erreich erstmal das, was ich mir erarbeitet habe und dann darfst du wieder an den Knöpfchen rumspielen."

Und einmal mit ein paar belehrenden Worten angefangen, wollte er auch gar nicht mehr aufhören.

Der Typ schwärmte endlos von sich selbst, erklärte ihm, wie sehr er die Welt und ihre Gesellschaft verstanden hatte und dass er sich wünsche, alle würden diese Einsicht haben, zu der er gelangt war. Für Patrick war das einfach nur ziemlich abgehoben.

Veganer war er. Und darauf auch noch Stolz. Er hatte noch nie verstanden was am Veganer-sein so toll sein musste. Man sah aus wie der letzte Lauch und war immer der ungebetene Gast auf allen Partys, weil ja „immer überall Fleisch drin sein musste" und ob alle anderen denn nicht wüssten „was für Monster sie seien, weil sie arme kleine Tiere zum Sterben verdammten." Der Mensch aß seit tausenden von Jahren Fleisch, warum sollte ausgerechnet Patrick jetzt damit aufhören. Für ihn war diese Thema längst abgeschlossen.

Die Gesellschaft verachtete er. Mit ihrem endlosen Drang nach Konsum und Ausbeutung. Dem Verlangen nach Geld, dass keiner von ihnen Hinterfragen wollte. Über Geld hat er auch viel erzählt. Wie überbewertet es sei, und dass die Menschen viel besser ohne dran wären, wenn sie das doch nur erkennen würden. Überhaupt sei er es leid, dass jeder sich seine Persönlichkeit aus dem Zusammenbaute, was andere von ihm erwarteten und keiner sich mehr traute, einfach er selbst zu sein. Patrick kicherte kurz auf (obwohl er sowas sonst nie tat!) angesichts der Ironie, die er dadurch empfand. T, wie er sich selbst nannte, wollte ihm also etwas von –man selbst sein und sich nicht anpassen- erzählen, während er selbst mit bunt gefärbten Haaren durch die Weltgeschichte stolzierte. Man konnte Patrick sagen was man wollte, für ihn war das eine eindeutige Doppelmoral.

„Genau diese Arte von Unverständnis meine ich. Ich redete von „Sein, wer man sein will", nicht: „Sein wer man ist oder gezwungen wurde zu sein". Aber naja, hoffen wir mal, dass auch du das eines Tages begreifen und dahinterkommen wirst."

Warum konnten all diese Lappen hier seine Gedanken mitverfolgen? Ihm missfiel das von Grund auf.
In dem Moment betrat ein weiterer, diesmal weitestgehend normal aussehender Mann, den Raum und erklärte dem überdimensionalen Schlumpf, dass sie weitermachen wollten. Daraufhin forderte eben Angesprochener ihn freundlich, aber bestimmt, dazu auf, diese von Selbsthinterfragung ausgefüllten Räumlichkeiten doch bitte zu verlassen.

Diesmal hatte Patrick beim Austreten aus der Tür noch keine Idee, mit was für einem Wort dieses Erlebnis zusammenhängen könnte. Er selbst wüsste nicht, auf welche Weise er diesmal angegriffen, niedergemacht oder vorgeführt worden sein sollte.

Weil es heute schlichtweg nicht um ihn gegangen war. Ihm war nicht direkt gezeigt worden, was er falsch machte. Er hatte erfahren sollen, was andere Richtig machten.

Das Wort auf der Tür war

Stolz.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt