N E U N Z E H N

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Rückblickend musste er sich eingestehen, dass so langsam eigentlich fast alle Werte, die ihm selbst so einfallen würden, schon dran gewesen waren. Dementsprechend fragte er sich wirklich, was dieses Haus in den nächsten 6 Türen noch so aus dem Hut zaubern wollte.
Es warteten definitiv immer neue Überraschungen auf ihn. Hauptsächlich Überraschungen, die ihn verwirrten, aber langweilig war es hier wirklich noch nie geworden. Das war seine Feststellung am Rande, nachdem er durch die Tür getreten war und schon wieder diesen Zombie Typen erblickt hatte. Bisher waren Leute die er schon kannte nur dann noch einmal aufgetaucht, wenn er beim ersten Mal seine Aufgabe quasi ‚nicht vollständig erfüllt' hatte. Es war bei Kathleen so gewesen, bei Tim irgendwie auch und Manuel hatte ihn ja eh durch gefühlt jede zweite Tür begleitet. Apropos Manuel, der hatte schon länger nicht mehr vorbeigeschaut. Seit dem Weihnachtsmarkt-Ereignis in Tür 15 hatte er ihn nicht mehr gesehen. Nun ja, jedenfalls verstand er nicht, warum sein Experte für Würde schon wieder hier auf der Matte stand.
Er hatte diesmal keinen knallvioletten Anzug an, aber die Farbe Lila dominierte dennoch mit einigen Akzenten in seinem Outfit. Auch auf den albernen Hut hatte er diesmal verzichtet. Insgesamt wirkte er auf einmal viel realitätsnäher, normaler, als könnte er irgendein Junge auf seiner Schule sein...

„Michael?!" Er wusste nicht, welchem Teil seines Gehirns dieser Name jetzt entsprungen war, aber es war das erste Wort gewesen, das er unbewusst mit diesem Typen in Verbindung gebracht hatte. Dieser zuckte zusammen: „Du kennst mich?" Er hatte das Gefühl, als wäre der Zeitpunkt gekommen, dass auch er mal wieder etwas kess werden durfte. „Das solltest du doch am besten wissen, oder nicht?" Er drehte sich um und sah ihn an: „Achso doch, natürlich, es tut mir leid, es geht gerade alles ein wenig-" Mitten in seinem Satz brach er abrupt ab, als hätte er beinahe vergessen, dass er, was auch immer er vorgehabt hatte zu sagen, Patrick gegenüber unerwähnt lassen sollte. „Egal. Willst du wissen, was jetzt ansteht?" „Klar?", sein fragender Ton kam ganz einfach daher, dass er die Frage nicht wirklich für nötig hielt. Michael – er wusste mittlerweile sogar wieder, woher er diesen Namen kannte, es war eine der üblichen Partyabende gewesen, aber das war auch nur nebensächlich – wirkte jedenfalls unheimlich zerstreut. Und so kannte er die Leute hier nicht. Sie waren immer gefasst, unheimlich organisiert und darauf vorbereitet, wenn er bei ihnen reinschnitt.

„Ich hatte leider keine Zeit, das Ganze für dich etwas spannender zu gestalten, du musst wissen, irrelevant- auf jeden Fall kann ich es dir nur sehr grundlegend und vermutlich langweilig vermitteln."

Michael behielt recht. Alles, was Patrick in die Hand bekam, waren ein paar Notizen, die eilig an den Rand eines – es könnte ein Drehbuch oder Skript sein – gekritzelt worden waren. Wobei man anmerken musste, dass diese, umso aktueller sie waren, auch umso unlesbarer geworden waren. Er überflog die Zeilen viel mehr, als dass er sie vollständig las.

1. Respekt –Manuel -> Intro, Manu gibt Einführung

4. Stolz – Taddl –> hat gut angeschlagen, erste psych. Hinterfragung

7. Zukunft – Dado –> bisher am besten gefestigt; deutlicher Umschwung merklich

und dann dort, die 15 mit Kathleen

Sehr positiv aufgenommen; leichte Tendenzen zu AH; Nachfragen wg. Vers. M.

Verdammt! Warum hatte er ausgerechnet bei dieser Notiz so viele unverständliche Kürzel benutzen müssen. Michael hatte ihn ohne Bedenken die Notizen lesen lassen, hatte er vergessen, dass er die Kürzel nicht entziffern konnte? Oder... hatte er nicht gewollt, dass er diesen Teil der Anmerkung verstand?

„Ich bin durch. Kann ich dann schon gehen?" Das war gelogen, er hatte nicht wirklich gründlich gelesen und einiges übersprungen, aber lesen war unheimlich öde und dafür war ihm seine Zeit wirklich zu kostbar. „Klar, bis dann." Stirnrunzelnd drehte Patrick sich um, ob das eine Anspielung auf ein weiteres Treffen mit ihm - „Eins noch! Wann hast du Manu das letzte Mal gesehen?" Die Frage überrumpelte ihn ein wenig. „Ich glaube vor 3 oder 4 Türen. Warum?" Doch Michael gab ihm keine Antwort mehr, schien nur noch mehr in seine Gedanken versunken zu sein und so drehte Patrick sich um und verließ seinen zerstreuten Kumpanen, der das eh nicht mitzubekommen schien.

An der Tür stand Erfahrungen. Aber das passte schon wieder nicht wirklich. Irgendetwas stimmte hier eindeutig nicht.

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt