Kapitel 10

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Sie durchwühlen meine Sachen.
Sie durchwühlen meine Sachen.
Sie durchwühlen meine Sachen.
SIE DURCHWÜHLEN VERDAMMT NOCHMAL MEINE SACHEN!

Wut. Sie ist in mir. Sie ist überall. In meinem Herzen, meinen Beinen, meinen Armen, meinen Fingerspitzen. Ich bin so verdammt wütend. „Was zur Hölle fällt euch ein?", fauche ich, erkenne meine eigene Stimme nicht wieder, habe die Kontrolle über mich verloren. Der Blonde sieht mich unbeeindruckt an. Der Andere sieht beschämt auf den Boden. Oder will er sein Grinsen verstecken? Keine Antwort. „Wie erbärmlich seid ihr eigentlich?" Ich donnere die Tür hinter mir zu, gehe zwei Schritte in den Raum hinein. Sehe Luke an. Er erwidert meinen Blick kommentarlos.

Lachen. Jemand lacht. Jemand lacht laut und trocken. Jemand lacht mich aus. Der Jemand ist der Blonde. Ich schlage ihn. Ins Gesicht. Auf die Nase.

Was habe ich getan?

Er ist mein Spiegel. Ein Schritt nach hinten, vor Schreck geweitete Augen. Wie erbärmlich bin ich? Luke will etwas sagen, doch ich komme ihm zuvor. Mein Gehirn kommt ihm zuvor. „Du hast Recht, Luke. So kann man wirklich mehr Kraft aufwenden." Wut schlägt mir entgegen, doch prallt sie an meiner eigenen ab, bevor sie mich erreichen kann. Ich habe eine Schutzmauer der Wut um mich, die mich davon abhält, seine Gefühle an mich herankommen zu lassen. Der Gedanke, dass ich es nun jedoch gänzlich vermasselt habe, hat sich in meinem Kopf festgesetzt. „Ich gehe jetzt ins Bad und wenn ich gleich herauskomme, sind deine Freunde weg. Hast du verstanden?", zische ich.

Es braucht nur wenige Sekunden und der Braunhaarige ist verschwunden, ohne dass Luke noch irgendetwas sagen musste. Nur der Blonde steht noch immer vor mir, wischt sich das Blut unter seiner Nase weg und blickt mich zornig an. Doch auch seine Wut erreicht mich nicht. „Du hast so ein Glück, dass ich keine Frauen schlage, Psycho", murmelt er als Luke ihn an mir vorbei vor die Tür zieht.

Der Nebel der Wut, der meine Sicht getrübt hatte, verschwindet langsam, als mir auffällt, dass Luke einfach gegangen ist. Ohne Widerworte.

Habe ich ihnen Angst eingejagt? Erschien ich so unberechenbar, dass sie gegangen sind, weil sie Angst vor mir haben?

Langsam hebe ich meine Hand, betrachte sie, spüre den Schmerz. Wie dumm bin ich eigentlich, dass ich schon Leute schlage, nur weil sie meine Sachen durchsucht haben? Wenn Domenik oder die Organisation davon erfährt, dann schicken sie mich sofort zurück nach Deutschland. Scheiße, scheiße, scheiße. Sie werden mich nun doch nur noch mehr hassen oder sie werden sich rächen. Natürlich werden sie sich rächen. Wieso sonst hätten sie das Zimmer verlassen, ohne etwas zu sagen. Wobei, der Blonde hat etwas gesagt. Psycho, wie recht er doch hat. Sie werden sich so böse rächen, dass ich freiwillig zurück nach Deutschland gehe. Je mehr ich darüber nachdenke, hasse ich mich selbst für mein dummes Handeln. Ich habe ihn tatsächlich geschlagen.

Während ich mir die Zähne putze, denke ich dauerhaft an ihn. An ihn und den Schlag und das Blut unter der Nase, welches er sich wegwischte. An den Schmerz, den er spüren musste. Wegen mir spüren musste.

Als ich aus dem Badezimmer komme, ist Luke immer noch weg und ich male mir aus, wie sie im Kreis auf dem Boden sitzen und Pläne schmieden. Ich muss noch mit Domenik telefonieren. Wie soll ich jetzt mit Domenik telefonieren? Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass er mir geschrieben hat. Ich muss mir irgendetwas überlegen...irgendetwas. Ich kann einfach nicht. Ich kann nicht mit ihm telefonieren.

Domenik: Wann kannst du denn?
LG Domenik

Ich: Heute nicht mehr...
Gibt nun Abendessen und danach bin ich nicht mehr alleine.
Tut mir leid.
Kanela

Domenik: Kanela, du weißt, dass wir diese Sitzung halten müssen?

Natürlich weiß ich das. Ich habe gerade jemanden geschlagen.

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