Kapitel 13

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Die kommenden Tage und Wochen vergingen wie im Flug, während Weihnachten mit großen Schritten näher kam. Mitte Dezember fielen die Temperaturen bis kurz vor den Gefrierpunkt und der beständige Dauerregen verwandelte sich über Nacht in Schnee, der schmolz, sobald er den Boden berührte. Dreckiger Schneematsch bedeckte Straßen und Bürgersteige und bescherte jedem nasse Füße, der nicht rechtzeitig an einen wasserabweisenden Zauber dachte. Der Papierstapel auf Harrys Schreibtisch türmte sich höher und höher, bis er kaum noch darüber sehen konnte, und das Gefühl bekam, dass ihm alles über den Kopf wuchs. So kurz vor Weihnachten wollte jeder noch schnell seine Aufgaben so weit erledigen, dass er freien Kopfes in die Feiertage verschwinden konnte, und wie es schien, benötigte sie alle dafür Harrys Hilfe. Ein langer Bericht nach dem nächsten landete auf seinem Schreibtisch, Memos mit Erinnerungen an Gespräche und Meetings schwirrten um seinen Kopf und immer wieder klopfte jemand an seine Tür und bat um seine Aufmerksamkeit. Da gab es die Ausbilder, die unbedingt jetzt mit Harry über die angesetzte Überarbeitung der Liste an Zaubern und Flüchen für die Neulinge sprechen wollten, obwohl diese nicht vor September des kommenden Jahres in Kraft treten würde. Dann waren da Feldauroren, die schon seit langem für eine Reform der Verhörtechniken plädierten, die Jahresabschlussberichte der verschiedenen Einheiten der Aurorenzentrale sowie zahlreiche Anfragen anderer Ministeriumsabteilungen, die in verschiedenen Fällen um Harrys Rat oder Mithilfe baten. Harrys Lichtblick in diesen Tagen waren Dracos regelmäßige Besuche in seinem Büro. An mindestens zwei Abenden pro Woche kam er mit Wein, Tee oder etwas zu Essen bei Harry vorbei und warf so lange mit Beleidigungen und spitzen Bemerkungen um sich, bis Harry mit einem Seufzen nachgab und den Arbeitstag für beendet erklärte. In der Regel verbrachte er noch ein bis zwei Stunden mit Draco, ehe er nach Hause zu seiner Familie zurückkehrte.

Auch an diesem Montag, sechs Tage vor Heiligabend, hatte Draco um kurz vor sieben an seine Tür geklopft und war in Harrys Büro marschiert, ohne auf eine Antwort zu warten. In der Hand hatte er eine große Flasche dampfenden Inhalts gehalten und nur wenige Minuten später hatte ein würziger Glühweinduft den sonst so präsenten Geruch von Staub, Pergament und alten Textilien übertüncht.

Als Harry nun den dunklen Kiesweg hinunter ging, glühten seine Wangen und Fingerspitzen immer noch angenehm warm, und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit fürchtete er sich nicht mehr davor, nach Hause zu kommen. Es war immer noch spät, aber heute würde er früh genug zu Hause sein, um Lily noch ins Bett bringen zu können. Er würde mit ihr kuscheln, ihr eine Geschichte vorlesen und es sich dann vor dem Kamin gemütlich machen.

Am Gartentor hielt Harry für einen Moment inne und atmete tief durch. Die kalte Winterluft roch nach Schnee und Tannen und Kaminfeuer. Die Fenster seines Zuhauses waren hell erleuchtet und mit glitzernden Schneeflocken verziert, die vom oberen Rand nach unten rieselten, wo sie winzige Schneewehen bildeten. Lilys Augen hatten voller Begeisterung geleuchtet, als sie und Molly jedes einzelne Fenster im Haus auf diese Weise verzaubert hatten.

Lächelnd ergriff Harry den Türknauf und wartete geduldig darauf, dass die Schutzzauber ihn erkannten und einließen, ehe er den Flur betrat. Auf der Matte neben der Tür erstarrten Lilys kleine Winterstiefel regelrecht vor Matsch und die Garderobe war wieder einmal so überfüllt, dass Harry sich nicht einmal die Mühe machte, einen freien Haken zu finden, sondern seinen Umhang einfach auf den wachsenden Haufen daneben warf.

Im Wohnzimmer bot sich Harry ein Bild, bei dem Harrys Bauch sich vor lauter Zuneigung für einen Moment zusammenzog. Auf dem Sofa hatte Lily sich neben Ginny zusammengerollt und lauschte gebannt, während Ginny ihr eine Geschichte über einen bösen und gefährlichen Drachen und eine mutige kleine Hexe vorlas. Als Harry eintrat, hielt Ginny kurz inne, lächelte ihm überrascht zu und las dann weiter. Lily hingegen verfolgte jede seiner Bewegungen mit großen Augen, während Harry zu seinem Lieblingssessel hinüber schlich und verschwörerisch einen Finger auf die Lippen legte. Lily grinste ihn an und erwiderte die Geste, ehe sie die Arme wieder um ihr Kuscheltier schlang und die Augen schloss. Die Beine unter den Körper gezogen machte Harry es sich in seinem Sessel gemütlich und lauschte ebenso wie Lily Ginnys Worten. Sie war gut im Vorlesen. Ihre Stimme war weich und ruhig, ohne jemals zu stocken oder zu leise oder zu laut zu werden. Der Alkohol und die Wärme umhüllten Harry wie eine schwere Decke. Seine Glieder wurden schwer und immer öfter musste er dagegen ankämpfen, einfach die Augen zu schließen und sich in den Schlaf wiegen zu lassen.

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