After Story I

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"Ja, geben wir unser bestes."

-- Vier Jahre später --

"Was hast du denn vor, dass du an einem Sonntag schon halb sieben aufstehst?", der blonde Mann schaut hinter einer Zeitung hervor.
"Ich will den Professor besuchen bevor meine Schicht anfängt."
"Wann stellst du mir diesen berühmten Professor denn mal persönlich vor?", der junge Mann legt die Zeitung auf den Tisch und sieht die junge, jedoch erfahrene Polizistin an.
"An dem Tag, an dem wir beide einen freien Tag im Plan haben.", mit einem Wink verlässt die 20-jährige die Wohnung.
Sie wusste genau, dass der Professor um diese Uhrzeit schon in seinem Büro an der Gressenheller Universität ist.
Doch dort fand sie nur einen Zettel an der Bürotür, auf welchem stand, dass Layton für einige Zeit abwesend sein wird.
Seuftzend lässt die Rothaarige die Schultern sinken.
Da konnte man nichts machen. Bestimmt war der Professor wieder einem großen Mysterium auf der Spur.
Sie dreht sich um und verlässt die Uni, um auf den Bus zu warten, der sie zur Arbeit fahren würde.
》Unglaublich, dass der Fall mit dem London der Zukunft schon vier Jahre zurückliegt. Wie schnell die Zeit doch vergeht.《, denkt die Polizistin und steigt in den Bus, welcher gerade vor ihr zum stehen kam.
Das Erste, was sie auf der Polizeistation machen würde, ist ihren Bruder zu besuchen.
Insgeheim freut sich die Zwanzigjährige jeden Morgen darauf, ihn zu sehen.
Auch wenn es ihr weh tat, ihn hinter Gittern sitzen zu sehen.
Damals bei der Gerichtsverhandlung hatte der Richter fünf Jahre Gefängnis für Clive bestimmt.
Somit war seine Strafe viel milder ausgefallen, als erwartet.
Die Leute, die den Tag an dem Clive London zerstören wollte selbst mit erlebt haben, waren mit dieser geringen Strafe nicht zufrieden.
Einige wollten ihn sogar tot sehen.
Aber das hätte ich aus Leibeskräften verhindert, wenn der Richter die Todesstrafe über ihn verhängt hätte.
Was aber glücklicherweise nicht der Fall war.
Nächstes Jahr würde ihr Bruder wieder ein freier Mann sein.
Dann könnte sie ihm endlich ihren Verlobten vorstellen.
Bei dem Gedanken, dass sich ihr Bruder und ihr Verlobter bald gegenüber stehen werden, schmunzelt die junge Frau.
Ihr Verlobter war, wie sie selbst, ein Polizist bei Scotland Yard.
Er und Clive hatten sich bestimmt schon ein paar Mal gesehen.

"Inspektor Chelmey, ich melde mich zum Dienst!", sage ich, nachdem ich wenig später die Tür zum Büro des Inspektors schwungvoll öffne.
"Ja, und das geht auch leiser!", meckert der Mann hinter dem Schreibtisch.
Frech grinse ich Chelmey an, welcher genervt seuftzt.

In der Umkleide ziehe ich meine Uniform an und gehe anschließend in den Pausenraum. Immerhin beginnt meine Schicht erst in zehn Minuten.
"Cheryl, bist du hier?", höre ich die Stimme meines Verlobten und drehe mich zu ihm um.
Er hatte die Tür nur um einen Spalt breit geöffnet, als er mich jedoch sah, kam er in den Raum hinein.
"Was gibt's?", frage ich.
"Der Chef will dich sehen."
"Hat er gesagt, warum?"
"So wie es aussieht, hat es etwas mit deinem Verbrecher zu tun.", antwortet er mürrisch.
Okay, vielleicht würde die erste Begegnung zwischen Clive und Jim nicht so rosig werden...
Jim konnte meinen Bruder nicht wirklich leiden, weil dieser London zerstören wollte und es zum Teil auch getan hat.
"Er ist mein Bruder und kein Verbrecher.", korrigiere ich den Blonden und stehe von dem Stuhl auf.

"Nach alldem was er London und seinen Bewohnern angetan hat, hälst du immer noch zu ihm.", sagt er vorwurfsvoll während wir auf dem Weg zu Chelmeys Büro sind.
"Wie gesagt: Er ist mein Bruder."
"Und ein Schwerverbrecher."
"Jetzt reg dich doch nicht darüber auf.", versuche ich ihn zu besänftigen, doch dies gelang mir mal wieder mit geringem Erfolg.
"Ich kann ihn einfach nicht leiden.", Jim starrt in den Gang.
"Du kennst ihn doch nicht mal richtig..."
"Aber du, oder wie? Du, die ihn zehn Jahre lang nicht gesehen hat."
"Es reicht, Jim.", sage ich leicht verärgert.
Jedes Mal, wenn wir über Clive sprechen, kommt er mir damit.
"Bis nachher.", sage ich knapp und gehe in Chelmeys Büro.
"Da bin ich nun."
"Setz dich, Cheryl.", Chelmey deutet auf ein Sofa.
Gehorsam setze ich mich und Chelmey setzt sich auf das Sofa mir gegenüber.
"Warum haben Sie mich herbestellt?"
"Es geht um deinen Bruder.", erklärt mein Vorgesetzter kurz.
"Ist etwas passiert?", frage ich und ziehe besorgt die Augenbrauen zusammen.
"Nein, nein. Es geht ihm gut und er verhält sich ausgesprochen ruhig und unauffällig. Aber das muss ich dir bestimmt nicht sagen. Immerhin siehst du ihn jeden Tag."
Ich bestätige dies mit einem kurzen Nicken.
"Er hat darum gebeten, wieder unter die Menschen zu dürfen. Er will einfach nur ein bisschen durch die Gegend spazieren.", Chelmey lehnt sich zurück, "Wie du weißt, dürfen wir ihn nicht allein draussen herumspazieren lassen. Also wirst du seine Begleitperson sein."
"Ich?", frage ich überrascht, obwohl ich mich sehr darüber freue, mal außerhalb von Scotland Yard mit meinem Bruder reden zu können.
"Du und kein Anderer.", bestätigt Chelmey, "Clive besteht darauf. Seit letzten drei Monaten drängelt er schon förmlich dazu."
"Seit den letzten drei Monaten...", murmele ich und sehe kurz auf die halb gefüllte Kaffeetasse, welche auf dem Tischen zwischen Chelmey und mir steht.
"Stimmt etwas nicht?"
"Nein, Inspektor. Alles in Ordnung.", lächele ich, konnte ihn aber offensichtlich nicht überzeugen.
"Jedenfalls", fährt der Inspektor fort, "Da er sich ruhig verhält, denke ich, dass es kein Problem sein sollte, ihm etwas Freiraum zu geben."
"Vielen Dank, Herr Inspektor. Ich werde gleich zu ihm gehen und ihn ein paar Runden an der Themse entlang jagen~.", ich grinse den Inspektor an, welcher nur seuftzt und den Kopf schüttelt.
"Warst du eigentlich mal wieder bei Layton?", fragt Chelmey nach kurzem Schweigen.
"Heute morgen bin ich zur Uni gefahren, um ihm einen Besuch abzustatten. Aber ist mal wieder auf der Spur eines Mysteriums.", lächele ich.
"Er ist, wie er ist.", sagt Chelmey.
"Ja, und das sollte auch so bleiben."

"Guten morgen, Clive!", flöte ich, als ich die Tür zu seiner Zelle öffne.
Der Ältere sieht mich kurz betrübt an, doch er fand sein Lächeln schnell wieder.
"Guten morgen, Cheryl.", er sieht mich an, "Du trägst ja gar keine Uniform..."
"Richtig bemerkt. Schließlich werde ich dich jetzt an der Themse entlang jagen.", sage ich grinsend und winke ihn zu mir.
"Heißt das..."
"Ja, genau. Du darfst wieder nach draussen.", lächele ich ihn an und schließe seine Handschellen auf.
"Hätte nicht gedacht, dass der Inspektor versucht es durchzusetzen..."
"Manchmal ist er sehr gnädig."
"Das macht er bestimmt nur, um dir einen Gefallen zu tun."
"Das glaube ich nicht. Er ist das Gesetz in Person. Er hat es erlaubt, weil du es dir verdient hast, Bruderherz."
"Schön und gut. Aber so kann ich mich draussen nicht blicken lassen.", meint Clive und deutet auf den orangenen Overall, den alle Sträflinge tragen.
"Soll ich dir schnell was neues zum Anziehen kaufen gehen?"
"Nein, ich werde einfach dafür sorgen, das mir ab morgen ein paar Anziehsachen zur Verfügung gestellt werden."
"Ich kann dir für's erste meine Jacke leihen."
"Brauchst du die nicht?"
"Nein, es ist warm draussen. Ich hab sie nur getragen, weil es heute morgen noch etwas frisch war."

"Cheryl...?"
"Ja?", ich sehe Clive an, welcher neben mir über den Kiesweg im Park läuft.
"Uns läuft da schon die ganze Zeit ein Polizist hinterher."
"Hat er Blonde Haare?"
"Ja."
"Ist er ungefähr so groß wie du?"
"Könnte hinkommen, ja."
Ich schiele mir über die Schulter und konnte den Polizist erkennen.
"Jetzt kann ich es dir ja sagen."
"Was sagen?", verdutzt sieht Clive mich an.
"Er ist mein Verlobter."
"Wa-", dem Älteren fehlten die Worte und er sieht mich fassungslos an, nachdem sein Blick kurz zu dem Polizisten hinter uns geschnippt war.
"Ist das dein Ernst?"
"Mein voller Ernst.", antworte ich ruhig.
Clive verfällt in kurzes Schweigen und starrt auf den Weg.
"Wie lange kennt ihr euch?"
"Drei Jahre."
Das Verhalten meines Bruders war seltsam.
Ob er mich irgendwie schützen wollte? Das wäre zumindest vorstellbar. Er ist mein großer Bruder.
"Überraschung?", frage ich zaghaft, nachdem er keine weitere Reaktion zeigt.
Er seuftzt kurz und sieht mich an, "Ich bin damit nicht einverstanden."
"Warum denn nicht?"
"Ich mag ihn nicht."
Nun seuftze ich, "Das beruht auf Gegenseitigkeit."
"Ich weiß. Er sagt es mir oft genug.", grimmig schaut Clive geradeaus.
Wie bitte?
Wann würde Jim denn bitte freiwillig mit ihm reden?
"Das versteh ich gerade nicht. Ich hätte jetzt nicht erwartet, dass er mit dir spricht."
"Solange du im Dienst bist, lässt er mich ja auch in Ruhe."
"Das heißt also, sobald ich weg bin, ist zwischen euch die Hölle los?"
"Exakt."
Enttäuscht sehe ich auf den Boden.
Das konnte doch nicht wahr sein. Warum erfahre ich das erst jetzt?
"Aber", Clive legt einen Arm um meine Schultern, "deinerwegen werde ich ihn als meinen Schwager akzeptieren." Als er Jim seinen 'Schwager' nannte, verzog er kurz das Gesicht, bevor er wieder lächelte.
"Danke!", ich strahle mit der Sonne um die Wette.
Clive wendet seinen Blick wieder nach vorne und sieht ernster aus denn je.

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_Sylfaen_

Zerbrochene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt