14. Kapitel

214 24 1
                                    

Eine Stunde später war Ethan wieder verschwunden und meine Tränen waren versiegt. Meine Mutter fragte immer wieder, was denn los sei, und ich sagte ihr immer wieder, dass ich einen Alptraum gehabt hätte. "Wieso sind diese Träume für dich denn bloß so schlimm?", fragte sie weiter. "Keine Ahnung. Ist ja auch egal." Eine Weile herrschte Stille, dann meldete sich Dad mit einem Räuspern zu Wort: "Ich glaube du bleibst morgen lieber zu Hause und gehst nirgendwohin. Ruh dich einfach mal aus." Immerhin etwas. Ich musste nicht in die Schule und so tun, als wäre alles in Ordnung. Kraftlos sank ich in die Kissen zurück und versuchte das eben gesehene aus meinem Kopf zu verbannen. Mir fiel es schon schwer die unbekannten Menschen sterben zu sehen, aber meine Schwester war dann einfach zu viel. Meine Eltern verschwanden gerade durch die Tür, wobei sie vergaßen, dass ich sie noch hören konnte: "Was sollen wir bloß tun? So können wir sie doch nicht in die Schule schicken und es dauert noch so lange bis wir endlich nach Alaska fliegen." Na ganz toll. Ich sollte meine Träume mehr in mich reinfressen. Wenn sie mich weiter so verzweifelt sahen, würden sie mich noch in eine Nervenanstalt schicken und das würde ich wirklich nicht durchstehen können.  Also wischte ich mir die Tränen von der Wange und atmete zweimal tief durch. Einschlafen würde ich nicht wieder können, soviel war sicher. 

Morgens kam Mum und brachte mir Frühstück ans Bett. "Ich konnte deinen Bruder überreden dich in der Schule zu entschuldigen. Willst du mir nicht endlich verraten, was zwischen euch vorgefallen ist?" "Sorry Mum, das geht nicht. Seine Wut ist aber gerechtfertigt. Vielleicht sollte er nicht so fies zu mir sein, aber damit komme ich schon klar." "Okay, wenn du meinst. Bist du dir ganz sicher, dass dein Bruder nichts damit zu tun hat, dass es dir so schlecht geht? Obwohl es dir jetzt ja schon ein bisschen besser zu gehen scheint." Zustimmend nickte ich.

Als ich fertig gegessen hatte, ging meine Mum direkt aus dem Zimmer, schließlich musste sie gleich wegfahren um zu arbeiten. Kurz darauf kam sie aber wieder in mein Zimmer. "Hier ist jemand, der gerne mit dir sprechen möchte." Wer sollte denn um die Uhrzeit hier sein? Riley? Doch dann schaute jemand anderes ganz zaghaft hinter meiner Mutter hervor. "Geh ruhig rein Scarlett. Evelynn wird dir schon nicht den Kopf abreißen. Ich ignoriere einfach mal die Tatsache, dass du in der Schule sein solltest", lachend ließ sie uns allein. Scarlett guckte immernoch ängstlich, als befürchte sie, ich könnte ihr wirklich den Kopf abreißen. Dabei war sie eigentlich die, die auf mich sauer sein sollte. Zu meiner größten Überraschung lief sie auf mich zu und umarmte mich. "Süße, als Ethan mir erzählt hat, dass du jetzt sogar zu Hause bleiben musst bin ich sofort aus der Schule abgehauen. Du glaubst gar nicht wie schwer es war dich schlecht zu behandeln nach allem was passiert ist. Dich dann auch noch zu ignorieren und dir nicht zu helfen als Ethan dich verarscht hat. Es tut mir leid. Ich hab einfach überreagiert. Können wir bitte einfach wieder beste Freundinnen sein?" Als Antwort nickte ich und umarmte sie. Wir beide hatten mittlerweile angefangen zu weinen. Endlich hatte ich meine beste Freundin wieder.

"Und, was machen wir jetzt?", fragte mich Scarlett nach einer Weile. "DVDs gucken?", fragte ich sie zaghaft. "Ja klar. Was hast du denn so hier?" Eifrig schauten wir uns meine DVDs Sammlung an. Scarlett entschied sich dafür mit mir sämtliche Teile von Divergent zu gucken und ich stimmte zu. Ich mochte die DVDs ganz gern und hatte auch schon mit dem ersten Buch angefangen. Wir fingen regelmäßig an zu heulen und irgendwann musste ich als Trost eine riesige Packung Eiscreme holen, die wir auch sofort auflöffelten. "Morgen Nachmittag gehen wir shoppen, Okay? Ich darf nur nicht schon wieder in der Schule fehlen, das fällt auf. Vielleicht kann Riley sich ja morgen irgendwie entschuldigen?", sie zwinkerte mir zu. Daran hatte ich noch überhaupt nicht gedacht. Er musste sich Sorgen gemacht haben. Da der Unterricht mittlerweile wohl vorbei war, rief ich ihn an.

"Evelynn, wie geht´s dir? Ich hab mir schon Sorgen gemacht und deinen Bruder den ganzen Vormittag genervt. Und zu allem Übel musste Mum Sean und mich dann noch mit zu einem von Dad's Geschäftsessen nehmen. Ich sitze hier fest und kann nicht zu dir kommen."  "Ist schon okay. Scarlett ist hier. Schon den ganzen Tag eigentlich. Ich wollte mehr fragen, ob du morgen Vormittag kommen willst?" "Ja klar, hör mal, ich muss jetzt auflegen. Dad guckt die ganze Zeit schon so mies gelaunt zu mir rüber." "Ja okay. Dann bis morgen." Damit legte ich auf.

Als Scarlett am Abend nach Hause ging, fühlte ich mich schon ein kleines bisschen besser. Mum brachte mir abends einen ihrer Tees und wollte noch bei mir bleiben, doch ich konnte sie davon überzeugen, mich ein wenig allein zu lassen. Bevor sie ging sagte sie noch: "Ich glaube nicht, dass es so gut ist wenn ihr morgen direkt in Miami shoppen geht. Wenn ihr wollt kann ich euch Morgen zum Ocean Drive fahren. Da wird ganz bestimmt niemand sein, den ihr kennt." Ich war schon oft auf dem Ocean Drive shoppen gewesen, nickte jetzt aber nur. Hauptsache ich kam hier raus.

Am morgen weckte mich ausnahmsweise mal Dad, da Mum früh weggefahren war und kam direkt mit Riley im Schlepptau herein. Ja super, ich hatte noch meinen Schlafanzug an und meine Haare waren auch ganz verwuschelt. "Hallo", murmelte ich leicht peinlich berührt. Mein Vater hatte sich inzwischen dezent verdückt als er gesehen hatte mit welchem Blick Riley mich ansah. "Hey", sagte er mit diesem furchtbar besorgten Blick, bevor er mich zur Begrüßung nochmal küsste. "Ich hab mir solche Sorgen gemacht als du gestern nicht in der Schule aufgetaucht bist. Wie geht's dir? Ethan wollte nicht gerade viel sagen." "Meine Güte", lachte ich, "Beruhig dich. Es ist schon okay." "Okay? Du bleibst Zuhause und hast heute Nacht doch schon wieder geweint. Das sehe ich. Bitte, sag mir wie es dir geht!" "Wenn du es genau wissen willst, wenn ich keine Ablenkung habe geht es mir absolut beschissen. Zufrieden?" "Ja, das war immerhin die Wahrheit. Und für Ablenkung kann ich ja sorgen", er lächelte mir zu.

Shoppen gehen mit Scarlett war einfach wundervoll. Ich war immernoch froh darüber, dass ich mich mit ihr vertragen hatte und dieses eine Mal störte mich ihr ewiges Gerede überhaupt nicht. Sie erzählte mir, was sie während unserem Streit gemacht hatte, lästerte über sämtliche Mädchen unserer Spanischklasse ab und gab Kommentare zu jedem einzelnen Kleidungsstück von sich. Ich hörte ihr gegen Ende kaum mehr zu. Wir zogen von Laden zu Laden, bis unsere Arme voll beladen mit Tüten waren. Für einen kurzen Moment konnte ich meine Träume und die Morde wirklich vergessen, aber sie kehrten zurück als ich unsere Haustür aufschloss. Zurück waren wir mit dem Bus gefahren und es hatte ewig gedauert. Jetzt betrat ich unser Wohnzimmer und mein Blick fiel auf einen sehr genervt und wütend guckenden Bruder und eine höchst gestresst wirkende Mutter. Dad sah einfach aus wie sieben Tage Regenwetter. "Was ist passiert?", platzte ich sofort los. "Nichts schlimmes, keine Sorge Schatz. Aber deine Großmutter hat angerufen. Und als ich ihr von dir erzählt hab, meinte sie, dass sie sofort losfahren würde. Also vermute ich mal, dass sie morgen Abend kommt. Du weißt ja wie lange sie immer braucht." Nein, das wusste ich nicht. Um genau zu sein hatte ich sie bisher nur auf Fotos gesehen. Sie wohnte in Lake Worth, brauchte aber wohl für alles immer ewig. Außerdem hatte sie einen alten Geländewagen, der bei zu hoher Geschwindigkeit stehen blieb. "Was ist denn das Problem?" "Sie ist immer so furchtbar anstrengend. Weiß alles besser und wird dir hinterher räumen. Aber das muss dir ja klar sein", seufzte Dad. Na toll, noch jemand der mich aus Schritt und Tritt bewachte. Und ich musste die ganze Zeit lächeln auch wenn mir zum Weinen zumute war.

-------------------------------

Am Marissa gewidmet. Weil es einfach längst mal nötig war. Ich hab dich lieb ;*

HexenflammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt