11. Kapitel

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Der nächste Morgen war hart. Nicht etwa, weil ich versuchen musste Riley aus dem Weg zu gehen oder weil mich alle ignorierten. Nein, ich stritt mich morgens mit Ethan, weil er wieder mit mir redete. Ohne zu streiten konnten wir gar nicht mehr reden. Nun verhielten wir uns wirklich wie ganz normale Geschwister. Ich hatte ihn einfach gefragt, ob er mir mal die Milch geben könne, da wurde er schon wütend und motzte mich an. "Hol sie dir doch selbst oder bist du neuerdings schon zu faul um aufzustehen." "Jetzt hör auf mich so anzumeckern, ich habe nur höflich gefragt und du stehst gerade neben dem Kühlschrank. Übrigens wo wir gerade schon bei Höflichkeit sind, was sollte das gestern?" "Guck und schon meckerst du wieder. Hab dich halt nicht gesehen. Irgendein Problem damit?" Mein Bruder machte mich so furchtbar wütend, dass ich aus der Haustür raste und zur Bushaltestelle gehen wollte. Dann fiel mir dummerweise auf, dass ich noch meinen Schlafanzug trug und musste wieder zurück gehen. Ethan versuchte mich wütend anzustarren, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Idiot! Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen stapfte ich die Treppe hoch und zog mich um. Ein Glück, dass mich niemand gesehen hatte,wäre wirklich peinlich gewesen wenn. Missmutig stapfte ich zur Bushaltestelle. Zum Glück war heute besseres Wetter und ich war wenigstens nicht pitschnass. Zwar stahlen sich ein paar Tränen in meine Augen, aber ich konnte alle schnell wegwischen. Endlich kam der Bus, doch kurz bevor ich einsteigen wollte, machte sich hinter mir jemand bemerkbar. Es war Riley und er hatte gehupt, weil er mich mitnehmen wollte. Kurz zögerte ich, dann tat ich jedoch so, als hätte ich ihn nicht erkannt und stieg in den Bus. Es war noch ein Platz weiter hinten frei und ich setzte mich dorthin. Heute waren wieder viel mehr Mitschüler gezwungen worden mit dem Bus zu fahren. Der Busfahrer hatte endlich alle Karten kontrolliert oder eben Geld kassiert und fuhr los. Vorsichtig wagte ich einen Blick aus dem Fenster. Riley stand dort immernoch und guckte fassungslos zum Bus. Es war unpassend, aber ich lachte trotzdem kurz auf. So blöd hatte ich ihn noch nie gucken gesehen. Danach wurde ich aber wieder ernst. Fast tat es weh ihn so zu sehen, fassungslos, warum auch immer. Ich war ja schließlich der Grund für seine Fassungslosigkeit.

Viel zu schnell, so kam es mir vor, fuhr der Bus zur Schule. Rileys Auto stand schon auf dem Parkplatz. Er stand davor und wartete vermutlich auf mich. So früh würde hier wohl keiner von den schwarzen Umhängen reinkommen oder? Zumal es gerade ziemlich verstärkte Sicherheitsvorkehrungen gab. Also ging ich zu ihm und begrüßte ihn. "Was war das denn eben?",fragte er ohne Umschweife, "Ich wollte nett sein dich abholen. Als ich bei dir zu Hause klingle macht dein Bruder auf, der sagt du seiest schon weg und wolltest mich nicht sehen. Dann fahre ich zur Bushaltestelle um dich abzufangen und du lässt mich einfach stehen?!" "Also erstmal, das was Ethan da gesagt hat stimmt nicht. Er ist nur im Moment nicht gut auf mich zu sprechen und will mir eine reinwürgen. Also deswegen brauchst du dich nicht aufzuregen und an der Bushaltestelle habe ich dich nicht erkannt." Meine Stimme klang erstaunlich ruhig, dafür, dass mein Herz wie wild klopfte. Riley würde sicher merken, dass ich nicht die Wahrheit sagte. Doch auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und er wollte mich an sich ziehen. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung, etwas Schwarzes huschte um die Ecke. Schnell löste ich mich von Riley, lächelte ihn entschuldigend an und verschwand im Schulgebäude. Als ich mich nochmal umsah wirkte er nicht sauer, nur reichlich verwirrt.

Ich hatte zum Glück keine Fächer mit ihm zusammen und es gelang mir ganz gut, ihn zu ignorieren. In Spanisch saß ich neben Scarlett und sie warf mir immer wieder reichlich wütende Blicke zu. Würde sie jemals wieder mit mir reden? Anscheinend hatte sie das nicht vor, denn als wir ein Arbeitsblatt bekamen und ich vergaß den großen Stapel weiterzugeben, fragte sie Chloe, die eine Reihe vor uns saß, ob sie wüsste, wer die Arbeitsblätter habe. Irgendwie war dieses Verhalten ja albern und kindisch, aber die Arbeitsblätter gab ich dann trotzdem weiter.

Wieder einmal zog sich der Tag in die Länge und nachdem die eigentliche Schule zu Ende war, musste ich ja auch noch in die AG. Völlig geschafft kam ich Abends nach Hause und versuchte in mein Zimmer zu kommen ohne das jemand Notiz von mir nahm. Klappte ganz gut, bis ich leise die Tür hinter mir schloss, mich umdrehte und-meine Mutter auf meinem Bett sitzen sah. Was wollte die denn jetzt? "Ich muss mit dir reden.", ja soviel hatte ich mir jetzt auch schon selbst gedacht,  "Dein Dad und ich haben beschlossen einen Familienurlaub zu machen. In Alaska.Genauer gesagt in Juneau" Sie sah mich an. Kälter ging ja gar nicht mehr oder? Aber immerhin, ich würde hier raus kommen. Weg von meinen Problemen. "Wann?", fragte ich dann, obwohl das eigentlich nicht das war, was mich interessierte. Eigentlich dachte ich mehr über das Warum nach. "Also wir würden in sechs Wochen fliegen." Völlig fassungslos starrte ich sie jetzt an. "Da ist noch Schule. Schon vergessen?" "Nein, Evelynn das ist mir klar", oh, Mist, wenn Mom anfing meinen Namen auszusprechen wurde es wirklich ernst. (Normalerweise sagte sie Schatz, genau wie Dad.) Sie fuhr fort: " Außerdem liegen die letzten zwei Wochen des Urlaubs in den Sommerferien. Die restliche Zeit ist kein Problem.  Eigentlich haben wir schon alles geklärt.  Es war nämlich die Idee deines Direktors. Er meinte du würdest auf ihn in letzter Zeit ziemlich labil wirken und es wäre seine pädagogische Pflicht sich um dein Wohlergehen zu kümmern. Und wir haben ihm zugestimmt, denn du wirkst wirklich nicht gesund. Hoffentlich hältst du die sechs Wochen durch.  Dein Bruder hat sich übrigens furchtbar aufgeregt.  Warscheinlich lag das aber weniger an der Tatsache, das ihr euch gestritten habt und er nichts für dich tun wollte. Er war, glaube ich sowieso wütend auf mich weil ich ihm gesagt habe, du bräuchtest ihn im Moment mehr denn je und egal was du gemacht hättest, er solle sich wieder mit dir vertragen." Na ganz toll.  Jetzt würde er ewig wütend auf mich sein. Erschöpft komplimentierte ich meine Mutter nach draußen und legte mich auf mein Bett. Es war ein anstrengender Tag gewesen und obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte, schlief ich ein.

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