12. Kapitel

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Der Tag lief wie ein Film an mir vorbei und ich nahm alles wie durch einen Nebelschleier wahr.

Die Nacht hindurch weinte ich, diesmal aber nicht wegen den Alpträumen.

Und am Morgen war es nicht besser.

Ich versuchte Ethan aus dem Weg zu gehen, was mir hervorragend gelang indem ich einfach mithilfe meiner Ombré Fähigkeiten in den Schatten verschwand.  Ich hatte mich am Morgen niemandem gezeigt und war einfach zur Bushaltestelle verschwunden. Heute hatte ich mir noch nicht mal die Mühe gemacht meine Augenringe zu überschminken. Sollten doch alle sehen wie schlecht es mir ging. Und Riley sollte es erst recht sehen. Als ein Auto am Straßenrand hielt, blickte ich hoffnungsvoll auf, doch natürlich war es nicht Riley. Mit gesenktem Blick stieg ich dann schließlich in den Bus ein und setze mich auf den erstbesten, freien Platz. Dann erst sah ich mich genauer im Bus um. Es war recht voll und die Meisten kannte ich. Einige schauten neugierig zu mir, einige, von denen ich wusste, dass sie Ethans Freunde waren, starrten mich feindselig an. Was hatte er ihnen denn  jetzt über mich erzählt? Die ganze Zeit über jedoch spürte ich einen Blick auf mir und als ich ihn dann kreuzte atmete ich keuchend ein. Scarlett war wieder im Bus. Anscheinend hatte ihre Mutter nun keine Lust mehr sie zu fahren. Seit unserem Streit hatte ich sie hier kein einziges Mal gesehen. Schnell senkte ich meinen Blick, nachdem mir klar wurde, dass sie es nicht tun würde, obwohl ich sie ja eigentlich beim Starren erwischt hatte.

Die ganze Fahrt über spürte ich ihren Blick im Nacken und versuchte verzweifelt mich zu überzeugen,dass ich nach vorne gucken musste. Ich war so verzweifelt und konzentriert, dass ich die Haltestelle verpasst hätte, wenn einer von Ethans Kumpels mich nicht angerempelt hätte. Erschrocken sah ich mich um und kapierte, dass ich jetzt aufstehen sollte um auszusteigen.

Der Parkplatz der Schule, welcher der Oberstufe gleichzeitig als Pausenhof diente, war überfüllt. Nur gut, dass ich kein Auto hatte. Okay, ich konnte sowieso nicht fahren, es wäre also egal gewesen. Langsam überquerte ich den Parkplatz und stieg die Stufen des Schulgebäudes hinauf. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Mittlerweile war es zum Reflex geworden und ich starrte sofort nach links. Was meine Aufmerksamkeit erregt hatte, war diesmal keiner von diesen Typen sondern mein Bruder. Und plötzlich kochte meine Wut und Trauer und Verzweiflung einfach über. Ganz von meiner Wut gelenkt stürmte ich auf ihn zu, und hatte meine Kraft unterschätzt. Ich prallte gegen ihn und drückte ihn so gegen die Wand des Schulgebäudes. "Was hast du ihnen über mich erzählt? Warum starren deine Freunde mich so an? SAG ES MIR!", hysterisch hatte ich zu schreien begonnen. "Ach, ich hab ihnen nur erzählt wie du dich nachts in den Schlaf heulst und kreischend wieder aufwachst. War das falsch?" Oh, dieser Idiot. "DU MIESES KLEINES....", weiter kam ich nicht, dann wurde ich von meinem Bruder weggezerrt. Einen Arm fest um mich geschlungen, da ich wie wild um mich trat und eine auf meinen Mund gepresst um mich am Schreien zu hindern stand Riley hinter mir. Als er seine Hand kurz wegnahm um meine Reaktion zu testen, fauchte ich sofort los:  "Lass mich los. Oder willst du mich auch noch runtermachen? Du hälst mich doch sowieso schon für instabil und krank!"  "Und du kannst dir gar nicht vorstellen wieso?", wisperte Riley mir energisch ins Ohr, gab mich dann jedoch frei. Sofort, und weil ich einfach nicht mehr anders konnte, rannte ich auf meinen Bruder zu und klatschte ihm eine. Wenn ich keinen Streit mit ihr hätte und wenn Scarlett sich nicht so mies mir gegenüber verhalten hätte, dann könnte ich jetzt vermutlich verstehen, warum sie Ethan damals (Okay, so lange war das noch nicht her) eine geklatscht hatte. Es tat einfach verdammt gut. Ethan hatte die Hand auf seine Wange gelegt und blickte mich ausdruckslos an. Für mich war das schlimmer als wenn er mich angeschrien hätte, also zwang ich mich zu einem triumphierenden  Grinsen und drehte mich wieder in Richtung Schule. Riley ignorierte ich einfach. 

Nachmittags in der AG wurde uns eine neue Lehrerin vorgestellt, die sich spezifisch auf die AG konzentrieren sollte. Sie teilte uns auch mit, dass sie diese "sehr sinnvolle und pädagogisch wertvolle Arbeitsgemeinschaft" auch nach der Ankunft der Garde in zwei Wochen weiterführen wollte. Es würde dann wohl irgendwo in einem armen Land eine Partnerschule gesucht. Meiner Meinung nach hätten wir uns erstmal um die Obdachlosen in Miami kümmern können, aber sie war ja die Lehrerin. Nach einem kleinen Vortrag über die Wichtigkeit der Hilfe für die Armen fügte sie dann noch einen Satz hinzu, der mir Sorgen bereitete: "Wer hier nur wegen der Schweizer Garde  ist und vorhat diese AG danach aufzuhören, der wird jetzt auf der Stelle dieses Klassenzimmer verlassen." In meinen Ohren klang es eher nach einer Drohung, so als ob sie jeden umbringen würde, der es auch nur wagte jetzt einen Schritt zu tun. Keiner regte sich. "Gut, dann kommt jetzt mit nach draußen. Wir müssen die Tische für die Feier umlagern."

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