Kapitel 39

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Wir gehen Arm in Arm schlafen, küssen uns, lieben uns, als hätten wir nie etwas anderes getan und als wäre es gar nicht anders möglich. Als wären wir schon immer zusammen und wären so aufgewachsen, mit dieser Liebe zueinander. Ich fühle mich anders, glücklich und frei und ich kann besser schlafen, seitdem wir ein Paar sind. Da sind kaum noch Albträume, die mich an damals erinnern könnten – an mein altes Leben. An mein Leben als Lena.

Es ist wie Balsam für mich, dass wir zusammen sind. Er ist wie Balsam für mich und es ist so unbeschreiblich, wie ich mich fühle. Wir sind jetzt bereits einen Monat zusammen. Wir haben viele Prüfungen geschrieben und ich habe Fynn bei Mathe geholfen, während Luke mir bei Englisch half. Ich stehe überall auf eins, bis auf Sport. Da stehe ich bei zwei und in Englisch, sowie Geschichte auf 2-, da meinem Geschichtslehrer die Interpretation einer Karikatur nicht gefallen hat. Ich will mich jedoch nicht beschweren – auch wenn es ärgerlich ist.

Fynn hat bei der Kurvendiskussion, die ein Bestandteil seiner Arbeit war, volle Punkte erhalten und das macht mich wirklich stolz. Luke hat fleißig für seine Prüfungen gelernt, obwohl er nicht einmal weiß, was er nach der Schule machen will, jedoch will er im Notfall nicht von seinen Noten behindert werden. Ganz im Gegensatz zu der Meinung seiner Eltern, die denken er wäre ein totaler Versager. Ich kann ihn dafür nicht verurteilen, mir geht es genauso und so bin ich doch ganz froh darüber, dass ich noch beinahe zwei Jahre vor mir habe. Der Gedanke daran, dass ich nächstes Jahr in Deutschland nach einer Uni gesucht hätte, macht mich umso glücklicher, dass ich nun hier bin.

„Man Bunny, mach mal schneller, wir wollen los. Sonst brauchst du doch auch nicht so lange, um dich fertig zu machen", jammert Luke und ich verdrehe meine Augen, schließe den Reißverschluss meiner Tasche und gehe zur Treppe. Er lehnt lässig an der Wand gegenüber und sieht mir grinsend dabei zu, wie ich die Stufen hinunter laufe.

„Irgendwie kommt die Situation mir bekannt vor", meint er, kommt mir entgegen und nimmt meine Tasche. „Nur, dass ich dich nun küssen werde." Und das will er, ich lehne mich jedoch zurück und sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Wenn das hier ein Déjà vû werden soll, dann müssen wir uns hassen, oder so tun als ob. Aber uns ganz sicher nicht küssen", erwidere ich, grinse verschmitzt und gehe an ihm vorbei die Treppe hinunter. Muss noch breiter Grinsen als ich an seinen Gesichtsausdruck denke.

„Tschüss, Grace", verabschiede ich mich von meiner Gastmutter, die sich nur mit Mühe ihr Lachen verkneifen kann. Doch als ich nach draußen trete, scheint Luke die Situation realisiert zu haben, denn er flucht lautstark irgendetwas, was ich nicht verstehe und Grace muss doch lachen. Während ich mich gemütlich auf den Beifahrersitz fallen lasse und meine Freunde begrüße, die auf der Rückbank sitzen, kommt Luke mit meiner Tasche aus dem Haus und sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an.

„Was hast du denn schon wieder getan?", fragt Aaron schmunzelnd. Ich drehe mich zu ihm und meinen Freundinnen und sehe sie unschuldig an. „Ich? Gar nichts."

„Nichts?", brummt Luke und setzt sich ebenfalls in sein Auto, schlägt die Tür zu. „Das wirst du sowas von bereuen." Ein Kichern kann ich mir nicht unterdrücken und obwohl die anderen nicht einmal wissen, um was es geht, müssen sie mit mir lachen, weil Luke – ja Luke ist einfach Luke.

Ich sehe zu meinem Freund, der mich böse ansieht – mein Freund, wie das klingt, himmlisch – und schenke ihm ein Lächeln. Er verdreht die Augen, jedoch sehe ich sein Schmunzeln. Also ist er gar nicht so sauer, wie er vorgibt. Alles im grünen Bereich, ich kann weiterlachen. Er fühlt sich nicht von mir augelacht.

Wie wir bereits letzten Monat ausgemacht haben, fahren wir an den See. Allerdings soll auch Nate kommen und das zerrt an meiner guten Laune, ich kann ihn einfach nicht leiden. Als Luke gemeint hat, dass er ebenfalls kommt, war ich kurz davor ihn anzuflehen, Nate wieder auszuladen, aber er ist sein Freund und was für eine Freundin wäre ich, wenn ich ihm den Kontakt verbieten würde, nur weil ich Nate nicht mag?

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