Z W A N Z I G

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„Dich kenn' ich doch! Klar, natürlich, du bist- " „Du musst mir wirklich nicht erklären, wer ich bin. Keine Sorge, das weiß ich selbst ganz gut. Ja, ich bin der Drogendealer Typ aus Tür 7, nein, ich habe keinen anderen Namen als Maudado, zumindest geht den das allgemeine Fußvolk nichts an und nein, eigentlich bin ich auch nicht für diese Tür zuständig, der eigentlich Verantwortliche ist nur leider ausgefallen und deswegen mach' ich die Vertretung. Wären damit alle deine Fragen beantwortet?"
Etwas befangen nickte er. „Na dann los, mir wurde gesagt, wir haben einiges vor uns."
Die beiden befanden sich diesmal wieder in dieser unnatürlichen –ich kann alles sehen und hören, aber nichts anfassen oder bewirken- Spähre. Kurz gesagt: Er fühlte sich wie ein Geist. Also ein Gespenst-Geist.

Und so spuckte er nun durch das Zimmer seiner kleinen Schwester. Das hätte er auch beinahe nicht erkannt. Der Grundriss war natürlich weiterhin der selbe, aber das war es dann auch schon mit seiner Vertrautheit zu diesem Raum. Kein Möbelstück, das er sah, war ihm bekannt, kein Poster sah aus, als hätte seine pink-Liebende Schwester es freiwillig aufgehängt. Schwarz war doch niemals eine Farbe die seiner Schwester gefallen könnte.

„Oh je, kennst du dieses Zimmer?" „Ja." „Und wem gehört es?" „Meiner Schwester" Seine Antworten waren knapp. „Mein Beileid. Das sieht nach der Teenie Hölle schlecht hin aus." Patrick schluckte. Auch wenn er es bisher verdrängt hatte, hatte Maudado eindeutig recht. Und das wurde durch das Geschrei auf der Treppe nur noch bestätigt. Jeden Moment würde seine eigentlich so süße, kleine Schwester in dieses grausame Zimmer gestürmt kommen und die Tür wutentbrannt hinter sich zuschlagen. „Du kannst mich mal!", lautes Geschrei und dann knallte die Tür. Wie er es vorhergesagt hatte. Der Anblick des Mädchens, der sich ihm nun aber bot, schockierte ihn trotzdem zutiefst. Er hatte versucht sich darauf einzustellen. Er hatte versucht sich auszumalen, wie sie aussehen würde, vielleicht etwas erwachsener, auf jeden Fall mit einem Touch Rebellion, das hatte ihr Gefluche auf der Treppe schnell deutlich gemacht und sicherlich auch mit einem neuen Kleidungsstil. Aber der Anblick dieser Emobraut, der ihm hier aufgezwungen wurde brachte ihn beinahe zu Tränen.
Die früher so hübschen dunkelblonden Haare waren pechschwarz mit ein paar grünen Strähnen gefärbt, Augen ebenso schwarz angemalt, viel zu viele Piercings zierten Ohren, Lippe und Augenbraue und am Schlimmsten: das viel zu knappe und viel zu dunkle Outfit, das sie trug. Im Vergleich zu Hose und Oberteil bedeckten ihre Arm-Stulpen-Überzieh-Teile wohl noch die meiste Haut.

„Was ist mit ihr passiert?", seine Stimme war brüchig, etwas, dass ihm noch nie passiert war. „Nachdem du die Schule abgebrochen hast und abgehauen bist war deine Schwester die einzige Hoffnung, die deinen Eltern geblieben war. Schulischer Druck, der gleiche Zuhause, viel zu hohe Erwartungen an sie und dann warst da ja auch immer noch du." „Was war mit mir?" „Du warst ihr Vorbild. Sie hat zu dir aufgesehen. Solange du noch der Sündenbock für eure Eltern warst hatte sie kein Problem. Deine Nerven sind stark genug um dem standzuhalten, aber sie? Sie ist empfindlich, verletzlich, unsicher. Aber das weißt du sicher alles bereits."

Er verstand nicht, was Maudado damit sagen wollte. Verletzlich passte ganz und gar nicht zu dem Image, das sie präsentierte. Und so grübelte er solange, bis sie ihre Nachttisch Schublade öffnete, eine kleine Dose rausholte und die Armteile auszog.

Nein. Nicht sie. Jeder, aber nicht sie! Die Reflektion auf dem glänzenden Metall, die ihm ins Auge stach, ließ ihn intuitiv handeln.

Er stürzte auf sie zu um sie davon abzuhalten, zu beschützen, doch da war er auch schon wieder aus dem Zimmer raus. Der Hass, den er spürte, der Hass, der so echt war, auf alles und jeden, dieses Haus, diese Tür und Maudado, all dieser Hass brachte ihm rein gar nichts. Hier konnte er eh nichts ausrichten. Konnte nur tatenlos zusehen, wie sich das Wort von allein auf die Tür schrieb.

Eines, das er von allen bisherigen am dringendsten verhindern musste.

Entwicklung. 

#Adventskalender2017 ~ Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt