Flucht aus der Pagode

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"Welcher von beiden ist der Echte Professor?", fragt der ältere Luke neben mir.
》Das wüsste ich auch gerne...《

Der Professor, der mit uns im Käfig steht, nimmt den Zylinder ab und zieht sich am Gesicht.
Unter der Maske kommt Don Paolo zum Vorschein.
"Don Paolo?!", ruft der kleine Luke aus.
"Wenn das Don Paolo ist... ", sagt der ältere Luke und sieht jenen an.
"Dann ist er dort der echte Professor!", beende ich den Satz des älteren Luke.
"Das ist mir alles viel zu kompliziert.", gibt der große Luke zu.
》Mir allerdings auch.《
"Ja, Professor, was ist hier bloß los?", fragt der kleine Lehrling des Professors.
"Sehr einfach, Luke. Ein wahrer Gentleman spielt seine Trumpfkarte erst im richtigen Moment aus.", lächelt der Professor.
"He, Layton! Wieso sparst du dir nicht deine Litaneien und holst uns aus diesem Affenkäfig raus?", fragt Don Paolo grob und ungeduldig wie immer.
"Ja, bitte helfen Sie uns, Professor!", sagt nun auch unser kleiner Luke.
"Nur ein wenig Geduld, Luke. Dieses Schloss habe ich schnell geknackt..."

Im Nu hat uns der Professor befreit und stellt Dimitri Allen.
"Das Blatt hat sich gewendet, meinen Sie nicht auch, Dimitri?"
"Mein Lieber, Sie haben wohl, ob all Ihrer analytischen Bravour, den Ernst der Lage vergessen.", Dimitri scheint gelassen, "Schauen Sie sich um. Falls es Ihnen entfallen sein sollte... Dies ist das Hauptquartier meines Clans. Ein einziges Wort von mir genügt, damit mir meine Untergebenen zur Hilfe eilen."
Da hat der Wissenschaftler recht.
Aber ich würde mich nicht kampflos ergeben, geschweige denn mich ihm beugen.
"Sie unterschätzen mich, Dimitri. Sie halten mich doch nicht für so blauäugig, ohne einen guten Plan in die Höhle des Löwen zu klettern?", auch Layton lächelt gelassen.
"Einen Plan?", wiederholt Dimitri.
"Die Komplexität dieses Bauwerks ist wahrhaftig grandios. Insbesondere die zahlreichen Ecken und Nischen, in denen sich Fallen verstecken lassen.", der Professor lächelt noch immer, "Ich habe mir erlaubt, auf dem Weg nach oben diverse meiner eigenen Mechanismen aufzustellen. Bitte rechnen Sie also nicht mit einem allzu zügigen Erscheinen Ihrer Leute."

"So wie Sie das sagen Professor, klingt es, als sei den Clanmitgliedern der gewohnte Weg nach oben etwas beschwerlicher als sonst zu sein.", irgendwie brachte es mich tatsächlich zum schmunzeln, dass der Professor Dimitri Allen auf ganzer Linie in dessen eigenem Gebäude geschlagen hat.
"So ist es.", lächelt Layton mich an.
"Clever, Hershel. Überaus clever.", gibt Dimitri zu.
Doch schon im nächsten Moment stürmt Bostro, der Kerl aus dem Kasino, in den Raum,"Boss, Boss! Schnell weg hier!"
Aber wo kam er her? Die Tür hinter uns ist der Weg um den Raum zu betreten oder zu verlassen. Aber Bostro kam nicht von der Tür.
"Offenbar muss ich fürs Erste meine Niederlage eingestehen. Aber es ist noch nicht vorüber.", warnt Allen, "Ich freue mich schon auf unsere nächste Begegnung."

"Die beiden sind ja besser zu Fuß, als ich dachte. Schon sind sie davon.", sagt der ältere Luke.
"Oh nein!", die Stimme des Professors klingt alles andere als erfreut.
"Was ist denn, Professor?", verwundert sieht der kleine Luke den Professor an.
"Bei all der Aufregung ist es Dimitris Männern gelungen, den Premier zu entführen!"
Und wirklich fehlte von dem Premierminister jede Spur.
"Du liebe Güte! Das ist ja furchtbar!", stimmt der kleine Luke zu.
"Dimitri hat den Alarm ausgelöst. Bald wird sämtlicher Abschaum des Viertels hier eintreffen.", sagt der große Luke, als der langsame, tiefe und doch schrille Ton im gesamten Turm erklingt.
"Wie es aussieht, werden wir uns den Weg aus dem Pagodenturm freikämpfen müssen.", sage ich und sehe mir über die Schulter Richtung Tür.
"Und was ist mit den Fallen, die der Professor aufgestellt hat?", fragt der kleine Luke.
"Nun, wie ich schon sagte, durch sie gewinnen wir nur etwas mehr Zeit. Die Haupttreppe wimmelt gewiss schon vor wütenden Raufbolden.", erklärt der Professor, "Unsere einzige Hoffnung ist es, einen anderen Fluchtweg zu finden."
"Mit Sicherheit hat Dimitri an einen Notausgang gedacht. Wir müssen ihn nur finden.", sage ich.

"Aha! Hier ist ein Geheimgang nach unten!", ruft der kleine Luke, welcher hinter dem Schreibtisch steht.
"Gut, dass mich meine Intuition nicht im Stich gelassen hat. Dies sollte uns die Flucht erleichtern.", sagt der Professor und schaut in den dunklen Geheimgang hinab.
"Uff! Dieser Tunnel ist einfach zu eng für meine durchtrainierten Schultern.", kommentiert Don Paolo und räuspert sich.
Unweigerlich gebe ich einen belustigten Laut, ein missglückter Versuch einen Auflacher zu verhindern, von mir.
Daraufhin sieht Don Paolo mich an, mit einer vor Wut zuckenden Augenbraue.

》"In Ordnung. Dann bilden Flora, Cheryl und ich die andere Gruppe. Luke, schließ du dich dem Professor an und pass auf Don Paolo auf!"《
Ich seuftzte tief, während ich langsam die Stufen in dem stockdusteren Gang hinunterlaufe.
Oh mann... enge Gänge sind sowieso schon nicht so mein Ding, aber warum muss es hier auch noch so verdammt dunkel sein?
"Luke, wie weit ist es noch?"
Keine Antwort.
Wenigstens habe ich jetzt endlich die Treppe bezwungen.
"L-Luke?"
Wieder nichts, außer mein Echo.
Mein Herz begann zu rasen und meine Sicht begann zu flackern.
"Luke? ... F-Flora? S-Seid ihr... da?"
Keine Antwort.
Sie sind nicht mehr hier.
Mein Atem ging schneller und wurde flacher, meine Beine zittern so stark, dass ich mich hinsetzen muss.
Ich drücke mich gegen die kühle Wand und kauere mich zusammen.
Ich konnte die Wand, welche mir gegenüber lag, förmlich spüren.
Diese Enge raubt mir buchstäblich den Atem und mir läuft kalter Schweiß den Rücken runter.
Ich verschränke meine Arme und meine Finger krallen sich in meine Oberarme.
Ich hasste es, dieses Gefühl, als würde man ersticken.

Wo sind denn alle hin?
Komisch, wir haben doch gerade noch Verstecken gespielt.
Ob sie in der Zwischenzeit wohl aufgegeben haben? Oje... ihnen ist wohl langweilig geworden.
Ich bin eben alles andere als ein Talent, wenn es ums Suchen geht.
Aber ich gebe nicht auf!
"Mäuschen, Mäuschen piep einmal!", rufe ich laut.
Kein Ton war zu hören.
Ich sehe neben mich, eine Tür.
Die sieht ziemlich schwer aus.
Vielleicht verstecken sich die anderen ja dort!
》So, Harry, Mavis und Irwin. Jetzt hab ich euch!《, leise kichernd mache ich mich daran die Tür zu öffnen.
Wie vermutet ging sie schwer zu öffnen.
Hinter der Tür liegt ein kleiner, dunkler Raum.
Ohne auf die Tür zu achten, stürme ich hinein und suche den gesamten Raum ab.
Jedoch waren meine Freunde auch hier nicht zu finden.
Ich bin gerade am überlegen, wo ich noch nicht gesucht habe und gehe zur Tür.
Aber was ist denn das?
"Die geht ja gar nicht auf...", murmele ich leise.
Nun höre ich gekicher von der anderen Seite der Tür.
"Hey, Mavis, Harry, Irwin! Seit ihr das?"
Wieder ein Kichern.
"Bitte öffnet die Tür! Ich komme nicht raus."
In diesem Moment höre ich das Geräusch aneinander reibender Metallstücke.
Das Türschloss.
Sie haben die Tür verriegelt.
"H-Hey... bitte lasst mich raus..."
"Vergiss es!", höre ich Harrys Stimme von der anderen Seite der Tür.
"Bitte!"
Dich die drei ignorierten mich.
Warum taten sie das? Hab ich was falsches gemacht?
"Wir hatten noch eine Rechnung mit Clive offen!", sagt Irwin.
"Clive?", frage ich.
"Tu nicht so unwissend.", die Stimmen der drei klingen durch die Tür gedämpft.
Dann wurden ihre Stimmen immer leiser, bis ich sie schließlich gar nicht mehr hörte.
Es kam mir plötzlich so vor, als würden die Wände näher kommen.
Mein Atem wurde schneller und meine Knie weich.
Mit zitternden Beinen gehe ich rückwärts, bis ich an eine Wand stoße, an welcher ich mich auf den Boden sinken ließ.
Ein verzweifeltes wimmern verlässt meine Kehle.
Immer und immer wieder.
"Cheryl? Cheryl, bist du da drin?"
Die Stimme des Professors ließ mich aufhorchen.
Endlich, nach einer halben Ewigkeit bin ich nicht mehr allein.
"P-Professor!", schluchze ich laut.
Ein Klacken ertönt, dass war das Türschloss.
Gleich darauf geht die Tür auf und der Professor kommt schnellen Schrittes auf mich zu.
Als er bei mir ist, geht er in die Knie und schließt mich in seine Arme,
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.", sagt der Professor mit ruhiger Stimme und streichelt mir über den Kopf, während ich weine, "Was hast du denn hier drin gemacht, Cheryl?"

"Cheryl? Cheryl, wo steckst du?!"
Erschrocken hebe ich den Kopf, welcher auf meine Arme gesunken war.
Kurz darauf erkenne ich einen schwachen Lichtschein, unweit von mir entfernt.
"Cheryl?!", es ist der ältere Luke.
"J-Ja! Ich bin hier!", meine Stimme zittert.
Im Schein der Gaslaterne, die der große Luke bei sich trägt, erkenne ich seinen besorgten Gesichtsausdruck.

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_Sylfaen_

Zerbrochene ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt