35.Kapitel

149 22 0
                                    

"Hi." Meine Begrüßung für Riley war leise und ich hoffte schon fast, er hätte sie nicht gehört. Scarlett ging neben mir und sah ahnungslos aus. Ich wusste genau, was in ihrem Kopf vorging. Sie fragte sich, warum Riley mich nicht begrüßte, warum ich einfach so an ihm vorbeigegangen war und wenn ich mich mit Riley gestritten hatte, warum ich dann trotzdem so glücklich aussah. "Was ist da los? Habt ihr euch gestritten?" Riley übernahm die Antwort für mich: "Wohl eher getrennt." Danach war er wieder weg. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber mit dieser Gehässigkeit, die er mir entgegenbrachte ganz sicher nicht. "Stimmt das?" Ihre Augen waren riesig und ihre Stimme war ungläubig. "Jep." "Warum?" "Taylor." "Also erstens, kannst du bitte in ganzen Sätzen reden und zweitens dachte ich, er wäre wieder in Italien." "War er ja auch. Aber er ist zurückgekommen. Wegen mir." "Ooh, wie süß. Und da hast du dich für ihn entschieden und Riley einfach links liegen lassen?" "Jetzt mach mir keine Vorwürfe. Ich hab mir das nicht leicht gemacht. Können wir bitte aufhören darüber zu reden? Es ist schließlich mein Problem oder?" "Ja, warscheinlich schon." Wir sprachen nicht mehr darüber und fuhren mit ihrem gestrigen Date fort. "Und wie wars?" "Cool", sie strahlte förmlich. "Er war total nett und ich hab mich gut mit ihm verstanden." "Freut mich für dich. Wie heißt er denn über-" Das Klingeln der Schulglocke unterbrach das Gespräch und ich vergaß später wieder an der Stelle anzubauen.

"Okay, dann zeig mal was du noch kannst." Taylor hatte, trotz meines Beines, darauf bestanden mich wieder zu trainieren, aber jetzt wollte er mir auch beibringen, wie ich schneller reagieren konnte und wie ich mich vor Angriffen schützen konnte. Wie sich herausstellte, konnte ich zwar die groben Techniken noch, hatte aber meine Haltung wieder so verändert, dass es falsch war. Lächelnd erklärte Taylor mir also alles noch einmal. "Du kannst dir ja wirklich gar nichts merken. Wie kriegst du das dann mit der Schule hin?" Lachend stieß ich ihm meinen Ellbogen in die Seite. "Ich kann mir sehr wohl etwas merken, nur eben nicht so viel auf einmal." Es klopfte an der Tür. "Hi, Mom und Grandma sagen, ihr sollt mal runterkommen." Typisch, zu feige selbst an die Tür zu klopfen -ich weigerte mich standhaft mit ihnen zu reden- und stattdessen meinen Bruder als Boten zu schicken. "Nein." "Ach komm schon Lynn. Sei nicht so stur", natürlich hatte ich Taylor erzählt, was meine Familie gesagt hatte, nur das Gespräch mit Dad hatte ich weggelassen, und er hatte gemeint mit der Zeit würden sie ihn schon akzeptieren. Ich wusste allerdings, dass es ihm keinesfalls gleichgültig war. Er dachte oft darüber nach, wie er sie von sich überzeugen konnte. "Gut, wir kommen runter." Demonstrativ nahm ich Taylors Hand und zog ihn hinter mir her nach unten. "Was wollt ihr?" "Reden. Aber nicht jetzt. Dein Vater hat heute Abend ein Geschäftsessen und wir dachten, du könntest Taylor mitnehmen und wir unterhalten uns mal." Ich verdrehte die Augen. "Wenn ihr meint das ist nötig." Doch Taylor knuffte mich in die Seite. "Ich würde mich freuen Mrs. Donelly." Sofort zog ich ihn weg. "Was soll das?" Ich zischte, damit meine Mom nichts hörte. "Die werden kein gutes Haar an dir lassen." "Vielleicht kann ich aber auch dafür sorgen, dass sie mich mögen. Das liegt alles nur an Riley. Wenn sie ihn nicht so mögen würden, hätten wir alle kein Problem." "Hey, jetzt gib ihm nicht die Schuld." "Tschuldigung. Aber ich mag ihn halt nicht." "Ach was, du bist nur verdammt eifersüchtig." "Ja. Bin ich. Wobei es jetzt schon besser wird. Ich meine du hast dich ja für mich entschieden." "Genau." Obwohl ich wusste, dass Mom und Granny auf der Couch saßen und uns mit einem Auge ansahen, küsste ich ihn, "Du hast überhaupt keinen Grund zur Eifersucht."

Der Abend wurde eigentlich ganz schön, obwohl ich es nicht gut fand, was meine Mom und Granny alles so redeten. Während wir gerade einen Kartoffelgratin und irgendein seltsames Fischfilet aßen -oh ich hasste Fisch!- fragten sie ihn über seine Familie aus. Man hätte ja meinen können, dass sie ihn als meinen Freund nicht so ernst nahmen, schließlich waren wir noch nicht einmal eine Woche zusammen, aber trotzdem wollten sie schon alles von ihm wissen. Es war beinahe seltsam Granny und Mom auf einmal so im Team arbeiten zu sehen, wo sie einander doch in den vergangenen Jahren nicht gut hatten leiden können. "Und sie sind wirklich wegen Evelynn zurückgekommen?" "Ja. Ich konnte sie einfach nicht vergessen." "Und da haben sie sich einfach in den Flieger gesetzt und haben alles hingeschmissen?" Es war offensichtlich, dass Mom dachte, er könne das auch so mit mir tun. "Nein natürlich nicht. Ich habe vorher gründlich überlegt und dann habe ich auf mein Herz gehört." Ha! Damit hatte er meinen Dad, der sich gerade zu uns gesellte, auf seiner Seite. Dad faselte doch die ganze Zeit etwas von Hör auf dein Herz. "Ich geh mich mal kurz frisch machen." Mal gucken was geschah wenn ich die drei mit Taylor und Ethan -die beiden verstanden sich bestens, so als seien sie schon ewig beste Freunde- alleine ließ. Ohne ein weiteres Wort von ihnen abzuwarten stand ich auf, strich das rote Kleid glatt ,das ich trug, und verschwand. Es war wirklich cool, dass mein Bruder sich so gut mit Taylor verstand. Sogar besser als er sich mit Riley verstanden hatte. Wahrscheinlich waren sich die beiden einfach ähnlicher. Als ich wiederkam waren Mom und Granny weg und die anderen drei waren gerade über irgendetwas am lachen. "Was ist so lustig?" "Nichts." Ethan sah ziemlich unschuldig aus -zu unschuldig meiner Meinung nach. "Okay, was hat er über mich erzählt?" "Eigentlich nicht viel, er meinte nur dass du ziemlich tollpatschig wärst und wir anderen haben ihm zugestimmt." "Haha", sagte ich möglichst sarkastisch, auch wenn sich ein klitzekleines Lächeln in mein Gesicht stahl.

Am nächsten Tag wollten wir uns gemeinsam mit Scarlett treffen, die mehr als begeistert von Taylor war. Wenn ich nicht aufpasste würde sie ihn mir vielleicht noch wegschnappen. "Und du kannst echt Kung Fu?" "Es heißt nicht Kung Fu. Ich weiß zwar nicht, wie es heißt, aber Kung Fu ist es sicherlich nicht." An mich gewandt sprach er weiter, "Hast du eigentlich allen gesagt, es wäre Kung Fu?" "Nein, das kommt alles von Scarlett." "Okay wenn du meinst." Er nahm meine Hand und ich lächelte. In den letzten Tagen hatte ich ziemlich oft gelächelt, die Iram Vindicem fast vergessen und Riley, wegen Riley hatte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich selbst so glücklich war, während er so unglücklich war, aber davon ließ ich mir meine Laune nicht verderben. Scarlett verabschiedete sich von uns und Taylor und ich gingen weiter durch Miami. Was meine Laune allerdings verdarb war ein gewisser Riley McAllen, der uns kurz vor Taylors Hotel -er wollte mir sein Zimmer zeigen, unser Gästezimmer wurde schließlich von Grandma besetzt und in meinem Zimmer durfte er nicht schlafen- begnete, als er um die Ecke bog. Anheinend hatte er auch nicht mit uns gerechnet und ich sah seine Wut und Eifersucht, als er Taylors und meine Hände, natürlich ineinander verschränkt, sah. "Ach sieh mal einer an. Evelynn Donelly mit ihrem Neuen. Ich würde aufpassen Taylor. Die kleine Schlampe sucht sich ganz schnell wieder einen neuen Freund." Also das war jetzt wirklich zu viel. Ich meine natürlich durfte er sauer sein, er durfte mich auch anschreien, aber Schlampe durfte er mich noch lange nicht nennen. "Riley! Ja klar, ich habe einen Fehler gemacht, aber..." Ich brach ab, als ich die Verletztheit in seinen Augen sah. "Es tut mir leid.", brachte ich hervor, "Es tut mir so unendlich leid, was ich dir angetan habe Riley. Du hast das wirklich nicht verdient." Er bestätigte, dass er mich gehört hatte indem er nickte. "Gut. vermutlich hätte ich dich grad nicht Schlampe nennen dürfen. Aber im Moment kommst du mir einfach wie eine vor." Meine Wut war bis gerade verpufft gewesen, kam jetzt aber zurück. "Du!" Ich rannte auf ihn zu. Was ich vorhatte? Mit bester Kampfkunstmanier wollte ich ihm eine reinhauen. Das hatte er absolut verdient, doch ein Arm schlang sich von hinten um meine Hüfte und hielt mich zurück. "Taylor! Lass mich los!" Seine Lippen waren nah an meinem Ohr, so nah, dass sie mich ein wenig aus dem Konzept brachten: "Du würdest es bereuen und jetzt komm mit. Die Leute gucken schon." Es war unnötig mich festzuhalten, denn Riley war längst abgehauen.

In Taylors Hotelzimmer beruhigte ich mich langsam. Es war wirklich schön: Ein blaues Doppelbett auf der einen und ein kleiner Fernseher auf der anderen Seite. Die Wände waren hellblau gestrichen und eine hellbraune Tür führte in ein winziges Bad. Der Kleiderschrank war alt und Taylor nutzte ihn auch nicht. Alles was er mitgenommen hatte, bewahrte er in einem dunkelgrünen Koffer auf. Wir lagen nebeneinander auf dem Bett als es plötzlich klingelte. "Hast du irgendwas beim Zimmerservice bestellt?", fragte ich ihn stirnrunzelnd. "Nein, eigentlich nicht." Taylor stand auf und ging zur Tür. Ich konnte die Eingangstür nicht sehen, weshalb ich nur die Stimmen hörte. "Was zur Hölle machst du hier?" "Ich komme dich abholen. Was denn sonst." "Ich will aber nicht zurück." "Jetzt aber mal halblang. Als wir diesen Brief von der Schweizer Garde mit deinen Kündigungspapieren bekommen haben, sind wir aus allen Wolken gefallen. Du wolltest das doch immer so gerne. Und dann kriegt deine Schwester diesen Anruf, dass ihr euch sobald nicht wieder sehen werdet -obwohl du sie besuchen wolltest- weil du nach Miami gehst. Da ist es doch natürlich dass ich dir hinterherreise oder nicht?!" "Dann komm halt rein. Aber hör auf rumzuschreien." Ich stellte mir vor, wie er sie ins Zimmer schob und sich dann nochmal auf den Fluren umsah, ob er auch ja keine Aufmerksamkeit erregt hatte. Taylor kam mit einer mittelalten Frau um die Ecke. Sie war ungefähr 50, soweit ich das einschätzen konnte, und hatte das gleiche schwarze Haar wie Taylor. Auch ihr Gesicht hatte eine ähnliche Form auch wenn das Ihre etwas runder war. "Evelynn. Das ist meine Mom."

HexenflammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt