1. Kapitel

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Als ich wieder aufwachte war mein erster Gedanke: Warum zum Teufel lebe ich noch? Ich lag zwischen zwei hohen Mauern aus Stein. Am Ende des Weges wurde es heller und ich rappelte mich auf und ging auf das Licht zu ( bekanntlich sollte man dies zwar nicht tun, aber was solls) Vielleicht war dies ein Zwischenschritt zwischen Tod und Leben? Falsch,  ich trat auf einen breiten Weg und sah mich um: Überall standen Häuser ganz nah aneinander, sie waren aus einem seltsamen Material gemacht und die Dächer waren auch nicht mehr aus Stroh. Etwas weiter weg konnte ich einen riesigen Steinblock erkennen. Er war dunkelgrau und reflektierte das Sonnenlicht, dass durch die Wolken drang. Bei mir im Dorf hatte es solch riesige Steinblöcke nicht gegeben. Langsam überquerte ich den breiten Weg um näher an den Steinblock heranzukommen. Plötzlich ertönte ein schrilles Geräusch und eine seltsame Kreatur kam von rechts auf mich zu. Es hatte eine schöne Färbung-leicht Silber leuchtend- und bewegte sich auf vier Rädern auf mich zu. Schnell rannte ich los um mich in Sicherheit zu bringen und schaffte es ganz knapp zu entkommen.  Wo verdammt nochmal war ich? Es musste ein gefährlicher Ort sein wenn es hier so schreckliche Wesen gab. Die Menschen um mich herum beachteten den Zwischenfall nicht weiter.  Nur ab und zu starrte ein anderes Mädchen auf mein schwarzes Kleid. Aber ich beobachtete sie gleichermaßen.  Einige hatten doch tatsächlich Hosen an! So etwas gehörte sich nun wirklich nicht. Als ich nochmal den Steinblock anschaute sah ich plötzlich eine schwache Bewegung an einer der reflektierenden Stellen. Sollte ich es wagen? Ach, es würde schon niemand bemerken. Also ließ ich die Hexenflammen kommen und wurde zu einer Ombré. Ja gut es veränderte sich nicht viel, nur in meinen Augen loderten nun die Flammen-sie brannten. Dadurch konnte ich besser sehen und erkennen was hinter der Reflektion war. Dort liefen Menschen herum! Anscheinend lebten sie in diesem Stein. Wenn ich jetzt noch mein Hörvermögen verbessern würde könnte ich auch noch hören was sie dort drinnen redeten. Aber eigentlich interresierte mich das nicht so. Mich interessierte eher wo ich war und ob wir noch denselben Tag hatten wie bei meiner Verbrennung. Also ging ich auf ein junges Mädchen zu, dass Hosen trug. Ich hatte es bei mir im Dorf nie riskiert, da man als Strafe zwei Peitschenschläge bekam. Evanna hatte es einmal getan und musste danach mit einer Narbe mitten im Gesicht durchs Dorf laufen. Na ja gut. Sie würde ich vermutlich nie wieder sehen wenn mein Verdacht sich bestätigte. "Entschuldigung, können sie mir vielleicht sagen wo ich bin und welches Datum wir heute haben?" "Ehm. Erstmal ich bin fünfzehn. Wir können uns also dutzen. Und das ist die seltsamste Frage die man mir je gestellt hat. Ich meine das Datum. Ok das kann man ja mal vergessen. Aber wo man ist?! Vor allen wenn man hier ist..." Sie redete anscheinend gerne. Sehr gerne. "Ja und wo sind wir denn jetzt?!", unterbrach ich sie genervt.   "Sei doch nicht direkt so angepisst. Du fragst mich doch hier diesen Mist. Aber gut wir sind hier in Miami und es ist der 19. Mai 2023. Zufrieden?" "Ja danke", antwortete ich knapp. Sie war genervt und ich wollte weg hier. Also das Gespräch möglichst schnell beenden. Scheiße. Wenn das Datum stimmte war ich jetzt 450 Jahre in der Zukunft.  Ich hatte es geahnt. Nur wie war ich bloß hierhin gekommen. Und wo bitte lag Miami? Soweit ich wusste gab es diese Stadt in meiner Zeit noch nicht. Es erklärte auch warum Mädchen Hosen trugen und diese riesigen Steinblöcke.  Wer hatte mich hierhin gebracht? Er oder sie hatte mich vermutlich gerettet aber, ich hatte nun nichts mehr. Da traf mich eine Erkenntnis, die mich alles andere vergessen ließ: Eva. In dieser Zeit war Eva tot und ich würde sie nie wieder sehen. Überhaupt. Niemanden den ich kannte würde ich wiedersehen. Ich war ganz auf mich allein gestellt und hatte niemanden der sich irgendwie um mich kümmern konnte. Verzweifelt schaute ich mich um. Die Menschen sahen alle nicht besonders großzügig aus. Niemand würde mich umsonst aufnehmen und ich hatte kein Geld. Es gab entweder Menschen, die ziemlich freizügig gekleidet waren, mit sehr kurzen Hosen und ärmellosen Oberteilen oder es gab Menschen,  die schwarze Anzüge trugen. Diese waren dann meistens männlich. Während ich die Menschenmassen um mich herum musterte, begann mein Sichtfeld plötzlich kleiner zu werden und die Ränder flimmerten leicht. Was war das? Auf einen schlag wurde alles schwarz und ich dachte nur: Och ne. Ich hab warscheinlich geträumt und jetzt muss ich doch sterben. Aber dann fiel mir ein, dass es sehr seltsan wäre wenn ich mir dieses Zeug hier alles ausgedacht hätte. Auch von Miami hatte ich ja noch nie etwas gehört.  Dann konnte ich nicht mehr bewusst denken, da mir etwas anderes gezeigt wurde. Ich stand vor einem Haus. Es war nicht so wie unseres zu Hause, aber nach Miami schien es besser zu passen. Hinten im Garten gab es ein großes Wasserbecken und überall standen Bäume, auch wenn der Garten mit Steinen ausgelegt war. Wer hatte sich bloß die Mühe gemacht die alle so ordentlich nebeneinander "einzubuddeln"? Im Haus selbst standen zwei Menschen, die mir vertraut vorkamen, auch wenn ich sie noch nie gesehen hatte. Dann endete dieses unbewusste Denken plötzlich und ich saß auf einer Straße in Miami. Nun an ein Weißes Haus gelehnt. Jedoch mit einem kleinen Unterschied: Ich hatte ein Ziel und würde diese beiden Menschen besuchen. Egal wer sie waren. Komischerweise wusste ich genau wo ich hin musste und bog an der nächsten Ecke links ab. Es war eine Straße, spuckte mein Gehirn plötzlich aus. Ich runzelte meine Stirn. Wo kam dieser Begriff denn jetzt plötzlich wieder her? Egal. Nachdem ich fünf Straßen überquert hatte kam ich zu einer großen Waldfläche. Mein Gehirn sagte mir das ich es durchqueren musste und ich tat es, obwohl ich ein mulmiges Gefühl dabei hatte. Ich wusste nicht, ob es in dieser Zeit genauso war, aber zu Hause gab es in Wäldern immer ziemlich viele Räuber und Verbrecher.  Obwohl diese bestimmt auch nicht so dreist waren und am helllichten Tag angriffen. Bei mir gab es ja auch nichts zu holen. Manchmal begegntete ich anderen Menschen, die ohne Angst hierher zu gehen schienen. Vermutlich gab es hier Ritter oder so die alles bewachten.

Das Haus lag vor mir und in echt war es noch viel schöner.  Sollte ich jemals in meine Zeit zurück kommen würde ich den Handwerkern diesen Baustil mal vorstellen. Langsam bewegte ich mich die Treppen hoch und stand vor einem Problem. Wie machte man sich hier bemerkbar? Einen Türklopfer gab es nicht. Nur so eine seltsame Leiste mit einem Knopf. Schaden konnte es ja nicht und ich drückte darauf. Im Inneren des Hauses hörte ich einen schrillen Ton und wusste es hatte funktioniert.  Sofort stürmte jemand auf die Tür zu und eine Frau riss sie auf. Kurz konnte ich sie mustern- sie hatte braune lockige Haare und blaue Augen,genau wie ich- dann wurde ich in eine herzliche Umarmung gezogen.  "Schatz wo warst du denn bloß?", flüsterte die Frau an meiner Schulter.  Auch ein Mann erschien jetzt im Türrahmen und starrte mich erleichtert an. Ich war verwirrt. Wer zum Teufel waren diese Leute? (Ich sollte wirklich aufhören diese Ausdrücke zu benutzen. Sicher waren sie schuld, dass ich verbrannt worden war. Obwohl....Nein eher meine Fähigkeiten waren Schuld daran) "Evelynn", murmelte der Mann jetzt und verwirrte mich damit vollkommen. Wer bitte war Evelynn? Langsam löste ich mich aus der Umarmung der Frau und schaute die beiden an. Die Frau bemerkte, dass etwas nicht in Ordnung war, doch der Mann plapperte einfach drauf los. "Oh Ethan wird sich ja so freuen das du wieder da bist.  Er hat dich vermisst. Oh wo bist du bloß gewesen? Nicht mehr lang und wir hätten die Polizei eingeschaltet..." Hier unterbrach ich ihn. "Wer zum Teufel seid ihr?" Ich entschloss mich sie zu dutzen, da sie mich nicht als fremd anzusehen schienen. Wer war Ethan den jetzt schon wieder? Sie schienen sich alle an mich zu erinnern, mich vermisst zu haben und nun glücklich zu sein. Ich bekam jedoch langsam Angst. Riesengroße Angst. Der Frau stand nun schieres Entsetzen ins Gesicht geschrieben, doch der Mann lachte nun auf: "Hör auf uns reinzulegen. Wir sind deine Eltern. Darauf fallen wir nicht mehr rein. Nicht nach so vielen Jahren." Am Ende hatte ich ihm nicht mehr zugehöhrt. Meine Gedanken kreisten um zwei Wörter.

Deine Eltern

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