Kapitel 6

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(Headline wird später eingefügt)


Ich bin wie ein Geist, der betrachtet, aber nicht gesehen wird und so verbringe ich die gesamte Zeit alleine in meinem neuen zu Hause. Oder fast alleine, denn ab und an ist auch Aaron hier und auch Grace und Clint habe ich ein paar Mal gesehen, jedoch arbeiten sie sehr viel. Abgesehen davon gehen sie davon aus, dass Aaron sich um mich kümmert und mir die Stadt, den Strand, alles zeigt und ich habe nicht vor ihnen die Wahrheit zu sagen, da ich mich wohl dabei fühle, mal alleine zu sein. Ich war in meinem Leben noch nie alleine in einem Haus und wenn doch, dann war es kein schönes Allein-Sein, bei dem man sich selbst finden, sich über viele Dinge Gedanken machen oder einfach nur ausruhen könnte. Oder ein Allein-Sein, bei dem man frei entscheiden kann irgendwann nicht mehr alleine zu sein.

Doch die letzten Tage habe ich genau das gefühlt. Ich war frei in meinem Allein-Sein und hätte es jederzeit beenden können, wenn ich denn gewollt hätte, doch ich wollte nicht. Wie gesagt.

Vor allem gibt es niemanden, der mich reizt, der mich verletzt und so kann ich essen ohne Angst zu haben. Wobei meine Gedanken mir einen Strich durch die Rechnung machen könnten, aber ich will zumindest einmal in meinem Leben halbwegs optimistisch sein. Und immerhin habe ich bisher nichts von dem ausgebrochen, was ich gegessen habe, wobei sich das auch auf der Waage bemerkbar macht. Bisher konnte ich sogar das Gespräch mit Domenik hinauszögern mit der Begründung, ich müsse mich erst einleben. Morgen jedoch muss ich dann wirklich mit ihm telefonieren und mir graut es davor. Immerhin ist es ein Internat, in das ich gehe und dort werde ich mir wieder ein Zimmer teilen müssen und Menschen sind neugierig. Nur habe ich nicht vor, diese Neugierde zu stillen.

Da ich mich jedoch völlig nutzlos fühle, während ich die ganze Zeit nur auf meinem Bett liege und lese oder denke, möchte ich mal den Fitnessraum ausprobieren. Ich bin mal wieder völlig alleine, Aaron ist zu irgendeinem Freund gefahren, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe und selbst an einem Sonntag, arbeiten meine Gasteltern den ganzen Tag. Ich glaube, freie Tage gibt es bei ihnen wirklich nur selten, aber dann werden sie voll ausgekostet. Immerhin haben sie die ganze Familie bei sich, wenn sie arbeiten, da es ja ein Familienbetrieb ist, und verbringen so irgendwie Zeit miteinander, auch wenn sie arbeiten. Auch die Temperaturen sind um einige Grad gefallen, obwohl das nicht viel an der Hitze ausmacht. Es wird wahrscheinlich noch einige Wochen dauern, bis ich mich an das Wetter gewöhnt habe, wobei es dann auch nicht mehr so heiß sein würde. Denn auch, wenn es hier nicht wirklich einen Winter gibt, ist es doch kühler. Was denke ich da? Natürlich wird es kühler.

Ich ziehe mir ein Top und eine kurze Hose an, da niemand hier ist muss ich auch nicht befürchten, dass mich irgendwer sieht. Bevor ich jedoch in den Fitnessraum gehe, mache ich einen Abstecher in den Keller, den Aaron mir gestern gezeigt hat und nehme mir etwas zu Trinken mit.
Als ich die Tür öffne, bin ich wirklich erstaunt darüber, was ich zu Gesicht bekomme. Es existiert sogar ein Boxsack, der meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt, denn zu boxen ist eine gute Quelle um angestauten Frust loszuwerden. Zuerst jedoch widme ich mich dem Laufband und laufe mich warm, wobei warm der falsche Ausdruck ist, denn warm ist mir schon. Ich laufe.

Das hört sich doch schon viel besser an – ich laufe. Wieso denke ich überhaupt darüber nach? Ich stecke meine Kopfhörer ins Ohr und schalte auf meinem wohl einzigen, wertvollen Besitz – ein kleiner MP3 Player – Musik an, die mich schon gleich einen Takt finden lässt, der meine Füße voran treibt.

Außer Atem hebt sich meine Brust bei meinen bemüht tiefen Atemzügen, während meine Finger die Wasserflasche umklammern. Ich bin wirklich froh, daran gedacht zu haben, mir etwas zu trinken zu nehmen. Denn jetzt wäre ich wirklich aufgeflogen, ohne. Kurz lasse ich meinen Körper sich ausruhen, ich habe lange kein Sport mehr gemacht und nun zahlt sich das aus.

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