Kapitel 14

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Luke. Luke? Luke!

Ich keuche auf, zu viel. Wieso steht er bei mir? Mit großen Augen sehe ich den Jungen vor mir an, kann nicht verstehen, wieso er bei mir ist und nicht bei seinen Freunden, doch nachfragen kann ich nicht. Eine tiefe Furche ist zwischen seinen Augenbrauen, seine Augen mustern mich besorgt – BESORGT. Mein Atem geht zitternd über meine Lippen, während wir uns einfach nur gegenüberstehen und uns ansehen, er darauf wartend, dass ich mich beruhige und ich darauf wartend, dass er etwas sagt. Wir enttäuschen uns gegenseitig.

Ein schmerzhafter Stich in meiner Brust lässt mich nach Luft japsen, ich muss mich nach vorne beugen, um atmen zu können. Ich will kein Psycho sein. ICH WILL KEIN PSYCHO SEIN. Wieso bin ich ein verdammter Psycho? „Kanela?“, fragt er oder fragt er nicht? Immerhin hat er nur meinen Namen gesagt. „Alles in Ordnung?“ Das ist eine Frage, eine dumme Frage im Anbetracht der Tatsache, dass ich japse als wäre ich einen Marathon gelaufen, nach Luft ringe als wäre ich zwei Bahnen getaucht. Ich schüttle dennoch den Kopf, um ihm zu zeigen, dass ich nicht in Ordnung bin.

„Setz dich hin, hier ist niemand. Keiner kann dich sehen, Kanela“, meint er seufzend zu mir und ich höre, dass er in die Knie geht. Seine Hose spannt sich nun bestimmt über seinen Knien und sein schwarzes T-Shirt rutscht jetzt nach oben, so dass ein Stück seiner Haut am Rücken zu sehen ist. Haut, die schön ist. Haut, die nicht meine ist. Ich lasse mich auf den Boden fallen und schlinge die Arme um meinen Körper, frage mich wo mein Optimismus von gestern geblieben ist. „Ich will kein Psychopath sein“, flüstere ich leise, immer und immer wieder und wiege mich nach vorne und hinten, immer und immer wieder. Mir ist bewusst, wie psychopathisch das Aussehen muss.

„Du bist kein Psychopath, Kanela“, sagt Luke zu mir, setzt sich mir gegenüber auf den Boden, lässt mich nicht aus den Augen. Weiß er, dass man den Namen hinter jeden Satz stellen soll, wenn man mit wirren Personen spricht, damit man sie besser beruhigen und erreichen kann? Oder ist es sein Instinkt, der meinen Namen – der gar nicht mein Name ist – hinter jeden seiner Sätze schiebt. „Doch“, hauche ich leise, schluchze auf und vergrabe meine Hände in meinen Haaren, rede aufgebrachter weiter. „Du hast es doch mitbekommen. Ich schlage Leute und flippe bei jeden Kleinigkeiten aus und habe mich geritzt und bin ein Psychopath der bei einer Hilfsorganisation mitmachen muss“, ich pausiere, ahme seine Worte nach, „weil er nicht mehr auf sein Leben klarkommt. Du wusstest es von Anfang an und du hast Recht damit.“

Ich will nicht dass er Recht hatte, tränenlos weine ich. „Hör auf dich selbst fertig zu machen, Kanela“, spricht er beruhigend auf mich ein, versucht es zumindest, doch er ist die falsche Person dafür. Eine komplett falsche Person. Er beruhigt mich nicht, er macht mich nur wütend. Wütend auf mich, weil ich es nicht schaffe mich nicht fertig zu machen.

Ich streiche meine Haare nach hinten und stehe auf, sehe mich kurz um, um mich zu orientieren und bemerke dass wir im Flur neben Grace und Clints Zimmer sind. „Sag Sam und Jane bitte, dass ich schlafen gegangen bin“, sage ich mit einer Stimme, die so gezwungen fest klingt, dass sie bereits wieder erbärmlich klingt, zu Luke, welcher nun ebenfalls aufsteht und mich mit gerunzelter Stirn ansieht.

„Kane – Was?“ Endlich gibt er es auf mich bei diesem Namen zu nennen, den ich momentan nicht hören will. Ich will momentan gar nichts hören. „Ich gehe schlafen. Jetzt. Und du sagt Sam und Jane Bescheid, damit sie sich keine Sorgen machen müssen“, wiederhole ich mich, doch als er nichts sagt sehe ich ihn eingehend an, „verstanden?“

Er nickt, wortlos und hält mich nicht auf als ich an ihm vorbei gehe und mit polternden Schritten die Treppe nach oben laufe. Zum Glück ist niemand hier oben. Zum Glück ist gutes Wetter und alle sind draußen oder im Erdgeschoss. Ich muss mit Domenik telefonieren.

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