Es war ihm egal. Alles. Einfach alles. Was machte es auch noch für einen Unterschied? Ob er in der nächsten Tür nun niedergemacht oder hochgelobt wurde, es hatte ihn nicht zu kümmern. Denn im Endeffekt brachte es ihm doch eh nur eins. Dass er wieder einen Schritt näher an Tür 24 und damit seiner Freiheit war. Einen anderen Sinn sah er in all dem hier eh nicht mehr. Er hatte es verstanden, er war ein schlechter Mensch gewesen und das würde er ändern sobald er hier raus war. Aber dieses ganze System war ja nicht einmal logisch.
Er tat etwas falsch – er wurde gedemütigt. Er tat etwas richtig – dann wurde es erst willkürlich, dann war es ebenso möglich, dass er belohnt, bereichert wurde, oder aber: er wurde wieder, erneut niedergemacht. Dementsprechend war es –wie gesagt- egal, was er tat. Es gab nicht mal mehr irgendeinen Grund, sich überhaupt noch irgendwie anzustrengen. Warum sollte er sich bemühen zu anderen freundlich, zuvorkommend oder tolerant zu sein, wenn am Ende so oder so nur wieder auf ihn herabgesehen wurde. Wäre er jetzt gerade bei einer Psychologin hätte die ihn sicher in die Schublade des depressiven Jungen gesteckt. Aber selbst das wäre ihm egal. Die Gleichgültigkeit, die er gerade empfand, war mehr als beunruhigend.
Seine derzeitige Gefühlslage schien sich auch auf den kleinen braunhaarigen Jungen in Tür 17 auszuwirken. Diese herabziehende Aura schaffte es sogar dessen so unermüdlich wirkendes Lächeln verblassen zu lassen. Aber der Junge ihm gegenüber war offensichtlich ein guter Mensch und so dauerte es nicht lange, bis er nach dem Grund seines Befindens gefragt wurde. „Was ist los? Meinen Informationen nach müsstest du eigentlich direkt nach einem Erfolgserlebnis hier auftauchen. Vielleicht wurde es auch schon wieder umgestellt..." Er begann hektisch in seinem Rucksack nach irgendwelchen Papieren zu kramen.
Bevor Patrick aber noch mehr Büroklammern und zerknüllte Zettel ins Gesicht bekam, sprach er den Kleineren darauf an. Dabei spuckte er ein Stück des unappetitlichen Papieres aus, das er irgendwie sogar in den Mund bekommen hatte. „Nein, deine Informationen sind alle richtig." Selbst seine Stimme klang gelangweilt, schlimmer noch, gleichgültig.
Augenblicklich erkannte der Kleinere die nicht vorhandene Notwendigkeit einer Durchwühlung seiner Zettelwirtschaft und entschuldigte sich. „Sorry. Ich bin übrigens Alex. Freunde nennen mich Izzi." Patrick nickte ihm zu, als Zeichen, dass er diese einfache Entschuldigung angenommen hatte. „Aber erklär doch bitte mal: Wenn meine Informationen deiner Meinung nach alle richtig sind, warum bist du dann so drauf?" Alex hatte wirklich versucht seine Frage freundlich klingen zu lassen, scheiterte jedoch allein bei der Formulierung. Und dann erklärte Patrick ihm was er fühlte, wie er dachte, dass das alles hier doch einfach nur noch sinnlos war, denn Alex, oder Izzi, schien ziemlich genau eingeweiht zu sein, was hier Plan war und was nicht.
„Also... dann brech's doch einfach ab? Ich meine, wenn du überhaupt nicht mehr willst?" „Das ist möglich?!" Die Überraschung war ihm deutlich anzuhören. „Klar, ich kann das einrichten." In diesem Moment begann die Tür magisch zu leuchten und Patrick konnte sich durchaus denken, was das zu bedeuten hatte. Doch kurz bevor er sie öffnete, stockte er.
Sein bester Freund trat wieder vor sein inneres Auge, sein zweites Ich in der kalten verschneiten Seitengasse und Manuel, dem er... er wusste auch nicht warum Manuel dabei war, aber irgendetwas sagte ihm, dass die beiden miteinander noch nicht fertig waren. Irgendwas lag zwischen ihnen, worüber sie unbedingt noch abschließend würden reden müssen, irgendetwas, das zu Ende gebracht werden musste.
„Stopp!", die Tür verlor augenblicklich ihren Glanz, „Doch nicht! Nein! Ich bin noch nicht fertig, das ist nicht sinnlos, ich muss es abschließen, ich-" Doch zu seiner Erleichterung unterbrach Alex ihn: „Das freut mich. Weiße Entscheidung. Dann werde ich das so weitergeben. Wir wären dann hier auch durch. Ich wünsche dir noch viel Spaß und klär unbedingt mit Manu, was auch immer du zu klären hast. Richte ihm liebe Grüße von mir aus, ich habe ihn länger nicht gesehen." Ein letztes Lächeln und dann war Alex verschwunden. Woher-, wie? Er hatte kein Wort über Manuel verloren, das war unmöglich und – trotzdem wusste er es. Er hörte auf zu Hinterfragen. Er beschloss einfach zu akzeptieren, dass die meisten Leute hier auf irgendeine Weise allmächtig und zur Telepathie fähig waren.
Die Tür verriet ihm, dass Izzi-Alex sich wohl nicht ganz an seine Vorgaben gehalten hatte. Zu seiner gerade erfahrenen Erkenntnis passte Ermutigung nämlich nicht wirklich.
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#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen Türen
Fiksi PenggemarPatrick Meyer. Eine Person, die die meisten seiner Mitmenschen wohl als unausstehlich, arrogant und unfassbar abgehoben beschreiben würden. Ein Mensch, der alles andere als ein Vorzeigebeispiel für den angenehmen Zeitgenossen ist. Ein Charakter, de...