Kapitel 23

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„Haben Sie alles gefunden, Auror Potter?"

„Ja, alles gefunden." Zum Beweis hob Harry die Akte in seiner Hand und schenkte Adriana Artwood ein dankbares Lächeln, ehe er sich herumdrehte und dazu ansetzte, das Archiv in den tiefen Kellergewölben des Ministeriums zu verlassen.

„Denken Sie daran", rief Adriana ihm nach, ehe er die Tür erreichen konnte, „eine Woche. Eine Woche, Auror Potter!"

Harry hielt im Türrahmen inne und grinste die Archivarin verschmitzt an. „Wann habe ich jemals eine Akte zu spät zurück gebracht?"

Dann schlüpfte er eilig aus dem Raum, ehe die Frau etwas darauf erwidern konnte. Im Flur schob er die Akte unter seinen Umhang, ehe er mit ausholenden Schritten in sein Büro zurückkehrte. Dort erst zog er die braune Mappe wieder hervor und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. ALASTAIR CUNNINGHAM stand in Großbuchstaben auf dem Deckel 1989– Nachdenklich fuhr Harry mit den Fingerspitzen am Rand des Deckels entlang. Eigentlich könnte er nach Hause gehen. Alle Aufgaben des Tages waren erledigt und schon seit beinahe zwei Stunden war niemand mehr zu ihm ins Büro gekommen. Er könnte gehen und sich endlich um eine eigene Bleibe kümmern – er nahm Dracos Gastfreundschaft schon viel zu lange in Anspruch. Nicht, dass dieser sich beschwert oder Harry es nicht versucht hätte.

Er hatte bereits mehr als einen Makler engagiert und sich mehrere Häuser angesehen. Doch sobald die Menschen merkten, dass es Harry Potter war, der sich für ihre Häuser interessierte, schlugen sie ihm entweder die Tür vor der Nase zu oder überschlugen sich derart mit ihrem Eifer, dass Harry nicht schnell genug von dort verschwinden konnte. Hinzu kam, dass jeder einzelne Makler, den er bisher beauftragt hatte, der Meinung zu sein schien, besser zu wissen, was Harry suchte als Harry selbst. Er wollte nichts weiter als ein einfaches Haus, gerade groß genug, dass seine Kinder Platz darin fanden, wenn sie zu Besuch kamen. Und Scorpius.

In einem Anflug von Verzweiflung hatte Harry bereits daran gedacht, seine Suche auf die Muggelwelt auszuweiten, doch so groß sein Bedürfnis nach Ruhe und Abgeschiedenheit auch war, so schnell hatte er den Gedanken wieder verworfen. In der Welt der Zauberer hatte er das Zuhause gefunden, das er als Kind nie gehabt hatte – er würde sie nicht verlassen, nur weil es ein wenig schwierig wurde. Natürlich hatte er auch schon daran gedacht, in das Haus am Grimmauldplatz zurückzukehren. Aber er hatte dieses Haus seit bald vierzehn Jahren nicht mehr betreten und nur deswegen nicht verkauft, weil er es nicht übers Herz gebracht hatte, auch das letzte Andenken an Sirius wegzugeben.

Seufzend rieb Harry sich über die Schläfen und strich sich die Haare aus dem Gesicht, ehe er endlich die Akte aufschlug. Er würde eine Entscheidung treffen müssen. Bald.

Er hatte nicht einmal mehr die erste Seite überflogen, welche lediglich Aufschluss gab über Cunninghams Geburtsort und seine Schulbildung, als es an seine Tür klopfte. Stöhnend stützte Harry den Kopf in die Hände. Er hatte gewusst, dass er nach Hause hätte gehen sollen. Solange er noch gekonnt hatte.
Harry gönnte sich einen kurzen Moment des Selbstmitleids, ehe er den Besucher zu sich herein bat.

„Draco!" Überrascht sprang Harry auf und eilte um seinen Schreibtisch herum, nachdem er Cunninghams Akte unter einem Stapel Papier versteckt hatte, um Draco zur Begrüßung an sich ziehen und küssen zu können.

„Was machst du denn hier?"

„Ich wollte sichergehen, dass mein Lieblingsauror noch am Leben und nicht unter seiner Arbeitslast zusammengebrochen ist."

Draco grinste ihn spitzbübisch an und lehnte sich so schwer gegen Harry, dass dieser einen Schritt nach hinten taumelte und sich auf die Tischkante setzen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

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