Neun

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Der Vorfall im Garten ging Mina tagelang nicht aus dem Kopf. Vielleicht auch, weil Aiden sich nicht mehr blicken ließ. Zumindest hatte sie ihre Arbeit als Ablenkung. Ihr Alltag war einfach und verließ nach einem einfachen Muster: Sie brachte die Kinder zum Essen, spielte mit ihnen im Garten oder ging mit ihnen in die Bibliothek. Wie sich herausstellte lasen auch die beiden gerne. Olivia redete und lachte viel öfter. Sie baute langsam Vertrauen zu Mina auf. 

Genau wie das Personal. Morgens grüßten sie sie zurück. Sie lächelten alle und es war kaum etwas von düsteren Mienen übrig, die ihr anfangs begegnet waren. Mr. McLean kam schnell aus dem Krankenhaus zurück und erholte sich rasch. Der einzige, außer Aiden, aus dem sie nicht schlau wurde, war der alte Graf. 

Er war nicht unfreundlich, aber immer öfter wirkte er verloren. In Gedanken versunken. Als würde er nur noch in seiner eigenen Welt leben. Sie vermied es, die Kinder darauf anzusprechen. Sie sollten sich nicht um noch mehr Dinge sorgen müssen. 

Diese schliefen schon, als Mina zu Mrs. Clarksen in die Küche ging. "Kind, was machst du denn um diese Zeit noch hier? Hast du Hunger?" "Nein, alles bestens. Ich dachte nur, Mr. McLean könnte einen Tee vertragen. Er muss ja noch Bettruhe halten." Ein Lächelnd stahl sich auf das Gesicht der älteren Dame. "Das ist wirklich nett von dir, Kleines. Was denkst du, welchen Tee sollen wir ihm machen?" "Haben Sie ein paar Kräuter da?" "Sicher.", antwortete die Köchin etwas unsicher und holte ein paar Gläser. 

Mina ging alle Beschriftungen durch. "Was hast du vor?", fragte Mrs. Clarksen. Mina begann Wasser aufzusetzen und stellte eine Tasse heraus. "Ingwer, Kamille und Lavendel ergeben zusammengemischt ein gutes Hausmittel gegen Migräne. Nach Mr. McLeans Gehirnerschütterung ist das genau das Richtige." "Woher weißt du das denn?" "Ich möchte Medizin studieren." Erstaunt sah sie Mina beim Teekochen zu und schenkte ihr ein bewunderndes Lächeln, als mit der Tasse und einem Teller hausgemachter Kekse nach oben ging. 

Mr. McLean bewohnte wie alle anderen eines der vielen Gästezimmer im zweiten Stock. Als Mina mit dem Tablett in der Tür stand, lächelte er schwach. "Hallo, Kindchen. Wie geht es dir?" Sie stellte die Sachen neben ihn auf den Nachttisch und zog sich einen Stuhl heran. "Gut, aber eigentlich wollte ich Sie das fragen. Fühlen Sie sich besser?" "Um Längen. Morgen trete ich wieder meinen Dienst an." "Sie sollten eigentlich noch für den Rest der Woche im Bett bleiben." "Und wer fährt dich dann zu deinem Date." "Mike holte mich und ... MOMENT! Woher wissen Sie von unserem Treffen?" Er zwinkerte nur leicht. "Das Personal hat seine Augen und Ohren überall."

"Da fällt mir ein... Ich wollte Sie noch fragen, was eigentlich genau passiert ist. Wie ist es zu dem Unfall gekommen?" Sein Gesicht verdüsterte sich. "Ich ... ich wollte zum Einkaufen fahren. Als ich die Einfahrt hinunterfuhr, rannte plötzlich ein ... ein Tier über die Straße. Ich wollte ausweichen, kam ins Schleudern und krachte gegen die Mauer." Mina brachte nur ein einfaches "Oh." heraus. Er bemühte sich um ein Lächeln. "Aber dann hast du und der junge Graf mich ja gefunden." Sie zwang sich, zurück zu lächeln. Sie war froh, dass es Mr. McLean gut ging. Aber diese merkwürdigen die hier vor sich gingen, waren eindeutig ein Problem.

Am nächsten Morgen lag wieder eine zerbrochene Statue im Garten. Mina hatte in der Nacht dieses Geräusch gehört, aber diesmal hatte sie sich gezwungen, nicht aufzustehen. Konnte sein, dass es besser war, manche Dinge nicht zu wissen. Dieser Meinung hielt allerdings nicht lange an. Es war Freitag, was bedeutete, dass sie nur noch 24 Stunden von mehr Antworten entfernt war. Manchmal fragte sie sich, ob sie Mike nur zugesagt hatte, damit sie mehr über die Carters erfuhr.

Sicher, er sah gut aus, hatte Charme und Humor, aber sie war sich nicht sicher, ob er ihr Typ war. In Mirriovalley war sie nie mit Jungs ausgegangen. Vielleicht war sie auch zu prüde, wie die anderen in der Schule gern behauptet hatten. Trotzdem glaubte sie an das Schicksal. Nur fiel ihr der Gedanke, dass Mike ihr Schicksal war, etwas schwer. Sie beschloss, sich einfach überraschen zu lassen. 

Die Schöne und das Biest (Märchenadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt