Kapitel 40

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Ich überlegte, ob ich zurück in den Gemeinschaftsraum gehen sollte, entschied mich aber dafür erst einmal ins Bad zu gehen, um mich von dem Grünzeug zu befreien. Ich musste einiges an Zweigen und Blättern in den Haaren haben.

Alles war leer und die meisten schliefen wohl schon, was recht angenehm war. Ich wollte mich wirklich nicht erklären, warum ich nur in Unterwäsche bekleidet, durch die Herberge lief. Wahrscheinlich würde ich den netten älteren Leuten damit einen Herzinfarkt bescheren. Das wollte ich wirklich nicht.

Das Bad war groß mit mehreren Duschen, Waschbecken und kleineren Schränken für die Handtücher. Da ich kein Handtuch dabei hatte, stellte ich mich erst einmal ans Waschbecken, um mich im Spiegel darüber zu begutachten,

Wie ich angenommen hatte, waren meine Haare voller Äste und Blätter. Es sah irgendwie witzig aus und ich hatte das Bedürfnis zu lächeln. Allerdings verzogen sich meine Lippen nicht. Mein Gesicht behielt weiterhin den selben, monotonen Ausdruck.

Ich dachte mir nicht viel dabei und begann mein Gesicht zu waschen, so gut es ging und dann begann ich damit mir die Äste und Zweige aus den Haaren zu sammeln.

Allerdings ging mir mein eigenes Spiegelbild nicht mehr aus den Sinn. Ich hatte wirklich geglaubt, dass ich lächelte. Warum hatte ich dann so teilnahmslos ausgesehen?

Weil meine Gedanken immer wieder genau darum kreisten, hielt ich irgendwann genervt inne und blickte erneut in den Spiegel, nur um festzustellen, dass ich nicht genervt, sondern monoton aussah.

Ich versuchte meine Lippen zu einem Lächeln zu zwingen, oder irgendwas anderes zu tun und während ich das Gefühl hatte zu lächeln, passierte einfach überhaupt nichts mit meinem Gesicht.

Angst machte sich in mir breit, aber eigentlich war sie doch nicht so stark, wie sie hätte sein sollen. Noch immer keine Regung in meinem Gesicht.

War es dass, was Venom gesehen hatte und was ihn so reagieren ließ? Wie würde ich reagieren, wenn jemand die ganze Zeit so drein blickte? Ich wusste es nicht und ich wusste auch nicht, was ich machen sollte. Was war los mit mir?

Das war doch nicht normal. Vielleicht sollte ich Kian aufsuchen gehen. Er war immerhin Heiler. Aber war es mir möglich hier in der Herberge mit ihm allein zu sprechen?

Wohl eher nicht. Und morgen würden sich alle ganz auf den Contest konzentrieren. Alle, außer ich. Irgendwie hatte jeder eine Aufgabe. Sarah war die Managerin. Angelica gab sich als Stylistin aus. Odin war der Fahrer, Jack trug die Instrumente und Daliah, Venom und Kian waren die Band. Und was tat ich? War ich das Fan-Girl? Mit diesem Gesichtsausdruck wohl kaum!

Ich konnte nicht abstreiten, dass ich ein wenig neugierig war, sie singen zu hören, gleichzeitig wollte ich mich aber auch nur verstecken.

Seufzend entschied ich das Bad zu verlassen und machte mich auf den Weg zu unserem Gemeinschaftszimmer in der Herberge. Ich musste mit Kian reden, wusste aber nicht so genau, ob er noch wach war und allein.

Leise und vorsichtig öffnete ich die Tür und blickte in den dunklen Raum.

Am Fenster konnte ich dennoch jemand stehen sehen, der aufblickte, als ich in den Raum schlüpfte.

Kurz dachte ich, es wäre Kian, doch dann besserte sich mein Blick und ich erkannte Jack, der mich anblickte.

„Gut, dass du wieder da bist, ich hab mir Sorgen gemacht", erklärte er mir flüsternd und ich wollte ihn dankend anlächeln, doch ich wusste nicht, ob meine Lippen dieses Lächeln auch zeigten.

Dass er sich noch immer Sorgen um mich machte, obwohl ich so etwas schreckliches getan hatte, wärmte mein Herz und machte mir Hoffnung, dass ich vielleicht doch über den Verlust hinweg kommen könnte, der mein Herz zu einem festen Knoten drehte.

Dragon Hill ~Verfluchte Kinder~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt