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Mein Handy weckte mich am nächsten Morgen um sieben Uhr fünfzehn, ich quälte mich aus der Hängematte und bemühte mich darum leise zu sein um nicht die anderen zu wecken, sie hatten sich schließlich nicht zu früh morgendlichen Training verdonnern lassen. Ich schnappte mir eine Jogginghose, ein T-Shirt und meine Trainingsjacke und verschwand im Badezimmer des ersten Stocks. Daraufhin schnappte ich mir mein neues Schwert, schob die Terrassentür auf und betrat die große Rasenfläche. Raven wartete bereits auf mich, sie hatte die Spitze ihres Katanas gegen den Boden gerichtet. „Und? Mit was fangen wir an?" „Mit der Art wie man ein Katana hält" Wie man ein Katana hält? Für wie blöd hält sie mich eigentlich?! Glaubte Raven ernsthaft ich sei nicht in der Lage ein Schwert zu halten? Ich warf ihr einen schiefen Blick zu. Sie ignorierte meine Reaktion. „Das ist das Tsuba, das Stichblatt" Sie deutete auf die runde Scheibe zwischen Griff und Klinge. „Lege deine rechte Hand direkt darunter, die zweite Hand sollte so weit wie möglich von der Rechten entfernt sein" Sie machte es mir vor, ich folgte ihrem Beispiel „Greife mit dem kleinen Finger am stärksten zu, wobei der Druck entlang der Finger nach vorne immer weiter nachlassen sollte, so dass dein Zeigefinger einfach nur auf dem Heft aufliegt" Anscheinend war das ganze um einiges komplizierter als ich erwartet hatte. „Und was genau soll das bringen?" „Wenn ein Gegner sein Schwert in einer unerwarteten Bewegung gegen deines schlägt, hilft dieser spezielle Griff dir dabei deine eigene Waffe in den Händen zu behalten und nicht von einem schmerzhaften Ruck durchfahren zu werden." Plötzlich fuhr sie mit ihrem Schwert herum und schlug es gegen meines. Ja, ich hätte eigentlich damit rechnen müssen dass sie ihre Worte unterstreichen würde. Aber ich musste zugeben, dass sie recht hatte. Ich hatte den Schlag nicht erwartet, aber ich hielt meine Waffe immer noch in der Hand und hatte auch nicht das Gefühl, das meine Arme gleich abfallen würden. „Merk dir den Griff", sagte Raven zu mir und nahm senkte ihr Schwert „Jetzt kommen wir zum einhändigen Greifen. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten. Bei der ersten, umgreifst du das Heft mit deiner dominierenden Hand in der Mitte. Der Druckausgleich funktioniert nach demselben Schema wie bei der zweihändigen Führung" Sie zeigte mir den Griff und ich machte ihn nach. Sie schaute auf meine rechte Hand und nickte „Genau so" „Und was ist die zweite Möglichkeit?" „Die zweite Möglichkeit ist, dass du deine Hand an das Ende des Hefts legst, verwende diese Greifart jedoch nur wenn du den Schwerpunkt deiner Klinge nach vorne verlagern willst" Die nächste Stunde über sollte ich die Griffe üben, dazu musste ich immer wieder das Schwert loslassen und es sofort wieder aufnehmen und in die richtige Haltung bringen, ich sollte diesen Bewegungsablauf so lange wiederholen, bis ich das Katana automatisch richtig hielt. Die Übung war zwar langweilig, aber effektiv. „Du lernst schnell", sagte Raven nach einer Weile „Ich habe eigentlich damit gerechnet dass du mindestens zwei volle Tage brauchen würdest bis du die Griffe beherrscht, wie machst du das?" „Ich...mache es halt einfach" um ehrlich zu sein, ich hatte echt keine Ahnung warum ich das Schwert bereits richtig halten konnte. Ich hatte ihr nur zugehört und dann halt meine Hände auf das Heft gelegt, der Rest war einfach von allein gekommen. „Merkwürdig", murmelte Raven „Naja, egal. Wenn du die Griffe bereits beherrscht können wir zum nächsten Schritt übergehen" „Und der wäre?" „Wie du ein Katana schwingst" Endlich ging es mit dem eigentlichen Training los. „Wenn du zweihändig kämpfst macht deine Hand am Ende des Hefts eine Ziehbewegung, in unserem Fall ist das die Linke" „Und die Rechte?" „Die Hand die unter dem Stichblatt liegt, leitet die hintere" Okay, das alles hörte sich sehr, sehr kompliziert an. Ich ließ mir die Erklärung noch einmal durch den Kopf gehen „Also, die linke Hand macht eine Ziehbewegung und die Rechte leitet die Linke, oder" „Ja, das habe ich gerade gesagt, kann ich fortfahren?" „Klar...", sagte ich etwas unsicher „Wenn du dein Schwert schwingst, festigst du deinen Griff, indem du deine Hände in das Heft drehst, etwa so", sie hielt ihr Katana vor sich und drehte ihre rechte Hand etwas nach vorne und ihre Linke etwas nach hinten, so dass die Haut sich über ihren Fingerknöcheln spannte. Daraufhin, zeigte sie mir, wie sie das Schwert schwang „Und jetzt, mach es nach" Ich drehte meine Hände in das Heft, schloss die Lider und führte mir noch einmal die Bilder, wie Raven ihre Klinge schwang vor Augen, dann öffnete ich sie wieder und machte die Bewegung nach. Es gelang mir mein eigenes Katana so zu schwingen, dass die nach wie vor in ihrer Hülle steckenden Klinge mich nicht traf. Ich blickte zu Raven, sie sah mich sprachlos an. „War mein erster Versuch so schlecht?" „Nein, es war gut, wirklich gut", stotterte sie „Wiederhole den Schlag", sagte sie plötzlich scharf. Ich tat es. „Nochmal" Ich schwang mein Schwert erneut „Jetzt, nimm das Schwert in die rechte Hand und schwing es" Ich wusste zwar nicht so recht was das sollte, aber ich folgte ihren Anweisungen. Ich ließ meine rechte Hand ein Stück herunterrutschen und nahm meine Linke vom Heft, ich hatte keine Ahnung ob ich irgend etwas beachten musste, aber ich schwang es einfach. Raven blickte mich zuerst mit ernstem Gesicht an, aber dann wurden ihre Züge weicher „Ich glaube, du bist ein Naturtalent" Ich lächelte Raven an, wenn sie das sagte, musste ich mich wirklich gut machen. Wir übten bis 13 Uhr, dann gab es Mittagessen, das kam mir gerade Recht, denn ich hatte wirklich verdammt großen Hunger. Und ich glaube Raven erging es genauso wie mir. Denn wir beide schmissen uns regelrecht auf die Stühle, füllten unsere Teller mit dem dampfenden Eintopf bis zum Rand und verschlangen den Inhalt in Rekordzeit. Ich glaube, dass ich so bei der dritten Portion war als Jason erst mich und dann meinen Teller kritisch musterte „Man, Loke soviel kann ja nicht mal ich essen" „Wirklich nicht?", Cathy blickte ihn schräg von der Seite an „Ich bin mir nämlich fast sicher, das mindestens die Hälfte des Topfs auf dein Konto geht" „Ja, aber man muss das alles im Verhältnis betrachten, ich meine er, klein und ein Mensch und ich, groß und ein Raubtier" Ernsthaft? Disste es gerade meine Größe? „Tja, aber der Lieger hat sich heute vermutlich nur auf irgendeinem Teppich gewälzt, während wir draußen Sport gemacht haben", sagte Raven anklagend „Ach, so anstrengend wird das schon nicht gewesen sein" „Glaubst du das wirklich Kätzchen?", fragte Raven. Jason zögerte kurz und sagte dann provokativ „Ja" Auf Ravens Gesicht erschien ein vielsagendes Lächeln „Dann kannst du ja den Rest des Tages mit uns arbeiten". Wenn Raven etwas sagte dann wurde das auch so gemacht. Also schlürften wir später zu dritt in den Garten, Raven und ich mit unseren Katanas in der Hand und Jason trug eines der Flacatas. Wir übten die verschiedensten Streiche und außerdem brachte sie mir bei dass eine Katanaklinge niemals senkrecht auf den Gegner treffen sollte.

Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen. „Das war für dich genug für heute", sagte Raven an mich gerichtet, danach ging sie zu Jason„Hey, Kätzchen steh auf", sie stieß mit der Spitze ihres Turnschuhs leicht gegen ihn. Jason hatte sich bereits nach einem kurzen Schlagabtausch mit Raven völlig erschöpft ins Gras fallen lassen. Ich musste allerdings zugeben dass sie wirklich fest mit dem Schwert zugeschlagen hatte, mir wäre es vermutlich genauso ergangen wie ihm. „Ist das Training für heute beendet?", fragte Jason hoffnungsvoll. „Für Loke schon, aber du hast noch ein paar Übungen vor dir", sie schenkte ihm ein böses Grinsen. „Warum habe ich nur so eine große Klappe", seufzte er. Ich warf Jason noch einen mitleidigen Blick zu, drehte mich dann jedoch trotzdem um und überließ ihm seinem Schicksal. Ich ging ins Wohnzimmer und warf dort mein Katana in die Hängematte, weil ich einfach zu faul war um es wegzuräumen. Daraufhin schnappte ich mir ein paar saubere Klamotten und ging die Treppe rauf in den ersten Stock um eine Dusche zu nehmen. Die restliche Zeit bis zum Abendessen schlug ich mit Unterhaltungen und dem erledigen kleinerer Aufgaben tot. Es war kurz vor halb acht, der Fernseher lief und ich saß zusammen mit Angel, ihrem Freund und Laury auf der Couch, als der halb tod aussehende Jason durch die Terrassentür stolperte. „Ich werde dein Training nie wieder unterschätzen Loke, nie wieder!", keuchte er. Hinter ihm kam Raven ins Haus. Auf ihrem Gesicht konnte man deutliche Genugtuung ablesen. Ich konnte den Gedanken nicht niederringen, dass sie ihn um einiges härter ran genommen hatte als mich. Armer Jason. Nachdem die beiden geduscht und sich umgezogen hatten, setzten sie sich zu uns und wir bestellten beim nächsten Italiener eine Partypizza mit Schinken, Zwiebeln, Thunfisch, Champignons, Ei und Artischocken. Zugegeben, der Belag war zwar eine ziemlich seltsame Mischung, aber so war immerhin für jeden etwas dabei. Eine halbe Stunde später, passend zum Beginn von Fluch der Karibik Teil 4, wurde unser Essen geliefert und ich musste zugeben, dass die Pizza wieder meiner Erwartungen wirklich gut schmeckte. Als der Film zu Ende und die Pizza restlos aufgegessen war verabschiedeten Angel und Ethan sich für heute Abend von uns und verließen das Wohnzimmer. Der Rest von uns entschloss sich nach kurzer Zeit ebenfalls dazu, sich schlafen zu legen.


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