Zum 29./ Der Anruf

1.1K 55 2
                                    

"Meine Arbeit hier ist getan.", war das einzige, was er jetzt sagte und wandte sich zur Tür.

-

Das knacken des Türschlosses versicherte mir, dass ich nun wieder allein im Raum saß. An einen Stuhl gefesselt mit einem gedanklichen Durcheinander. Einerseits davon überzeugt, dass Yoongi ein guter Mensch ist und sich mir voll und ganz geöffnet hat. Und andererseits mit dem kleinen Zweifel, dass Taehyung und sein Gefolge recht hatten.

Energisch schüttelte ich den Kopf. Nein! Hör auf! Ermahnte ich mich selbst. Was denkst du nur? Yoongi liebt dich ohne wenn und aber. Genau das wollen sie erreichen. Sie wollen dich vom Gegenteil überzeugen, um dich gegen ihn einzusetzen.

Zufrieden über meine Erkenntnis nickte ich mit dem Kopf. Dennoch war da diese leise Stimme in meinem Kopf, die mich vom Gegenteil überzeugen wollte.

Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür erneut und ich hörte Schritte hinter mir. Als sich dann zwei Arme um meinen Hals legten und mir jemand einen leichten Kuss auf die Wange gab, zuckte ich kurz auf. "Es tut mir leid", sagte eine einfühlsame, bekannte Stimme. "Eigentlich sollte es nicht so weit kommen. Aber du ließt mir keine Wahl.", hauchte Tae  mit entgegen und begab sich zu einem weiteren Stuhl, den er dann vor mir abstellte und sich drauf setzte.

"Ach echt?", fragte ich ihn sichtlich gereizt und skeptisch. Er verwandelte seinen mitfühlenden Ausdruck in einen ernsten und schloss für einen Moment die Augen. Mit einem leicht genervten Seufzer griff er nach einem Gegenstand in seiner Hosentasche und hielt ihn sogleich vor meine Nase.

Es war ein einfaches Telefon. Dieses klappte er auf und der Bildschirm erhellte mein Gesicht. Es war nur ein Name und eine Nummer darunter zu sehen. Ich weitete meine Augen, als sich nach gründlicher Prüfung bestätigte, dass es sich tatsächlich um Yoongis Handynummer handelte.

"D-Darf ich ihn... ihn sprechen?", stotterte ich nervös und ein Funken Hoffnung entsprang meinen Augen. Taehyung bemerkte mein dringendes Verlangen nach Yoongis Stimme und nickte verständnisvoll. "Ich will, dass du die Wahrheit erfährst. Sei es durch meinen oder Sugas Mund..." Er sah bedrückt zu Boden. "Ich habe vorhin mit ihm telefoniert und er sagt, er sei bereit, es zu zugeben, aber nur, wenn du nicht dabei wärst."

Ich ließ leicht verwirrt den Kopf zur Seite fallen, sammelte mich aber wieder. "Ich glaube es nur, wenn ich es aus seinem Mund höre.", sagte ich selbstbewusst und sah Tae entschlossen in die Augen.

Dieser schüttelte nur traurig den Kopf und drückte auf den grünen Hörer.

Biep

Er hielt seinen Zeigefinger vor die Lippen, um mir zu symbolisieren, dass ich kein Wort sagen sollte.

Biep

Gespannt starrte ich auf Telefon, welches nur leise vor sich hin piepte.

Biep

Wann nimmt er endlich ab? Dann, ein leises knacken am anderen Ende der Leitung ertönte und das piepen hörte auf. Ein verschlafenes "Hallo?" kam durch das Mikrofon des Telefons, welches mein Herz schneller schlagen ließ. Tae holte Luft und fing an zu reden, den Blick stets auf mich gerichtet.

"Hallo Suga.", sagte er entschlossen mit einem enttäuschten Unterton. "Oh, Hallo V." Yoongi klang desinteressiert und leicht genervt. "Suga, ich muss noch einmal über einen deiner ehemaligen Aufträge reden.", fing Tae das Gespräch an. "Welchen denn?" "Jk's letzten... Du... Ich weiß alles.", Tae's Mundwinkel lagen leicht nach unten gebogen und sein Gesicht wurde etwas trauriger. "A-ach den, haha..." Selbst ich bemerkte, dass Yoongi sehr unsicher klang und sich jetzt wahrscheinlich am Hinterkopf kratzte. "Ja, den. Suga, ich möchte eine Erklärung von dir!", vom einen auf den anderen Moment wurde er verdammt wütend und ballte seine freie Hand zu einer Faust. "Wer hat Jk angeschossen und wer hat ihn allein dort gelassen?!?" Die letzte Frage war eher eine rhetorische Frage, dennoch wollte ich seine Antwort hören.

Tae warf einen flüchtigen Blick zu mir und starrte dann gegen die Wand. "Also... Um ehrlich zu sein", fing Yoongis Stimme an. "Ich habe ihn zurück gelassen, das stimmt." Die lange Pause beunruhigte Tae und er harkte unsicher nach. "U-und wer hat ihn angeschossen?" Ein langer Seufzer an der anderen Leitung zögerte die Antwort heraus.

"Ich."

Tae ließ das Telefon fallen und stand fassungslos da. Er bewegte sich kein Stück, selbst ich war nicht darauf vorbereitet und saß mit offenem Mund auf dem Stuhl. Tränen liefen wie Wasserfälle meine Wangen hinunter und immer wieder versuchte ich Tae mit einfühlsamen Worten zu erreichen. Sein Blick sank auf den Boden und die Augen wurden auf einmal glasig.

So etwas hatte ich nur einmal in meinem ganzen Leben gesehen. Eine ehemalige Freundin, der ich alles erzählen konnte, kam eines Tages nicht mehr zur Schule und jeder fragte mich, wo sie sei. Daraufhin konnte ich nur mit den Schultern zucken. Dann bin ich zu ihr nach Hause gegangen und schloss die Tür mit einem Generalschlüssel auf. Die Mutter war nicht daheim. Sofort ging ich die Treppe hinauf zu ihren Zimmer und dann... Peng. So schnell ich konnte rannte ich in ihr Zimmer, riss die Tür auf und sah meine Freundin auf dem Boden liegend. Verblutend. Mit einer Schusswaffe in der Hand.

Damals fragte ich mich, ob ich sie mal nach ihren Problemen hätte fragen sollen. Aber jetzt weiß ich, dass ich nichts hätte ausrichten können.

"Tae... Geht es dir gut?", stotterte ich. Doch Taehyung achtete nicht auf mich und lief achtlos an mir vorbei. Hinter mir schloss sich die Tür und ich sah zum Telefon, welches er dort liegen gelassen hatte.

Hat er es absichtlich vergessen? Ich wollte aufstehen doch die Seile hielten mich zurück.

Survive™▪[Suga]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt