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Die Dämmerung zog sich wie ein Gemälde über Bunoes Aires. Rosa und Lila Streifen zogen über die Hochhäuser hinweg. Hier und dort tauchten die ersten Sterne auf.
Auch die Stadt schien zu bemerken, dass der Tag sich zu einem Ende neigte.
Der Verkehr wurde schwächer, die Straße leerer.
Es war nicht so, dass Buenos Aires ruhige oder sogar leise Stunden hatte... Aber zu bestimmten Uhrzeit schien die Stadt herunterzufahren, nur um sich für die nächsten Stunden neu zu regenerieren.

Ámbar und Simón liefen die Strecke durch den Park. Hier schien die Dämmerung sich besonders in Szene zu setzen. Aber für das Spektakel interessierten die beiden sich nicht sonderlich.
Sie waren viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Gedanken.

Ámbar spielte die ganze Zeit nervös mit ihren Händen. Mit dem Kaffee hatte sie ein Statement für Simón setzen wollen. Doch er hatte nicht reagiert. Kein kleines erleichtertes Lächeln, kein Grinsen, absolut gar nichts. Es beschäftigte Ámbar sehr. 
'Vielleicht hat er es auch gar nicht bemerkt? Wäre das gut oder schlecht?', wunderte sich Ámbar und wünschte sich, dass die Stille endlich zwischen ihnen aufhören würde.

"Tut mir Leid, dass ich wieder darauf zu sprechen komme", begann Simón passend zum Augenblick an zu sprechen, "Aber ich kann es nicht fassen, dass deine Tante dich nicht beim Skaten unterstützt. Du bist unglaublich gut! Weiß sie überhaupt, wie talentiert du bist?"

Ámbar lächelte schwach. Sie hatte sich zwar gewünscht, dass die Stille brach, aber nicht mit diesem Thema. Sie war es nicht gewohnt über persönliche Dinge zu sprechen. Dinge, die sie selbst nicht verstand. Dinge, die sie lieber ignorierte. Es ließ sie unwohl fühlen.

Aber konnte sie es wagen sich selbst zu sein? Durfte sie es wagen ehrlich zu sein? 
Er könnte ein Bild von ihr bekommen, dass nicht so sein sollte. 

Ámbar seufzte.
"Das ist süß von dir. Aber es ist meiner Tante nicht wichtig. Für sie ist meine Bildung viel wichtiger und das ich erfolgreich bin und einen großartigen Job finde. Das einzige, dass ich in dem Sinne selbst wählen durfte, war die Universität."

"Paris, huh?", hakte Simón nach und Ámbar nickte bestätigend.
Ihre Augen wurden plötzlich feucht. Mit Paris verband sie immer ihre Eltern. Und mit ihren Eltern kam der Schmerz, der drohte ihr Herz zu zerreißen. 

Manchmal stellte sich Ámbar vor wie es wäre, wenn ihre Eltern noch am Leben wären. Wie wäre sie? 
Ihre Erinnerung an ihre Eltern verblasste von Jahr zu Jahr. Sie war noch so klein gewesen... 
Unter keinen Umständen wollte Ámbar die Erinnerung an ihre Eltern vergessen. Und Paris, so hoffte sie, bringt sie näher zu ihnen.

"Meine Mutter hat an der gleichen Universität studiert", klärte sie auf. "Und dort hat sie dann meinen Vater getroffen. Als ich sechs war verstarben beide bei einem Unfall. Ich hatte Glück, dass ich mit Prellungen und einem Bruch davon gekommen bin. Seither lebe ich bei meiner Tante. Damals hatten wir auch viel gespielt und man glaubt es kaum, aber sie konnte auch sehr witzig sein.
Doch dann wurde sie immer mehr verbittert. Bis heute kenne ich nicht den Grund dafür.
Ich war ihr solange egal, bis ich Erfolge zeigte. Naja und nach dem diese Beziehung in die Brüche ging, hat das unsere Beziehung völlig runter gezogen. ", erzählte Ámbar. Sie machte eine kurze Pause.

Simón hatte seinen Kopf gesenkt und blickte auf den Boden. Seine Hände vergrub er in den Hosentaschen. Seine Stirn legte sich in kleine Falten und biss sich leicht auf die Lippe. Dann entspannte er sich wieder und hörte ihr aufmerksam zu. 

"Es klingt vielleicht etwas komisch, dass so platt zu sagen, aber ich vermisse meine Eltern sehr. Und es klingt vielleicht dämlich, aber wenn ich in Paris bin, dann bin ich ihnen irgendwie näher. Das ist der Ort, an dem alles begann. Wir wollten immer als Familie dorthin zurück. Aber wir haben es nie geschafft."

emotions. [Simbar]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt