Kapitel 33

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Als ich am Sonntag wach wurde, war es erst 8 Uhr. Danke, innere Uhr, dass ich immer so früh wach werde. Aber ich schleppte mich aus dem Bett und duschte sehr lange. Länger als es nötig gewesen wäre. Danach machte ich mich langsam fertig. Ich hatte nicht genug Motivation um mich sehr toll anzuziehen, also zog ich mir einfach eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues Top mit Spitzendetails an. Ich hatte nicht viel drüber nachgedacht, aber es war ok. Meine Haare warf ich mir in einen Zopf und blieb ungeschminkt. Ich wusste ganz genau, dass ich es später ganz verschmiert säubern müsste. Schließlich zog ich mir meine Jacke und die Schuhe an, packte meine Schlüssel und alles in eine Tasche und ging aus dem Zimmer. Mein Handy ließ ich absichtlich da.

Wenig später war ich an dem Friedhof. Ein paar tiefe Atemzüge nehmend lief ich in die richtige Richtung. Mein Blick schweifte immer wieder zu den anderen Grabsteinen, an denen ich vorbeilief. So viele Menschen haben jemanden verloren. Natürlich, es ist unvermeidlich, aber es tut trotzdem weh. Wenn Menschen jemanden verlassen, nehmen sie immer einen Teil von den Leuten, die sie zurücklassen mit. Die Tränen bringen sie nicht zurück. Das wissen alle. Trotzdem weint man. Nach wenigen Momenten war ich am Grab meiner Eltern. Natürlich lagen sie nebeneinander.

Ich legte die Blumen, die ich auf dem Weg her gekauft hatte, auf das große Grab und setzte mich daneben. Ich säuberte ein wenig die Flächen neben dem Grab, damit alles etwas besser aussah und schaute einfach ein paar Minuten lang auf das Grabstein. Ich atmete tief ein und aus und fing dann an zu reden. Ich rede immer zu meinen Eltern, wenn ich da bin. Viele mögen denken, dass ich verrückt bin, aber wenn ich das tue, denke ich, dass sie mich hören können. Irgendwo, wo immer sie auch sind.

"Hallo, Mama und Papa. Ich weiß, ich bin eine schlechte Tochter, dass ich so selten herkomme. Aber ich kann es manchmal einfach nicht.", fing ich an, "Ich vermisse euch beide so sehr. Ich wünschte jeden Tag, dass ihr hier wärt." Tief ein uns aus atmend fuhr ich fort:" Also was so bei mir passiert ist... Ich bin seit einer Weile auf dieser neuen Schule mit dem Internat. Und wisst ihr was, Eric ist auch dort. Wir sind wieder richtig gut befreundet. Außerdem habe ich andere tolle Leute kennengelernt: Luisa, Jenny, Lia, Patrizia, Daniel, David, Frederik und ein paar andere. Adam hat jetzt eine Freundin. Achja, ich habe angefangen eine Tanzgruppe zu trainieren, weil sie jemanden gebraucht haben. Es macht mir mehr Spaß als gedacht. Obwohl ich eigentlich nicht mehr richtig tanze, habe ich es gestern getan. Ich wollte in deine Fußstapfen treten, Mama, aber das schaffe ich nicht. So gut wie du warst, werde ich nie sein können. Tut mir echt leid." Als würde es etwas ausmachen, sagte ich:" Ach, Papa. Der BVB hat gestern Abend gewonnen, war aber kein Wunder, oder?"  Was konnte ich noch erzählen? "Papa, vielleicht hörst du jetzt weg, weil ich doch weiß, dass du das nicht hören wollen würdest. Aber, Mama. Ich bin verwirrt wegen Eric. Julia hat mich auf etwas angesprochen, das ich selbst so nicht gedacht habe, aber ich denke, dass da etwas dran sein könnte. Aber das hast du wahrscheinlich schon alles gesehen. Ich wünschte einfach, dass ihr hier wärt und ich mit dir darüber reden könnte. Es wäre so viel einfacher und ich müsste euch nicht jeden Tag vermissen." Schon wieder flossen mir Tränen die Wangen runter und mein Herz tat weh. Ich bekam kaum Luft und versuchte meinen Atem zu stabilisieren. Das passiert immer wieder. Wieso können sie nicht hier sein? Wieso mussten sie so früh sterben? Aber hoffentlich sind sie an einem besseren Ort. Das ist jedenfalls das, was mir immer alle gesagt haben.

Als ich wieder reden konnte, sagte ich:" Ich habe eure alten Freunde kennengelernt. Oliver und Christina und ihre Ehepartner. Sie sind Erics neue Familie, seitdem er adoptiert wurde. Die beiden haben mir viel von euch erzählt. Dass ihr beide euch ewig geliebt habt, dass Papa schnell eifersüchtig wurde und sehr viel mehr.  Wieso habt ihr eigentlich den Kontakt verloren? Sie scheinen toll zu sein." Natürlich kam keine Antwort. Hatte ich nicht erwartet. Ich wischte mir die Tränen weg und starrte das Grab an. Jeder der vorbei läuft, denkt wohl, dass ich verrückt sei. Aber das ist ein Friedhof. Hier her kommen viele Menschen, um mit ihren Geliebten zu reden und um um sie zu trauern. Auch wenn es nur einseitig ist. Also wird es wohl nichts all zu außergewöhnliches sein. Das schlimmste ist, dass ich mich nicht an alles erinnern kann. Ich war 9, als sie verstorben sind.

My so called best friendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt