Wie tief muss man sinken?

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Völlig fertig vom ganzen Suchen, setzte ich mich auf eine Bank im Schatten einer großes Palme.

Für einen Moment schloss ich meine Augen, legte den Kopf in den Nacken und lauschte dem den unzähligen Geräuschen um mich herum. Zwischen den Stimmengewirr war das Meer zu hören. Das Wasser rauschte, die Wellen schlugen auf den Sand und die Möwen flogen ihre Runden.

„Entschuldigung...ist neben Ihnen noch frei?“, fragte mich eine freundliche Stimme.

Ich öffnete meine Augen wieder und musste sie schnell wieder zusammen kneifen. Die Sonne schien mir direkt ins Gesicht.

Ich hielt mir eine Hand vor die Stirn und schaute dann in das mit Falten überzogene Gesicht einer lächelten, alten Frau.

Ich nickte und lächelte zurück.

„Entschuldigung wenn ich sie störe...aber Sie sind eine wirklich sehr hübsche, junge Frau.“

„Oh...vielen Dank...“, sagte ich gerührt.

„Das bekommen Sie sicher jeden Tag zu hören.“

Nein. Eigentlich nicht. Ich würde mich auch schon über ein kleines „Hallo“ freuen. Da war ein Kompliment normaler Weise nicht drinnen. Aber wundern musste mich das eigentlich nicht. Schließlich hatte ich mich daheim in Deutschland in meiner Wohnung verschanzt und war er selten raus unter Menschen gegangen. Noch dazu hatte ich mich ziemlichen gehen lassen und das wirke auf die Männerwelt eher abstoßend. Hier in L.A versuche ich das nicht zu tun. Statt der löchrigen Jogginghose und dem zerschlissenen T-shirt, schmiss ich mich in ein luftiges Sommerkleid. Anstatt dem streng nach hinten gebunden Zopf, fielen meine Haare locker über meine Schultern und auch ein bisschen Schminke hatte ich auf getragen.

Auch wenn es bloß ein Kompliment einer alten Dame war, es war ein Anfang.

„Sie kommen nicht von hier, oder? Sie haben so einen kleinen Akzent.“

„Nein...ich komme aus Deutschland und ich bin auf einen Hochzeit eingeladen.“

„Und dann kommen sie extra von so weit weg?“

„Ja...“,ich ließ mir das kurz durch den Kopf gehen.

„Meine beste Freundin heiratet“, log ich.

„Wann ist es den soweit?“

„Das wissen die beiden selbst noch nicht so genau. Sie hatten mich gefragt ob ich als Hochzeitsplanerin helfen könnten und da habe ich natürlich sofort ja gesagt.“

Das Lügen viel mir mittlerweile nicht mehr besonders schwer. In letzter Zeit hatte ich immer wieder gesagt „Ja mir geht’s gut, danke“ und habe nicht einmal so gemeint. Sowieso...wenn dich jemand fragt wie es dir geht, will er es eigentlich gar nicht wissen. Also hat es ihn auch nicht zu interessieren wie es mir wirklich geht.

So hat das angefangen und nun log ich so gut wie immer. Denn, die Wahrheit, über die Wahrheit ist...sie tut weh, also lügen wir. Es ist dann wie ein Schlag in die Fresse, nur mitten ins Herz. Und das hielt man nach einer Zeit einfach nicht mehr aus.

„Ist es nicht schön wenn man die Liebe seines Lebens findet? Die Beiden sind sicher noch jung und haben ihr ganzes Leben vor sich.“

„Ja das haben sie“; sagte ich und musste schlucken.

Im nächsten Moment merkte ich, es war ein Leben, in dem ich nicht vorkommen werde. 

„Und Sie, sind Sie auch in glücklichen Händen?“

Was sollte die dumme Frage? Um die himmlischen Vorstellungen, der alten Dame, von der Liebe nicht zu zerstören, erfand ich schnell einen netten Robin, mit dem ich angeblich seit einen halben Jahr glücklich zusammen war. Der jetzt aber leider in Deutschland auf mich warten musste. Natürlich verstand er es, dass ich jetzt für längere Zeit in Amerika war, denn schließlich liebte er mich. 

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