Drei

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"Mina Connor, korrekt?", waren seine ersten Worte. Mina brachte nur ein Nicken zustande. Der Graf vor ihr wirkte noch einschüchternder als jeder Schuldirektor. "Können Sie auch reden, Kind?", fragte er leicht gereizt. "Ja, Sir." War Sir überhaupt die richtige Anrede für einen Grafen? Mina war sich sicher. Über gar nichts. "Gut. KINDER!" Sie widerstand dem Drang, sich bei seinem Gebrüll die Ohren zuzuhalten.

Die Tür hinter ihr wurde geöffnet und zwei kleine Gestalten mit einem unsicheren Lächeln traten ein. "Das sind meine beiden jüngeren Kinder Olivia und Ethan.", erklärte der Graf. Beide sahen genauso aus wie ihr Vater. Nur, dass Olivia grüne Augen besaß. Beide trugen schwarze Hosen und T-Shirts. "Hallo.", sagte Ethan. "Hallo, ihr zwei." Sie bückte sich, damit sie mit ihnen auf Augenhöhe war. "Ich heiße Mina und werde den Sommer über auf euch aufpassen." Ethan lächelte weiterhin, während Olivia sich etwas schüchtern hinter ihrem Bruder versteckte. Dann ging die Tür abermals auf und ein junger Mann in Minas Alter tauchte auf. Seine schwarzen Haare waren zwar gekämmt, aber standen ihm dennoch etwas wild vom Kopf ab. Seine Augen waren genau wie Olivias grün. Mit dem Unterschied, dass seine in einem richtig hellen Grün leuchteten, wie eine Baumkrone. Für einen Moment konnte Mina nur in seine Augen blicken. Bis er sich räusperte. 

Verlegen wandte sie den Blick ab und versuchte ihre brennenden Wangen zu ignorieren. "Hallo.", sagte sie leise. "Ich bin Mina, das neue Kinderm-." "Was soll das?!", unterbrach der junge Graf sie, indem er seinen Vater anfuhr. "Warum hast du noch jemanden eingestellt?" "Jemand muss sich um Olivia und Ethan kümmern. Abgesehen davon ist es nur für den Sommer." "Das spielt keine Rolle! Willst du etwa riskieren, dass-." "Es ist eine entschiedene Sache, Aiden!" Aiden funkelte Mina wütend an, drehte sich dann um und stürmte aus dem Raum. Dir Tür knallte laut hinter ihm zu.

Was bildete sich dieser arrogante Idiot eigentlich ein? Mina wäre ihm am liebsten nachgerannt und hätte ihm ordentlich die Meinung gegeigt. Aber das hätte sie vermutlich sofort ihre Stelle gekostet. "Das Personal isst immer um sechs, um zwölf und um neun. Neben der Küche gibt es einen eigenen Speisesaal. Seien Sie nicht zu spät, schließlich sollen Sie die Kinder pünktlich zu uns zum Essen bringen. Sie sind dafür verantwortlich, dass sie pünktlich aufstehen, zum Hausunterricht erscheinen und zum Mittagessen kommen. Außerdem müssen Sie nachmittags auf sie aufpassen und dafür sorgen, dass sie um Punkt halb neun Uhr schlafen gehen. Noch Fragen?"

Mina schüttelte nur den Kopf. "Gut. Mrs Fairchild wird Ihnen alles zeigen. Nach dem Abendessen beginnt Ihre Schicht. Olivia, Ethan, ihr bleibt noch einen Moment." Sie verstand das als eine Aufforderung zu gehen. Mit einem unterdrückten Seufzen schnappte sie sich ihren Koffer und schenkte den Kindern ein aufmunterndes Lächeln, das nur von Ethan erwidert wurde. Olivia gehörte wohl eher zur zurückhaltenden Sorte. 

Mrs. Fairchild wartete vor der Tür. Ohne ein Wort mit Mina zu wechseln, setzte sie sich in Bewegung. Sie stolperte wieder hinter der Sekretärin, oder was auch immer Mrs. Fairchilds Posten war, her und bestaunte nebenbei das riesige Haus. Es war genau wie Mr. Carters Büro spartanisch eingerichtet, nur hin und wieder entdeckte sie ein Gemälde mit einer Person darauf oder einen Kerzenleuchter. Ansonsten wurden sie nur von dunklen Wänden und dunklen Teppichen auf den Böden umgeben. Wirklich nett, dachte Mina missmutig.

Ihr Zimmer lag am Ende eines langen Flurs. Auch dort gab es nicht viel an Einrichtung. Ein großes Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch mit einer kleinen Lampe und ein kleines Bad mit Wanne, Duschkabine, Toilette und Waschbecken. Zumindest gab es einen kleinen Balkon. Mina nahm sich vor, sich am Wochenende in der nächsten Stadt ein paar Blumen zu besorgen, damit der Raum und der Balkon zumindest ein bisschen Farbe bekamen. Sie stellte ihren Koffer neben dem Bett ab und ließ sich von Mrs. Fairchild noch die Küche, die beiden Esszimmer, für Personal und die Grafenfamilie, die Zimmer der Kinder, die Küche, den Waschküche, den Salon (mit ganzen Reihen von Vodka, Rum und Whiskey) und die Bibliothek zeigen. An dem Anblick der Bibliothek blieb Mina hängen. Sie war ein gigantischer Raum, deren Regale bis zur Decke mit Büchern gefüllt waren. In der Mitte standen vier Ledercouchen um einen, großen rechteckigen Tisch herum. "Sie können sich hier jederzeit ein Buch ausleihen.", erklärte Mrs. Fairchild schmunzelnd. Das war das erste Mal, dass Mina sie lächeln sah. Offenbar mochte auch sie die Bibliothek. 

In der Küche wurden sie noch den beiden Dienstmädchen Jenny und Emma, dem Butler (ja, sie hatten tatsächlich einen Butler!) Mr. Moore und der Putzfrau Mrs. Ortega vorgestellt. Bis auf die beiden Dienstmädchen, die in etwa Dreißig und vom Aussehen her Zwillinge waren, kamen ihr alle mit der kühlen Art wir Mr. McLean entgegen. Beim Abendessen wechselte niemand ein Wort mit Mina. Sie erntete bloß fragende und neugierige Blicke. 

Schließlich wurde es Zeit, die Kinder zum Essen zu bringen. Zumindest die Zimmer der beiden waren ordentlich eingerichtet, mir Unmengen von Spielzeugen, je einer Stereo-Anlage und einem Flachbild-Fernseher. Ethan lag auf seinem Bett und spielte auf seinem Tablet. "Ethan?", fragte sie und lugte in sein Zimmer. "Es wird Zeit fürs Essen." Dieser nickte und legte das Tablet weg. Bevor sie auch an Olivias Tür klopfen konnte, fragte er: "Woher kommen Sie?" "Ich bin aus Mirrorvalley. Und nenn mich bitte Mina, Ethan." Er nickte erneut, diesmal mit einem Lächeln.

Die Schöne und das Biest (Märchenadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt