31. Kapitel

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*Erstes und vorerst auch einziges Kapitel aus Taylors Sicht*

"Verdammter Mist!" Mit jedem Schlag ließ ich ein bisschen meiner Wut an den Boxsack ab. Seit wir wieder zurückgekommen waren ging es mir ziemlich mies. Ich vermisste sie einfach. Sie hatte sich gar nicht bei mir gemeldet. Wahrscheinlich war sie geschockt gewesen und hasste mich jetzt. Sie hatte ja schließlich ihren ach so tollen Riley. Oh ja, ich war zerfressen vor Eifersucht auf diesen Typen und konnte ihn auf den Tod nicht ausstehen. Er hatte ein so wunderbares Mädchen wie Evelynn gar nicht verdient. Noch ein heftiger Tritt gegen den Boxsack. "Meinst du nicht du hast den armen Karl-Heinz hier schon genug gequält?" Mein bester Freund Luciano  meldete sich zu Wort. Seltsamerweise gab er allen Kampfgeräten Namen, vorzugsweise deutsche Namen. Er hatte einen Narren an allem gefressen, was typisch deutsch war. Meines Wissens hatte er sich sogar Lederhosen gekauft. "Ja, vermutlich hast du Recht. Ich geh mal ein bisschen spazieren." "Alter, du bist echt durch den Wind. Ich hab dich das noch nie sagen hören. Meiner Meinung nach solltest du dieses Mädchen vergessen. Oder hat sie sich bei dir gemeldet?" Er hatte mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. "Nein, hat sie nicht. Ciao. Ich komme heute Abend pünktlich wieder." Luciano war auch bei der Schweizer Garde und im Laufe des letzten Jahres waren wir gute Freunde geworden. Er hatte mich schon ziemlich oft gedeckt wenn ich zu spät gekommen war -eine ziemlich schlechte Angewohnheit von mir. Bei Lynn hatte ich mich ziemlich bemüht pünktlich zu kommen. Und da waren wir wieder beim leidigen Thema. Evelynn Donelly. Was tat sie im Moment? Hatte sie mich schon vergessen? Ging es ihr überhaupt gut? Immerhin war sie ziemlich heftig verfolgt worden von dieser Sekte. Meiner Meinung nach unterschätzte Lynn das Ganze ein bisschen, aber solange ich sie hatte beschützen können war alles gut gewesen. Dieser Tag der Abreise war so schwer gewesen. Ich wollte schon gar nicht aufstehen, war dann aber von Luciano aus dem Bett geschmissen worden. Anschließend hatte ich beschlossen ihr einen Brief zu schreiben. Ich hatte gedacht, dass so die Möglichkeit größer war, dass sie sich noch in einem Jahr an mich erinnerte. Natürlich hatte ich es nicht gewollt, aber mir waren zum ersten Mal seit Jahren die Tränen gekommen. Als ein paar von ihnen aufs Blatt getropft waren hätte ich es fast neu geschrieben, beschloss dann aber dass es egal war.

Beim Spazieren begegneten mir immer wieder Menschen, denn der Vatikan war ja bekanntermaßen ein beliebtes Ziel. Mein ganz persönliches Ziel jedoch lag ganz woanders, ich wollte in die kleine Kapelle, die nur für das Dienstpersonal war. Dort war so gut wie nie etwas los, doch ich fand es ganz schön dort in einer Bank zu sitzen und nachzudenken. Was sollte ich also tun? Ich wollte unbedingt zu ihr, konnte aber meine Familie nicht enttäuschen. Sie hatten so viel Geld in meine Ausbildung investiert und waren so stolz auf mich. Ich war quasi der Star der Familie Diavelli. Meine Schwester war allerdings nicht so begeistert gewesen. Sie war 23 und wollte ihren kleinen Bruder, den sie früher so gerne geärgert hatte, nicht in Gefahr wissen. Bis zum Ende hatte sie versucht unsere Eltern vom Gegenteil zu überzeugen, aber sie hatten sich von nichts abbringen lassen. Nun hatte ich ewig nicht mehr mit ihr gesprochen und nahm mir im selben Moment vor sie bald mal zu besuchen. Die gesamte Familie Diavelli hatte es nicht so gut gefunden, dass ich zu dieser Fortbildung nach Miami gegangen war. Aber im Nachhinein hatte es sich nicht als Fehlentscheidung herausgestellt. Sonst hätte ich sie schließlich nicht kennengelernt. Ich war ziemlich wütend und geschockt gewesen, dass sie tatsächlich einfach so in dieses angeblich gut gesicherte Gebäude gekommen war. Doch meine Wut war schnell verpufft, als ich ihr verstörtes und angestrengtes Gesicht gesehen hatte. Sie hatte gerade etwas Furchtbares erlebt, wollte es mir aber offensichtlich nicht sagen. Ich hatte ihre Geschichte über das Mobbing keine eine Sekunde lang geglaubt, dafür war sie einfach zu hübsch. Auch damals im ersten Moment fand ich schon, dass sie gut aussah mit ihren braunen Haaren und ihren haselnussbraunen Augen. Sie trug komplett bunt zusammengewürfelte Klamotten und lächelte mich zaghaft an, egal wie schlecht es ihr ging. Mein Herz war ganz weich geworden und ich hatte sofort beschlossen, dass ich dieses Mädchen wiedersehen wollte. Als sie mir dann erzählt hatte, dass sie einen Freund hatte, hatte mich etwas durchzuckt und ich hatte erst später kapiert, dass ich eifersüchtig gewesen war. Als sie in den Urlaub gefahren war, hatte ich jeden Tag auf mein Handy geguckt und auf eine Nachricht von ihr gewartet.

Was sollte ich tun? Bei der Garde kündigen? Mir was anderes in Miami suchen? Bestimmt würde mich irgendein Drogendealer schon anheuern. Das Problem war nur, dass dies nicht meine Einstellung war. Niemals im Leben würde ich etwas Illegales tun, was über kleinere Diebstähle hinausging. Wenn es um Lynn ginge, wüsste ich allerdings nicht, was ich alles tun würde. Andererseits, könnte ich auch um Urlaub bitten und erstmal zu meiner Familie fliegen. In meinem Kopf verknoteten sich immer mehr Gedankenstränge, solange, bis ich fast keinen einzelnen Gedanken mehr fassen konnte. Ich musste an die frische Luft und zwar sofort. Sofort wurden meine Gedanken klarer und mir kam ein neuer Gedanke. Was, wenn sie mich gar nicht bei sich haben sollte. Sie war ja jetzt schon mit Riley zusammen, warum sollte sich daran etwas ändern? Sie hatte glücklich mit ihm ausgesehen und das war ja im Grunde das, was ich wollte. Es war hoffnungslos, denn alle Argumente, die mir einfielen führten in eine Richtung. Nur sagte mein Herz mir etwas anderes. Im Grunde war ich zwar ein Mensch, der oft auf sein Herz hörte, dem aber der Verstand genauso wichtig war. Nur auf was sollte ich dieses Mal hören?

Es dämmerte und ich beschloss endlich wieder zu Luciano und meinem Training zurückzukehren. „Hey, wieder besser?“ Zur Antwort nickte ich. „Ja, geht schon. Komm lass uns zum Training gehen.“ Mal wieder ließ ich meine Launen an meinen Gegnern ab und war froh, dass ich heute nicht zum Wachdienst eingeteilt war. Morgen dann wieder.

 Ich war schlauer geworden, aber gleichzeitig nicht unbedingt glücklicher, denn ich hatte meine Entscheidung getroffen. Und gleich würde ich einen Anruf tätigen, den ich nicht führen wollte, um jemandem mitzuteilen, dass sie mich so bald nicht wiedersehen würde. Und es tat mir in der Seele weh.

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So, mal aus einer anderen Sicht. Ich hoffe ich hab das ganz gut hinbekommen und das Kapitel gefällt euch. ;)

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