Kapitel 7

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„Schön, dass ihr mir Gesellschaft leistet", begrüßte mich Daliahs nüchterne Stimme und ich blinzelte. Alles war dunkel, mir tat alles weh und ich atmete Staub ein.
Stöhnend richtete ich mich aus meiner liegenden Position auf und als Dank begann mein Kopf sich zu drehen, während mich ein heftiger Hustenreiz überkam.
Als ich mich ganz aufrichten wollte, zuckte ein heftiger Schmerz durch meinen Fuß, der mir Tränen in die Augen trieb und dafür sorgte, dass ich mich wieder auf meinen Hintern plumpsen ließ.
Der Schmerz den ich nun dort spürte, war nichts, im Vergleich zu meinem Fuß.
Langsam zog ich mein Bein heran, um meine Schuhe auszuziehen, doch Venom hielt mich davon ab. „Lass den Schuh an. Wenn du ihn jetzt ausziehst und der Knöchel wirklich dick wird, dann bekommst du ihn nicht wieder an. Der Schuh schützt deinen Fuß gerade besser", erklärte er und ich blickte zu ihm auf.
Sein musternder Bick fiel mir trotz seiner Sonnenbrille auf.
Was er damit wohl versteckte?
Eine interessante Frage, doch leider nicht interessant genug, um mich von den Schmerzen abzulenken.
Um uns herum war alles dunkel und nur das spärliche Licht des Raumes über uns fiel durch das Loch.
Ich kniff kurz die Augen zusammen, um durch den Schmerz hindurch zu atmen, ehe ich begann meine Taschen ab zu suchen. „Wo ist denn nur mein Handy", murmelte ich und meine Finger berührten das Gerät gerade, als ich Venom sagen hörte: „Das ist eh nutzlos. Selbst im Keller gibt es schon keinen Empfang mehr."
Ich verdrehte die Augen und zog das Handy hervor. „Ich will auch niemanden anrufen", erklärte ich und schaltete die Taschenlampe ein, die zum Glück jedes halbwegs neuere Handy hatte.
Sofort wurde es hell und Daliah wandte geblendet den Blick auf. Auch ich musste blinzeln und mich kurz an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnen.
Staub lag in der Luft und es wirkte, als würde ich versuchen durch dichten Nebel zu schauen. Ein Unterfangen, was nicht wirklich mit Erfolg gekrönt war.
„Wo sind wir hier?", wollte ich wissen. Wir befanden uns wohl unter dem Keller. Doch was war hier?
„Eine sehr gute Frage. Ich wusste nicht, dass es unter dem Keller noch einen Keller gibt", murmelte Daliah und sah sich um, als hätte sie Angst. Was ich gut verstehen konnte. Auch mir gefiel es nicht, hier zu sein. Und die Tatsache, dass mein Bein höllisch schmerzte, ich noch am Boden saß und wohl nicht laufen konnte, machte es nicht besser.
„Egal wo wir sind, es muss einen Weg hier hinaus geben", beharrte Venom und kam mir plötzlich näher, ehe er sich zu mir hockte und mir seinen Rücken zuwandte.
„Halt dich fest, ich werde dich tragen", erklärte er, als wäre es das Normalste auf der Welt.
Ich blinzelte, ehe ich kommentarlos meine Arme um seinen Hals schlang und mich Huckepack nehmen ließ. Das Handy mit dem Licht dabei fest in meinen Händen.
„Wow", gab Venom plötzlich von sich, als er mich auf seinem Rücken ein wenig zurecht rückte. „Du bist wirklich so schwer, wie du aussiehst. Denk mal über eine Diät nach."
Dieser...
Ich verbiss mir einen Kommentar und den Drang ihn zu schlagen. Immerhin war er so nett mich zu tragen. Dafür hatte er etwas gut bei mir. Und ich könnte ihn fast mögen, wenn er mal zwei Minuten lang die Klappe halten würde.
„Wenn du zu schwach bist, solltest du mehr Muskeltraining machen." Ich konnte es mir letzten Endes doch nicht verkneifen. Immerhin hatte er angefangen.
„Schapo", gab er von sich. „Sehr schlagfertig."
Ich setzte mich ein wenig zurecht und hörte ihn verärgert knurren.
„Nimm das Licht aus meinem Gesicht", beschwerte sich Venom, während ich mich bewegte.
„Du trägst doch eine Sonnenbrille. Dass sollte dich doch gar nicht stören", erklärte ich genervt und verdrehte die Augen.
„Streit bringt uns jetzt wirklich nicht weiter", bemerkte Daliah leise und verzog etwas den Mund.
„Wir sind hier unten in einer Art Keller, unter dem Keller", bemerkte ich, als ich mit dem Handy die Umgebung ableuchtete. Die Wände sahen aus, als wären sie früher einmal verputzt gewesen und auf alle Fälle war das hier nicht natürlich entstanden.
„Laut einigen Büchern stand hier früher einmal etwas anderes", erklärte mir Daliah, während ich mich neugierig umsah.
Der Boden war mit Staub und alten Putz bedeckt, aber ein Gang war dennoch deutlich zu erkennen.
„Nun, irgendwie muss man ja hier wieder raus kommen", bemerkte ich und sah nach oben. Durch das Loch war eindeutig keine Option. Es war viel zu hoch und wahrscheinlich würde man sich auch nirgendwo dran festhalten können, um hinaus zu klettern.
„Wir können sowieso nur gerade aus", bemerkte Venom und klang alles andere, als begeistert. Ich konnte es verstehen. Ich fühlte mich hier unten auch nicht wirklich wohl. Das drückende Gefühl von Alter lag in der Luft und es roch, als wären wir in einem uralten Archiv für Bücher, die schon seit Jahrhunderten niemand mehr aufgeschlagen hatte.
Zumindest stellte ich mir immer vor, dass es in solchen Abteilungen so riechen musste.
Venom setzte sich in Bewegung und Daliah lief neben uns her.
Sie blickte sich immer wieder um und schien sich immer unwohler zu fühlen.
Manchmal machte sie auch einige Schritte zur Seite, als würde sie etwas umgehen wollen.
Vielleicht etwas am Boden, das ich nicht sehen konnte. Es war nicht unbedingt das normalste Verhalten, aber wir befanden uns hier unten in einem tiefen, alten Kellergewölbe. Da sollte man kein normales Verhalten erwarten!
Die ehemals verputzten Wände wichen irgendwann riesigen kuppelartigen Bauten, die aus Mauerwerk bestanden.
Mir war nicht bewusst gewesen, dass wir scheinbar immer tiefer gelaufen waren, doch wenn man bedachte wie hoch die Decken hier waren, konnte es nicht anderes sein.
„Vielleicht war das hier mal eine Art Gewölbe", bemerkte ich, da mir die Bauart bekannt vorkam.
„Gut möglich", stimmte Daliah zu. „Vielleicht von einem Weingut, oder einem...", sie brach ihren Satz ab und ich folgte ihrem Blick und erleuchtete die Wand.
Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich zurückgewichen, doch Venom stand still da, während wir alle drei auf die Vertiefung in der Wand blickten und den Sarg musterten.
„Warum wundert es mich nicht, dass dieses Internat auf einer Krypta erbaut wurde?", fragte ich nüchtern, aber nur um die kalte Angst zu verstecken, die in mir aufstieg.
Mit zittriger Hand lenkte ich das Licht des Handys an der Wand entlang und leider wurde meine Vermutung bestätigt. Überall waren Särge in den Wänden eingelassen und manchmal auch Urnen, oder Skelettteile.
Ich schluckte, als ich den Totenkopf erkannte und blickte sofort weg.
Davon würde ich sicherlich noch tagelang Albträume bekommen! Verdammt! Und dabei hatte ich doch solche Angst vor Skeletten!
„Du wirst doch nicht vor ein paar alten Knochen Angst haben?", hörte ich Venoms belustigte Stimme. Ja natürlich. Er musste spüren, wie sehr ich zitterte. Immerhin hockte ich auf seinem Rücken!
Es zu leugnen wäre zwecklos und würde die Sache auch nicht besser machen. Also schwieg ich einfach.
Wir liefen stumm weiter und bestaunten die Umgebung. So gruselig es auch hier unten war, so faszinierend war es.
Auch wenn die riesigen Spinnennetze nicht gerade zur Atmosphäre beitrugen, waren die Katakomben doch ein bauliches Meisterwerk der Kunst.
Wunderschöne Staturen säumten die Gänge. Von Drachen, Feen, Engeln und anderen Wesen. So detailreich, dass sie wirkten, als wären sie echt. Ich bekam sogar Angst, dass sie sich jeden Moment bewegen würden, doch das war natürlich Quatsch. Aber Angst ließ sich nun einmal nicht durch Logik verscheuchen.
„Was ist das da hinten?", fragte Daliah plötzlich und ich richtete meinen Blick in die Richtung, die sie zeigte.
Dort hinten in den dunklen Gängen schien etwas zu schimmern. „Licht?", fragte ich und spürte, wie Venom den Kopf schüttelte.
Dabei kam mir der Geruch deines Aftershaves entgegen und ich wurde von diesem förmlich eingehüllt. Es hatte etwas sehr beruhigendes an sich.
„Das ist kein Licht", sagte er und Daliah gab ein Schnauben von sich.
„Was soll es denn sonst sein?", wollte sie wissen und klang, als würde sie jeden Moment losrennen wollen.
„Lasst uns einfach nachsehen. Besser als zu diskutieren", murmelte ich und hatte das Bedürfnis meinen Kopf müde auf Venoms Haare sinken zu lassen und die Augen zu schließen.
Verdammt! Das war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für sowas.
Venom setzte sich in Bewegung und Daliah folgte uns, während wir durch die Gänge streiften und dem seltsamen Leuchten näher kamen.
Je näher wir kamen, desto mehr verstand ich, was Venom meinte. Es sah nicht aus wie Licht. Eher wie ein Schimmern von einem Glühwürmchen. Einem sehr großen Glühwürmchen.
„Warte kurz", sagte ich, als mir etwas anderes auffiel und ich blickte hoch.
„Was hast du denn jetzt schon wieder?", fragte Venom genervt, als würde ich das ständig machen, aber er blieb nicht stehen.
„Schau mal hoch", murmelte ich und gab mir Mühe, dass meine Stimme nicht brach.
Er hob den Kopf, achtete aber darauf, dass er mich nicht runter warf. Noch immer lief er einfach weiter.
Dann schnappte er nach Luft und ich wusste, dass er es ebenfalls sehen konnte. Erst jetzt blieb er stehen.
„Was ist da?", wollte Daliah wissen und hob langsam den Kopf. „Ich hoffe keine... Knochen."
Auch ihre Stimme brach, denn das war es, was da oben war. Knochen. Nur nicht in der normalen Größe.
„Das können keine Knochen sein", beharrte Venom und seufzte. „Kein Tier hat solch riesige Knochen."
Ich nickte, wenn auch eher ungläubig und versuchte mir die Lüge ebenfalls einzureden. „Wahrscheinlich hat jemand einfach einen riesigen Brustkorb nachgebaut und weiß gestrichen", murmelte ich, wollte es aber eigentlich nicht glauben.
Wir standen hier unter der Erde und unter einem riesigen Skelett eines Wesens, das bestimmt 5 wenn nicht sogar 6 Meter groß war.
„L...Leute", gab Daliah plötzlich von sich und sie klang, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.
Schnell richtete ich den Schein der Handy-Taschenlampe auf sie und stieß einen spitzen Schrei aus, der Venom dazu veranlasste sich die Ohren zu zuhalten.
„Gott, hör auf damit", beschwerte er sich und blickte nun ebenfalls auf den riesigen Totenschädel.
Ich war mir sicher, dass das unmöglich war, doch das war eindeutig der Totenschädel eines Drachens! Wir standen hier unter Drachenknochen!
Der Kopf war so groß, dass wir alle hinein gepasst hätten, ohne uns zu berühren. Und in der Mitte dieses Schädels, als wäre er absichtlich so platziert wurden, war etwas, das an einen steinernen Tisch, oder einen Tresen erinnerte.
Darauf lag etwas, das diesen Schimmer aussandte.
Ganz in der Mitte lag ein wunderschöner, weiß-silberner Spiegel, der jedoch von Staub leicht bedeckt war.
Daneben ein Schwert mit einer Klinge, die feuerrot schimmerte. Obendrüber ein Buch, das einen leicht bläulichen Schimmer aussandte und dann gab es da noch zwei Armbänder und ein Halsband, die grünlich schimmerten.
„Was auch immer das ist, es hilft uns hier nicht raus", erklärte Venom plötzlich, während ich noch immer wie gebannt auf die Artefakte sah.
Nur mühsam riss ich meinen Blick von dem Spiegel los und nickte zustimmend. Er hatte Recht, es würde uns nichts helfen.
Auch Daliah riss sich los und ich konnte ihr ansehen, dass sie Mühe hatte. „Sicher?", fragte sie und klang unschlüssig.
Venom schnaubte. „Ein verrostetes Schwert, ein kaputter Spiegel, ein eingestaubtes Buch und Schmuck werden uns mit Sicherheit hier nicht raus helfen. Ein Seil mit Enterhacken vielleicht."
Ich rollte mit den Augen. Dieser Typ war wirklich eine Nummer für sich.
Daliah seufzte schwer. „Stimmt, gehen wir weiter", murmelte sie und Venom setzte sich wieder in Bewegung.
Mittlerweile war ich es schon gewohnt, dass ich auf seinem Rücken saß und getragen wurde, dass es sich irgendwie nicht mehr unangenehm anfühlte. Wobei es das auch nie getan hatte.
„Auuuuurooooorrrrraaaa", erklang eine Stimme, die an ein Drachenbrüllen erinnerte und ich zuckte heftig zusammen.
Venom und Daliah blieben stehen und Daliah schenkte mir einen Blick mit aufgerissenen Augen.
„Sagt mir nicht, ihr habt das auch gehört", brachte ich mühsam hervor, auch wenn meine Stimme am Ende weg brach. Bitte, lass es nur Einbildung sein. Bitte, bitte, bitte.
Daliah und Venom nickten und mein Herz rutschte in die Hose.
Keine Einbildung!

~*~*~

Wörter: 1976

Hallo ihr Liebe, wie hat euch dieses Kapitel gefallen?

Wie ihr vielleicht bemerkt habt, habe ich das Cover ein wenig geändert.

Warum?

Ich dachte mir, dass ich vielleicht die Story auch einmal aus Venoms-Sicht und auch der von Daliah schreiben werde. Was haltet ihr davon? Würdet ihr es lesen?

Dachte mir, dass es vielleicht Leute unter euch gibt, die sich mit der lieben Aurora nicht so gut identifizieren können und ich persönlich hätte auch richtig Lust darauf.

Wie findet ihr die unterirdischen Katakomben?

Gefallen euch die Artefakte, oder hättet ihr andere Ideen?


Dragon Hill ~Verfluchte Kinder~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt