20. Kapitel

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Taylor trainierte mich ziemlich gut. Ich verbesserte mich schnell in der halben Stunde, die wir trainierten, aber er hatte immer wieder etwas an meiner Technik oder Stärke auszusetzen. Mal waren meine Arme zu weit oben, dann war der Winkel zu klein. Das Training war jedoch etwas zu kurz, denn man erwartete Taylor auf dem Trainingsplatz, wo er sich nicht abgemeldet hatte. Gleich würde er sicher Ärger bekommen. Wir redeten nicht viel, er erklärte mir nur sachlich, wie ich es besser machen konnte. Dann jedoch musste ich gehen, da er langsam Angst bekam, aus der Schweizer Garde ausgeschlossen zu werden. Denn wie sich herausstellte, kam er ziemlich oft zu spät. Ich verstand ihn; wenn ich das Privileg gehabt hätte dort mitzuwirken, ich würde nicht das geringste Risiko eingehen. "Wie heißt du eigentlich?", fragte er, als er mich zur Tür brachte. "Evelynn. Danke für deine Hilfe." "Das hab ich doch gerne gemacht Evelynn. Willst du morgen wiederkommen? Ich habe den ganzen Nachmittag frei." Ich überlegte kurz: "Ja klar. Ich denke das geht. Wo sollen wir uns treffen?" Er zeigte auf die dritte Säule der rechten Seite: "Warte da auf mich. Komm am besten direkt nach der Schule." Ich nickte, wandte mich von ihm ab und ging. Als ich mich noch einmal umdrehte, war Taylor schon verschwunden.

"Wo warst du?", meine Mom hatte mich zu Hause schon erwartet, was aüßerst ungewöhnlich war. "Du weißt, dass wir in vier Tagen nach Alaska fliegen, oder?" So wie sie mich ansah, wusste sie ganz genau, dass ich es vergessen hatte. Ich wollte da nicht hin. Mir ging es doch schon besser, obwohl die Träume immernoch genauso schlimm waren. Außerdem wollte ich hier nicht weg. Ich musste trainieren und Scarlett wollte ich auch nicht allein lassen. Wir hatten uns doch gerade erst wieder vertragen. "Mom. Mir geht es doch schon besser. Ich muss da nicht mehr hin und ich will es auch nicht. Außerdem will ich den Schulstoff nicht verpassen." "Schatz. Der Flug ist schon gebucht und das wäre eine ziemliche Geldverschwendung wenn wir den stonieren. Außerdem weiß ich, dass es dir völlig egal ist, wie viel du in der Schule verpasst. Also was ist dein Problem?" Was sollte ich jetzt sagen? Ich muss weiter Kampfkunst trainieren? Lieber nicht. Vielleicht war dieser Urlaub in Alaska ja auch die Gelegenheit um mich mit Ethan auszusprechen. Immerhin würden wir 24 Stunden am Tag zusammen verbringen. Mom schien meine Gedanken lesen zu können, denn ihre Stirn glättete sich und sie sah mich hoffnungsvoll an. "Also kommst du mit?" Ich versuchte möglichst mürrisch zu antworten: "Muss ich ja wohl." Sie nickte zustimmend und ich wusste, dass ich diese Diskusion eindeutig verloren hatte.

Als ich meine Zimmertür hinter mir schloss, sah ich als erstes den riesigen pinken Koffer in meinem Zimmer stehen. Er roch stark nach Plastik und verteilte den Geruch in meinem Zimmer. Schnell schob ich mein Fenster auf um etwas frische Luft zu bekommen. Von diesem Geruch wurde mir immer schlecht, vermutlich lag das daran, dass ich den Gestank nicht gewohnt war. Die anderen kannten ihn schon von klein auf, doch in Huntsville gab es diesen Stoff ja noch nicht. Mein Telefon klingelte und riss mich aus meinen Überlegungen heraus. "Ja", meldete ich mich zu Wort. "Evelynn, wir wollten shoppen gehen. Schon vergessen?" "Ehrlich gesagt ja. Tut mir leid, aber wir fliegen doch in vier Tagen nach Alaska." "Ein Grund mehr um shoppen zu gehen. Du brauchst neue Klamotten, du musst gut aussehen." Ich verdrehte die Augen. "Wozu muss ich gut aussehen? Ich kenn da doch eh keinen! Bitte komm doch zu mir. Dann können wir entscheiden, was ich einpacken muss." Ich spürte, dass sie genervt war: "Okay. Wenn du meinst. Ich bin in einer Viertelstunde da."

Gemeinsam schafften wir es, den gesamten Koffer mit Klamotten, Nagellack und Schminke (die ich größtenteils ganz sicher nicht benutzen würde) vollzupacken. Das Buch, das ich gerade las musste ins Handgepäck, so voll war dieser elende Koffer. Und das nur, weil Scarlett meinte, man bräuchte für jede Angelegenheit mindestens drei Outfits als Auswahl. Dann musste ich ihr auch noch jedes zweite Outfit vorführen, weil sie es noch nicht an mir gesehen hatte. Natürlich packten wir in erster Linie warme Kleidungsstücke ein, aber auch ein paar Tops und Kleider. Sie sagte, sie würde mich jetzt schon vermissen, aber sie hatte es ja schon viel länger ohne mich ausgehalten.

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