Kapitel 14

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„Gehst du schon wieder weg?" Mit großen Augen und vorgeschobener Unterlippe sah Lily ihren Vater an, so dass Harry augenblicklich das schlechte Gewissen in sich aufsteigen spürte. Dabei wusste er eigentlich ganz genau, dass Lily heute Abend gut aufgehoben sein und ihn nicht eine Minute lang vermissen würde. Trotzdem ging er vor ihr in die Hocke, so dass er ihr über die Haare streichen und ihr einen Kuss darauf geben konnte. „Ja, ich geh noch mal weg." Er lächelte Lily aufmunternd an. „Aber du bist ja heute Abend mit Hugo bei Oma. Das ist doch viel spannender als ein Abend mit deinem langweiligen Vater, oder?" Er richtete sich wieder auf und drehte sich zum Spiegel, in welchem er sich mit kritischem Blick betrachtete. Es war lange her, dass er etwas anderes als seine Uniform oder seine alten zerlöcherten Kleider getragen hatte. Das Hemd, dessen Knöpfe er nun sorgfältig schloss, war an Schultern und Brust zu weit geworden, aber Harry war zuversichtlich, dass er seinen Mantel den ganzen Abend über anbehalten würde.

Durch den Spiegel hindurch konnte Harry beobachten, wie Lily die Unterlippe noch ein wenig weiter vor schob und den Kopf schüttelte, so dass ihre Zöpfe wild um ihren Kopf flogen. „Gar nicht! Hugo ist langweilig!"

„Und ich nicht?" Zweifeld zog Harry die Augenbrauen hoch.

Wieder schüttelte Lily den Kopf. „Du gehst mit mir fliegen und du bist viel besser im Verstecken!"

Harry lachte leise und schloss den letzten Knopf, ehe er sich wieder zu Lily herumdrehte. „Über Weihnachten hab ich Urlaub und bin die ganze Zeit zu Hause – was hältst du davon, wenn wir dann ganz viel fliegen gehen und verstecken spielen?"

Lilys Augen leuchteten auf, und Harrys Bauch wurde ganz warm, als sie sich stürmisch an ihn drückte und ihre Arme um seine Mitte schlang. „Versprochen?"

„Versprochen", nickte Harry und hob Lily hoch, um sie schwungvoll im Kreis zu wirbeln, so dass sie übermütig lachte und kreischte Ginny nur wenige Sekunden später mit hoch gezogenen Augenbrauen in der Tür stand. „Lasst ihr mich mit feiern?", fragte sie mit einem leichten Lächeln, ehe sie Harry musternd ansah. Wortlos trat sie an den Kleiderschrank und zog ein anderes Hemd heraus. „Hier", hielt sie es Harry entgegen, „das sitzt besser."

Verwirrt zog Harry die Augenbrauen zusammen und setzte Lily wieder auf den Boden, so dass er Ginny das Hemd abnehmen konnte. „Dankeschön." Fragend neigte er den Kopf, aber sie zuckte nur mit den Schultern.

„Du hattest noch nie ein Auge dafür, was du anziehen solltest und-" Sie hob erneut die Schultern. „Ich habe das Gefühl, dass du heute gut aussehen willst. Also solltest du das anziehen." Sie deutete auf das Hemd, das Harry noch immer in der Hand hielt, und drehte sich um, ohne Harry Zeit für eine Antwort zu geben. „Komm, Lily. Oma und Hugo warten bestimmt schon."

Für einen Moment sah Lily unschlüssig zwischen ihren Eltern hin und her, dann machte sie es ihrer Mutter nach und zuckte ebenfalls mit den Schultern und hüpfte zu Ginny hinüber. „Macht Oma uns wieder Nudeln mit Kürbissoße?"

„Bestimmt. Sie weiß doch, dass du davon nicht genug bekommen kannst."

„Und backen wir auch wieder Weihnachtskekse?"

„Ich weiß es nicht, das musst du Oma fragen."

Regungslos stand Harry mitten in seinem Schlafzimmer und lauschte benommen, wie Ginny und Lily die Treppe hinunter gingen und dann durch den Kamin in den Fuchsbau verschwanden.

Ich habe das Gefühl, dass du heute gut aussehen willst. Mit einem Mal stürmten so viele Fragen auf Harry ein, dass es in seinen Ohren zu rauschen begann und er sich mit wackeligen Beinen auf das Bett sinken ließ. Wieso dachte Ginny, er wolle gut aussehen? Für wen sollte er sich denn schick machen? Glaubte Ginny, er träfe sich mit einer anderen Frau? Aber wieso sollte sie ihm dann dabei helfen, das richtige Hemd auszuwählen? Stöhnend vergrub Harry die Hände in den Haaren und badete so lange in Verwirrung und Selbstmitleid, bis die Zeit so weit vorangeschritten war, dass er zu spät kommen würde, wenn er sich jetzt nicht beeilte.

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