Kapitel 7

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Ich werde weder von meinem Wecker, noch von einem Alptraum geweckt. Es ist Grace, die in mein Zimmer hereinstürmt und mich somit weckt. „Kanela, wir haben verschlafen. In 15 Minuten fährt Luke bereits los, mach dich fertig“, ruft sie durch das ganze Zimmer, in einer Lautstärke, welche mich gänzlich in die Realität zurückbringt. Leise brumme ich, fahre über meine verschwitzte Stirn und streiche mir die Haare hinter mein Ohr. Ich habe immer noch Bauchschmerzen, allerdings wird mich das nicht davon abhalten, in besagten 15 Minuten fertig zu sein. „Wieso schläfst du denn in langen Sachen und in Socken?“, fragt mich Grace verwundert, als ich aus dem Bett steige. Ich weiche ihrem Blick aus und zucke mit den Schultern, was sie so hinzunehmen scheint, da sie nur nickt und das Zimmer verlässt.

Mit meinen Händen forme ich eine Mulde, fange das kühle Wasser auf, um damit mein Gesicht zu waschen. Meine Haut ist heiß, ändern kann ich daran allerdings nichts, also putze ich mir die Zähne, ziehe mich währenddessen aus. Ziehe mir die Kleider an, die ich mit ins Badezimmer genommen habe, als ich fertig mit Zähne putzen bin. Eine dreiviertellange, hellblaue Hose und ein graues, weites T-Shirt.

Als ich mein Zimmer betrete und meinen Koffer in der Ecke bemerke, fällt mir ein, dass ich noch gar nicht gepackt habe. Nun doch etwas gestresst, greife ich nach meinem Koffer und öffne den Schrank. Kurzerhand greife ich willkürlich nach ein paar Sachen und schmeiße sie in den Koffer, ohne wirkliche Ordnung. In der Hoffnung, dass ich alles habe, was ich für die nächsten fünf Tage brauche. Ansonsten muss ich einkaufen gehen, was ich eigentlich ohnehin mal wieder machen müsste.

Mit dem Koffer in der Hand gehe ich zur Treppe, unten steht bereits Luke, an die Wand gelehnt, welcher mich beobachtet, wie ich mit dem Griff des Koffers herumhantiere. Natürlich muss dieser nun klemmen. Ihn nach Rat fragen, will ich nicht. Ich kann ihn nicht einmal ansehen, ohne dass ich an gestern denken muss. „Luke, kannst du Kanela bitte helfen? Ihr seid schon sehr spät dran“, meint auf einmal Grace, keine Ahnung wie sie so schnell auftauchen konnte, ohne, dass ich es bemerkt habe. Mit einem Grummeln, kommt er die Treppe zu mir nach oben und greift nach dem Griff meines Koffers, schlägt einmal auf ihn und löst so scheinbar irgendetwas, denn der Griff lässt sich ganz normal, ohne Probleme, einfahren. Währenddessen bin ich einen Schritt nach hinten gewichen und sehe ihm kritisch dabei zu, wie er letztlich meinen Koffer hochnimmt und die Treppe nach unten trägt. Das hätte ich selbst geschafft, so schwer ist er auch nicht. „Ich will ja nicht morgen noch hier stehen“, kommentiert er, wirft einen Blick zu mir nach hinten und hebt seine Brauen. „Kommst du nun endlich oder willst du noch weitere Löcher in die Luft starren?“ Ich verdrehe nur die Augen.

Kurz bevor ich das Haus verlasse, hält mich Grace auf. „Ich habe hier noch ein Willkommensgeschenk für dich, Kanela. Es wird dir nicht gefallen, dass ich das Geld für dich ausgegeben habe, ich weiß. Allerdings wollen wir, dass du erreichbar bist und das wir für dich erreichbar sind, falls du mal telefonieren möchtest“, erklärt sie mir ruhig, während sie mir ein Handy überreicht. Unwohl presse ich meine Lippen zusammen, will ihr sagen, dass ich das nicht annehmen kann, allerdings wäre das auf andere Weise genauso unhöflich. „Danke, Grace“, meine ich dann also nur. Die Überraschung ist klar in meinem Ton zu erkennen. „Wirklich, danke. Ich weiß nicht, wie ich das verdient habe, bei euch wohnen zu dürfen.“ Sie nickt nur und lächelt mich an, so dass um ihre Augen kleine Fältchen entstehen. Ich glaube, jetzt wäre der Moment in welchem man sich umarmt, allerdings kann ich sie nicht in den Arm nehmen, also versuche ich mit einem Lächeln, Gefühle zu zeigen, die ich anders nicht zeigen kann. „Und jetzt geh zu Luke, er wartet auf dich. Ich wünsche dir einen schönen Start in der Schule und tolle Mitbewohner.“

Die Beifahrertür steht offen, weshalb ich mich auf den Sitz neben Luke fallen lasse, der ungeduldig sein Lenkrad als Trommel benutzt. „Danke fürs Mitnehmen“, murmle ich und sehe aus dem Fenster. „Ist mir ein Vergnügen, Prinzesschen“, erwidert er, weshalb ich meine Schultern schützend an meine Ohren ziehe.

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